Oman: Grips statt Glanz

Der Ölreichtum ist endlich, deshalb suchen die Golfstaaten nach Alternativen. Dubai ist mit seinem Immobilien-Gigantismus in die Krise geschlittert. Der Oman setzt auf Bildung und sanften Tourismus - und hat Erfolg.



Aus Maskat berichtet Nathalie Klüver

Langsam rollen die Geländewagen auf der Stadtautobahn in den Feierabend, vorbei an parkähnlichen Verkehrskreiseln, Palmenalleen und weiß gekalkten Gebäuden mit geschwungenen Fensterbögen. Hier gibt es noch traditionelle arabische Architektur statt uniformer Glitzerhochhäuser: Maskat, die Hauptstadt Omans, präsentiert sich ganz anders als Golfstaaten wie Dubai, die auf Megabauwerke setzen.

So unterschiedlich wie die Architektur ist auch der Weg, den Oman gewählt hat, um sich von seiner Abhängigkeit vom Erdöl zu befreien. Denn so traditionsbewusst sich das Sultanat im Südosten der arabischen Halbinsel auch gibt, so sehr hängt es doch vom Erdöl ab. 78 Prozent der Haushaltseinnahmen stammen aus dem Öl- und Gassektor. 2009 wurden 800.000 Barrel am Tag gefördert, in diesem Jahr stieg die Menge sogar nochmal deutlich an.

Die Umsätze fielen dennoch: Auch wenn sich der Ölpreis seit dem Tiefpunkt der Weltwirtschaftskrise erholt hat, liegt er mit 70 bis 80 Dollar pro Barrel immer noch weit unter den Höchstpreisen von 2008. Einen Haushaltsüberschuss wie im vergangenen Jahr werde man 2009 wohl nicht erwirtschaften, heißt es von der omanischen Regierung. Aber das Defizit werde sich mit zwei Milliarden Dollar in Grenzen halten.

Der Oman wählte einen Sonderweg

Die Abhängigkeit vom Erdöl hat Oman noch immer fest im Griff. Der Reichtum, die schlaglochfreien Straßen, die Flughäfen in jedem Winkel des Landes, die bestens ausgestatteten Schulen, die kostenfreie Gesundheitsversorgung: All das ist nur durch die Einnahmen aus dem endlichen Rohstoff möglich.

Gefördert wird das kostbare Gut seit 1967. Davor gab es keine Klimaanlagen, keine Luxuslimousinen, keine Computer in den Schulen. "Es gab noch nicht einmal richtige Straßen, ganze drei Krankenhäuser und nur wenige Schulen", berichtet Said bin Khalfan al-Harthy, Berater des Sultans und Sprecher im Informationsministerium. Die Menschen lebten von Ziegenhandel, Landwirtschaft und Fischerei. Erst mit der Machtübernahme von Sultan Qabus, dessen Konterfei jedes öffentliche Gebäude schmückt, begann das Zeitalter des Öls.

Das Öl veränderte das Land am arabischen Golf. Doch während in anderen Golfstaaten einige reiche Familienclans von den Ölmilliarden profitieren und sich protzige Baudenkmäler setzen, wählte Oman einen anderen Weg. Natürlich hat auch hier der Sultan einen eindrucksvollen Palast, reiht sich im Regierungsviertel Villa an Villa. Doch die Hälfte seiner Einnahmen gibt der Staat für Bildung und Gesundheit aus. Investitionen, von denen auch die ganz normalen Bürger profitieren.

Die Quelle des Reichtums ist endlich

Man sei sich allerdings bewusst, dass es so nicht auf Dauer weitergehen könne, sagt Harthy. Noch etwa 15 Jahre reichen Schätzungen zufolge die Ölreserven. Im Februar 2009 wurden drei neue Ölquellen entdeckt. Mit hohen Investitionen und neuen Fördertechniken will die omanische Regierung bis 2012 eine Fördermenge von einer Million Barrel am Tag erreichen. Auch der steigende Anteil der Erdgasproduktion an den Staatseinnahmen stimme den Staat optimistisch. Doch das alles dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Quelle des Reichtums endlich ist.

"Bis 2020 will Oman nur noch zu 20 Prozent vom Öl abhängen", berichtet Mohammed Lawaty, Broker und General Manager einer omanischen Investmentbank. Der Absturz des Ölpreises während der Finanzkrise habe gezeigt, wie wichtig es sei, das Ziel einer geringeren Abhängigkeit noch früher zu erreichen. Zu sehr hänge der Staatshaushalt noch vom Ölpreis ab. "Unser Staat hat den Haushaltsüberschuss der vergangenen Jahre genutzt, um sich auf die Zeit nach dem Öl vorzubereiten", sagt der Bankmanager.

Seit den neunziger Jahren werden im Oman Entwicklungsstrategien durchgespielt, wie man sich aus den Klauen des Öls befreien kann. Regelmäßige Fünf-Jahres-Pläne sind eines der Werkzeuge, die die Regierung einsetzt. Wachstumsraten von drei Prozent im Jahr habe man angepeilt, sagt Harthy. Die Ziele: den Lebensstandard kontinuierlich anheben, die Inflation niedrig halten, den Export omanischer Produkte fördern und mit den Haushaltsüberschüssen die Infrastruktur stärken. "Unser Prinzip war immer: nicht alles in eine Waagschale legen", sagt Lawaty. Das habe sich in Zeiten der Wirtschaftskrise bewährt - und gelte genauso für den Ölsektor.

