Zunehmender Arbeitskräftemangel in Indiens Baubranche

Der indische Bausektor befindet sich wieder auf Wachstumskurs. Allerdings steigen gleichzeitig auch die Baustoffpreise und die Gehälter. Zudem sehen sich die Baufirmen mit einem zunehmenden Arbeitskräftemangel konfrontiert.

Vor allem der Infrastruktur-, aber auch der private Wohnungs- und der Gewerbebau treiben die Bauinvestitionen voran. Allerdings steigen gleichzeitig auch die Baustoffpreise und die Gehälter. Zuletzt hatte sich die Preissteigerung auf über 8 Prozent beschleunigt. Die Hersteller von Zement und Stahl beklagen die hohen Energiepreise und geben die Kosten an die Abnehmer weiter. Zudem sehen sich die Baufirmen mit einem zunehmenden Arbeitskräftemangel konfrontiert.

Die indische Baubranche kann sich über volle Auftragsbücher freuen. Nach einem kurzen Zwischentief in Folge der globalen Finanzkrise verzeichnen die Unternehmen mittlerweile wieder Umsatzzuwächse von 10 Prozent und mehr. Laut Construction Industry Development Council (CIDC) belief sich der Wert der Bauinvestitionen im Finanzjahr 2010/11 (1.4. bis 31.3.) auf rund 4,8 Billionen indische Rupien (iR; 80 Miliarden Euro; 1 Euro = 60,21 iR Durchschnittskurs 20010/11).

Aber auch langfristig bleiben die Wachstumsaussichten positiv. Der Marktforscher Oxford Economics hat in seiner Studie "Global Construction 2020" prognostiziert, dass der Umsatz in der indischen Bauindustrie in den nächsten zehn Jahren auf 650 Milliarden US-Dollar steigen dürfte. Der Anteil Indiens an der globalen Bauindustrie soll sich von heute 2 Prozent auf 7 Prozent erhöhen.

Indien würde damit zur drittgrößten Baunation nach der Volksrepublik China und den USA aufsteigen. Zurzeit belegt der Subkontinent im internationalen Vergleich noch Rang zwölf.

Die Branche profitiert in erster Linie von den gewaltigen Infrastrukturinvestitionen der indischen Regierung. Zwischen 2012 und 2017 sollen insgesamt 1 Billionen Dollar in den Neu- und Ausbau der Verkehrswege sowie der Flug- und Seehäfen, die Modernisierung der Wasserversorgung und den Bau neuer Kraftwerke fließen. Vor allem in den Ballungszentren muss zudem Wohnraum für Millionen von Menschen geschaffen werden. In den nächsten 20 Jahren sollen schätzungsweise 250 Millionen bis 300 Millionen Menschen in die indischen Großstädte strömen.

Auch der private Wohnungs- sowie der Gewerbebau bescheren den Unternehmen volle Auftragsbücher. Der Boom hat allerdings auch seine Schattenseiten. Denn mit der steigenden Nachfrage nach Bauleistungen haben sich auch die Preise für Baustoffe und -materialien sowie die Gehälter stark erhöht.

Lag die Preissteigerung in der Branche 2009/10 noch bei knapp 4 Prozent hat sie sich im abgelaufenen Finanzjahr auf über 8 Prozent mehr als verdoppelt. Für 2011/12 rechnet die Foundation of Infrastructure Research Studies Training (FIRST) mit einer weiteren Preiserhöhung von 8 bis 10 Prozent.

Allein in den ersten drei Monaten 2011 sind die Einzelhandelspreise von Zement um ein Drittel, die von Stahl um etwa 10 Prozent gestiegen. Die beiden Stoffe machen je nach Bauvorhaben zwischen 30 und 50 Prozent der gesamten Investitionskosten aus und sind damit die größten Kostentreiber für die Branche. Die Zementfirmen machen die hohen Energiekosten für die Preissteigerungen der letzten Monate verantwortlich. Im 1. Quartal 2011 mussten die Unternehmen zwischen 20 und 30 Prozent  mehr für Öl und Kohle zahlen.

Auch die Stahlfirmen leiden unter den hohen Energiekosten. Hinzu kommt, dass neben der Bauindustrie auch das produzierende Gewerbe - insbesondere die Kraftfahrzeug- und Zulieferbranche sowie die Investitionsgüterindustrie - wieder an Fahrt gewonnen hat und verstärkt Stahlerzeugnisse nachfragt. Die lokale Produktion von rund 60 Millionen Tonnen kann gerade den Binnenbedarf von zuletzt 57 Milllionen Tonnen decken. Da die Stahlkonzerne erst 2012 neue Kapazitäten in Betrieb nehmen werden und die Nachfrage nach Stahl auf dem Weltmarkt wegen der Wiederaufbauarbeiten in Japan ansteigen dürfte, rechnet die Branche für 2011/12 mit einem weiteren Preisanstieg von 12 Prozent.

Ein weiterer Kostentreiber ist der Mangel an Arbeitskräften in der Baubranche. Laut CIDC sind die Gehälter in den letzten drei Jahren um 10 bis 12 Prozent per annum gestiegen. Der Anteil der Löhne und Gehälter an den gesamten Projektkosten liegt inzwischen bei knapp 20 Prozent. Seit der Einführung eines Beschäftigungsprogramms für die Bewohner in den strukturschwachen ländlichen Regionen ist die Zahl der Wanderarbeiter in den Städten erheblich zurückgegangen.

Zudem fehlt es an qualifizierten Facharbeitern wie beispielsweise Maurer und Installateure. In Indien gibt es zu wenige Ausbildungsplätze für Bauberufe und die Qualität der Schulung hinkt weiter hinter den Bedürfnissen der Baufirmen zurück, so der Industrieverband. Derzeit gibt es schätzungsweise 40 Millionen Beschäftigte in der Baubranche, davon haben allerdings nur 5 Prozent ein fachliche Ausbildung erhalten. Der Bedarf an Arbeitskräften soll bis 2022 auf knapp 60 Millionen Menschen steigen. Die Unternehmen rechnen daher auch in den kommenden Jahren mit überdurchschnittlichen Gehaltssteigerungen im Baugewerbe.

Quelle: Artikel Internetseite Germany Trade and Invest (gtai.de), 06.06.2011