Chinas Luftfahrt: Aufbau benötigt internationales Know-how

Aus- und Weiterbildung ist eines der wichtigsten Themen für Chinas junge Luftfahrtindustrie und für alle ausländischen Unternehmen, die dabei sein wollen. Der Kampf um gute Leute ist in der schnell wachsenden Industrie gewaltig und wird angesichts der Entwicklungsziele weiter zunehmen.

Der Luftfahrtmarkt der Volksrepublik (VR) dürfte in wenigen Jahren einer der weltweit größten sein. Dafür sorgen steigende Passagier- und Frachtzahlen sowie eine schrittweise Öffnung des Luftraums für die Allgemeine Luftfahrt.

Internationale Zulieferer sind willkommen, am Aufbau der inländischen Industrie mitzuwirken und vor Ort zu produzieren. Ohne Technologietransfer gelingt dies selten. Für Mittelständler ist der Wettbewerb mit geförderter lokaler Konkurrenz eine große Herausforderung.

Die VR China dürfte derzeit wohl zu den am schnellsten wachsenden Luftfahrtmärkten zählen. Branchenkennern zufolge könnte das Land in 10 bis 15 Jahren der größte Markt weltweit sein. Im Rahmen seines 12. Fünfjahresplans 2011 bis 2015 beabsichtigt Beijing rund 1,5 Billionen Renminbi Yuan (RMB; etwa 160 Millarden Euro; 1 Euro = 9,02 RMB) in den Bereich zu investieren. Allein 45 Flughäfen sollen neu entstehen - darunter Beijings zweiter Flughafen südlich der Stadt im Bezirk Daxing.

Für etwa ein Dutzend Flughäfen sind Modernisierung und Erweiterung geplant. Der Flugzeugbestand (inklusive allgemeine Luftfahrt) soll sich bis Ende 2015 auf rund 5.000 mehr als verdoppeln. Damit reagieren die Fluglinien auf den prognostizierten Passagieranstieg um 68 Prozent auf 450 Millionen und einen Anstieg des Frachtvolumens um 60 Prozent auf 9 Millionen Tonnen bis 2015.

 

Schrittweise Öffnung des Luftraums für die Allgemeine Luftfahrt

 

Darüber hinaus kündigte der Staatsrat gemeinsam mit der Zentralen Militärkommission in einem Rundschreiben vom 14.11.10 die schrittweise Öffnung des Luftraums für die Allgemeine Luftfahrt an, was beispielsweise die Nachfrage nach Business Jets für Geschäfts- und Privatleute enorm nach oben schnellen lassen könnte.

Um mit dem gewaltig steigenden Bedarf Schritt zu halten, baut China seine inländische Luftfahrtindustrie aus. Relativ weit fort geschritten ist bereits die inländische Entwicklung des Regionalflugzeugs ARJ21, das ab Ende 2011 den Anbietern Embraer und Bombardier zumindest im chinesischen Markt Konkurrenz machen soll.

In der Anfangsphase befindet sich der Bau des C919 durch die eigens dafür gegründete Commercial Aircraft Corporation of China (COMAC), der ab 2016 im inländischen Markt eine Alternative zum mittelgroßen Jetliner-Segment von Airbus und Boeing schaffen könnte. In den nächsten Jahren dürfte Chinas Luftfahrt angesichts eines prognostizierten durchschnittlichen Wachstums von über 10 Prozent dennoch in weiten Teilen auf Importe angewiesen bleiben.

Parallel treibt China den Ausbau von Industriecluster für die Luftfahrt voran. Derartige Industriebasen existieren in Xi'an, Tianjin, Shanghai, Anshun (Provinz Guizhou), Harbin (Heilongjiang), Shenyang (Liaoning), Chengdu (Sichuan), Zhuzhou (Hunan) und Zhuhai in der Provinz Guangdong aus.

Bisheriges Herz der Industriebasis im Tianjin Binhai New Area ist seit 2007 die Endmontage von Airbus für den A320. Nach Aussagen der lokalen Verwaltung soll dort eine 30 Quadratkilometer große "Air City" entstehen, deren Produktionswert 2015 mindestens 100 Millarden RMB und 2020 rund 280 Millarden RMB erreichen soll. Basierend auf dem Airbus Endmontagewerk für den A320 in Tianjin soll sich der Park in eines der größten Montage- und Wartungszentren für die zivile Luftfahrt in Asien entwickeln.

Ziel ist es, neben Endmontage und Zulieferer für den A320 auch Montagewerke für kommerzielle Hubschrauber anzuziehen. Daneben soll unter anderem Entwicklung und Herstellung von Satelliten nach Tianjin geholt werden. Ebenfalls werden derzeit Gespräche zur Errichtung eines technischen Trainingszentrums in Tianjin geführt.