Was Oman so besonders macht

Ein Stichwort, dass alle Omanis parat haben, ist die "Omanisierung". Anders als in Dubai leben und arbeiten im Oman vor allem Einheimische. Nur 25 Prozent der Bevölkerung sind Ausländer. Sultan Qabus will so viele Arbeitsplätze wie möglich mit Omanis besetzen. Doch vielen fehle die notwendige Ausbildung. "Bildung ist der Schlüssel zu allem", sagt Harthy.

Der Besuch einer omanischen Schule veranschaulicht, was er meint. Jeder Schüler sitzt vor einem eigenen Computer, der PC spielt in fast allen Fächern eine zentrale Rolle, die Schüler lernen ab der ersten Klasse Englisch. "Wir können den Blick nicht nur nach innen richten, wir müssen mit der Welt kommunizieren", erklärt Harthy. Auf Vorschulförderung wird deshalb besonderer Wert gelegt - Kita-Gebühren sind in Oman ein Fremdwort.

Doch nicht nur der Nachwuchs wird auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet. Mit gezielten Alphabetisierungskampagnen wird auch die Generation, die noch unter dem Vater von Sultan Qabus groß wurde, für den Arbeitsmarkt fit gemacht.

Investitionen in Forschung und Tourismus

Doch die beste Bildung hilft nichts, wenn es keine Arbeitsplätze gibt. Die will der Staat außerhalb des Ölsektors schaffen. Ein Feld sei neben dem Handel die Forschung in Solarenergie und Wasserentsalzung. "Wir sind doch prädestiniert dazu, auf dem Feld der Solarenergie zu forschen", findet Harthy mit Verweis auf die Lage des Landes.

Doch Oman brauche hierzu Partner, denn die eigene Forschung befindet sich noch im Frühstadium. Man hofft auf die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. Vor allem die deutsche Ingenieurskunst ist hoch angesehen. "Sie kommen aus Deutschland? Dort werden die besten Autos der Welt gebaut", ist der erste Satz, mit dem Omanis deutsche Besucher begrüßen. Einheimische schätzen die Technologien aus der Bundesrepublik, ihre Verlässlichkeit und Beharrlichkeit. Um ausländische Investoren anzulocken, hat die Regierung sogar die Bestimmungen gelockert. Inzwischen dürfen Ausländer bis zu 100 Prozent des Unternehmenskapitals halten.

Die zweite große Säule, auf die das Sultanat setzt, ist der Tourismus. Man sei doch eine Art "offenes Museum", sagt Harthy nicht ohne Stolz. Dafür müsse man ein Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen - und das auch entsprechend nach außen verkaufen.

Hohe Auflagen für Tourismusprojekte

Doch es müsse noch einiges in die touristische Infrastruktur gesteckt werden. Eco-Tourismus ist das Stichwort. "Wir wollen keinen Billigtourismus", stellt Harthy klar. Rucksacktouristen, die kaum Devisen im Land lassen? Nicht erwünscht. Partytouristen, die den ganzen Tag am Strand liegen? Ungern gesehen. Stattdessen setzt der Oman auf seine jahrhundertealte Kultur und seine Natur. Als erstes hat das Land die Visaprozeduren vereinfacht. Visa gibt es nun direkt am Flughafen. Ganz pragmatisch versucht das Land, es den Touristen so leicht wie möglich zu machen.

Unter anderem wurden in Oman 19 touristische Großprojekte angestoßen, die anders als in Dubai und Abu Dhabi nicht auf das Prinzip "höher, schneller, weiter" setzen. Statt künstlicher Inseln oder Wolkenkratzer setzt Oman auf in die Natur eingebettete Golfplätze, überschaubare Marinas und Luxushotels mit Parkanlagen.

Die Auflagen für alle Projekte: umweltfreundliche Bauweise, sparsamer Umgang mit Energie, kein Gebäude höher als fünf Stockwerke. Das mit Abstand größte Regierungsprojekt "Madinat a' Zarqa" soll gar eine neue Stadt mit 200.000 Einwohnern an der Batinah Küste erwachsen lassen. Für 15 Milliarden Dollar entstehen bis 2020 Luxushotels, Wohnanlagen, Museen und Einkaufszentren. "Integrierte Tourismusprojekte" heißt so etwas in Oman. Also keine reinen Touristenburgen, sondern auch Wohnraum für die omanische Bevölkerung.

Dass diese Schritte noch nicht ausreichen, um die 78 Prozent Staatseinnahmen aus dem Öl- und Gassektor weitgehend zu ersetzen, ist auch Harthy klar. Es werde noch einige Zeit dauern, bis Oman sich aus der Abhängigkeit befreien könne, gibt er zu.

Und keine Frage: Die Wirtschaftskrise war auf dem Weg der Selbstbefreiung vom Öl ein Rückschlag. Aber sie habe nicht nur schlechte Folgen, findet zumindest Broker Lawaty. "Durch die Krise haben wir gelernt, langfristiger zu denken." Nicht mehr nur der schnelle Profit stehe im Vordergrund. Das stärke die Wirtschaft - und je robuster sie außerhalb des Ölsektors sei, desto schneller gelinge der Schritt in die Unabhängigkeit.

Quelle: Bericht Spiegel online, 03.01.2010, www.spiegel.de