 

Kampf um Fachkräfte

 

Aus- und Weiterbildung ist eines der wichtigsten Themen für Chinas junge Luftfahrtindustrie, aber auch für alle ausländischen Unternehmen, die dabei sein wollen. Bereits 2007 hat daher auch Lufthansa Technical Training in Hainan mit Partner Hainan Airlines (HNA) die Lufthansa Technical Training China (LTTC) gegründet.

Der Kampf um gute Leute ist in der schnell wachsenden Industrie gewaltig und wird angesichts der Entwicklungsziele weiter zunehmen. Dies schlägt sich in hoher Fluktuation und jährlichen Lohnsteigerungen von 10 bis 15 Prozent nieder.

Eine Trendwende ist in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Vielmehr dürfte auch die Zulieferindustrie verstärkt mit hohem Lohnkostendruck zu kämpfen haben. Deutschen Zulieferern sollte dies bewusst sein, wenn sie darüber nachdenken, mit einer Produktion vor Ort am wachsenden Markt teil zu haben.

 

Joint Venture oft ein Muss

 

Zwar sind ausländische Investitionen im Zulieferbereich der Luftfahrtindustrie in China sehr willkommen und nicht mit Joint-Venture-Auflagen versehen. Aufträge für den ersten mittelgroßen Jetliner C919 "made in China" erhielten bislang jedoch nur ausländische Firmen, die bereit waren, ein Joint Venture mit einem chinesischen Partner zu gründen.

Auch der sich noch im Entwurf befindliche neue Lenkungskatalog für ausländische Investitionen der National Development and Reform Commission (NDRC) sieht keine Joint-Venture-Verpflichtung im Zulieferbereich vor.

Unternehmen zum Bau und Betrieb von Flughäfen sowie Fluggesellschaften sind dagegen nur als Joint Venture zulässig, in denen der chinesische Partner die Mehrheit hält. Unternehmensgründungen im Bereich Allgemeine Luftfahrt (für Land-, Forst- und Aquawirtschaft) dürften gemäß dem Entwurf auf Joint Venture oder Unternehmenskooperationen beschränkt sein.

Am Bau des C919 in Shanghai sind inzwischen über ein Dutzend ausländische Zulieferunternehmen beteiligt. Darunter CFM International, ein Joint Venture von GE und Snecma (Frankreich), das die Triebwerke liefert. Das Belüftungssystem (Integrated Air Management System) wird von Liebherr-Aerospace produziert. Das Unternehmen hat dazu eine Kooperation mit dem Nanjing Engineering Institute of Aircraft System (NEIAS) gegründet.

Darüber hinaus verkündete Liebherr-Aerospace Lindenberg im Juni 2011 auf der Paris Air Show die Gründung eines Joint Ventures mit der AVIC-Tochter Landing-gear Advanced Manufacturing (LAMC) zur Produktion von Fahrgestellen für den C919 in Shanghai. Liebherr ist ebenfalls bereits ein Systemanbieter für den ARJ21.

Branchenexperten zufolge wird China in den nächsten Jahren auf ausländisches Know-how angewiesen bleiben und dies über Joint Venture und Unternehmensaufkäufe versuchen, ins Land zu holen. So wurde bereits Ende 2009 die österreichische FACC AG zu 91,25 Prozent von der Xi'an Aircraft Industry (Goup) Company übernommen. Dabei wird eine enge Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Composite-Bauteilen und -Systemen unter anderem für den C919 verfolgt.

Internationale Zulieferer der Luftfahrtindustrie sehen in China in den kommenden Jahren die Chance, sich neue Kundenkreise zu erschließen. Doch der Markteintritt ist aufgrund der überwiegend staatlichen Struktur der inländischen Hersteller sowie der strategischen Bedeutung, die die Regierung der Entwicklung einer eigenständigen Luftfahrtindustrie beimisst, nicht einfach. Branchenkennern zufolge muss einem Engagement in China eine ausführliche Konkurrenzanalyse voran gehen.

Ebenso sollte eine Vorlaufzeit von drei bis fünf Jahren für die Ausbildung der benötigten Mitarbeiter, für den Erwerb der benötigten Geschäftslizenzen und den Fabrikaufbau eingeplant werden. Gerade Mittelständler müssen daher ein ausreichendes finanzielles Polster mitbringen. Darüber hinaus dürften qualifizierte Mitarbeiter nur durch ein gutes Personalentwicklungskonzept mittelfristig an das Unternehmen gebunden werden können.

Um seinen Lieferanten den Markteintritt zu vereinfachen, hat Airbus sowohl in Beijing als auch in Tianjin sogenannte "Supplier Villages" aufgebaut. Angeboten werden neben Räumlichkeiten, Unterstützung im Rahmen der Air Business Academy, bei der Produktentwicklung sowie beim Kunden- und Wartungsservice.


Quelle: Germany Trade and Invest, gtai online-news, 20.09.2011