Elektro- und Elektronikindustrien entdecken Vietnam

Der Zustrom ausländischer Elektrotechnik- und Elektronikfirmen nach Vietnam setzt sich fort. Fachkräfte und kompetente Zulieferer fehlen allerdings noch.

Samsung, Kyocera, Panasonic und der Apple-Zulieferer Wintek kündigten 2011 Projekte an. Über 100 Unternehmen produzieren vor Ort. Die Montage von Fernsehern, Kühlschränken, Waschmaschinen und die Kabelherstellung sollen dabei nach einem Masterplan durch anspruchsvollere Fertigungen ersetzt werden. Fachkräfte und kompetente Zulieferer fehlen allerdings noch. Der Import von Elektroprodukten nimmt zu.

Über 100 Unternehmen aus den Bereichen Elektrotechnik und Elektronik produzieren in Vietnam, davon kommt mindestens ein Viertel aus dem Ausland. Der Produktionswert beider Industrien wird für 2011 auf umgerechnet rund 5,5 Millarden US-Dollar geschätzt. Die Marktforscher von Business Monitor International prognostizieren bis 2014 einen Anstieg des Ausstoßes auf knapp 11 Millarden Dollar. Nach Meinung von Fachleuten befinden sich die Branchen in der ersten Entwicklungsstufe. Das heißt, die Betriebe importieren die Komponenten häufig, verwenden oft veraltete Technologien und generieren eine niedrige Wertschöpfung von gerade 5 bis 10 Prozent.

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Die Perspektiven für die elektromechanischen Produktionsbetriebe zeigt ein Anfang 2011 vom Ministry of Industry and Trade (MoIT) vorgelegter Masterplan auf. Zu den Zielen gehört, bis 2025 mindestens 70 Prozent der Nachfrage nach elektrischen Ausrüstungen, wie Transformatoren und Kabel, sowie 55 Prozent der Nachfrage nach Elektromotoren und Dynamos mit lokalen Produkten abzudecken. Geht es nach den Plänen der Politik, dann werden Unternehmen, Fonds und der Staat bis 2025 umgerechnet etwa 260 Millionen Dollar in die Branche investieren. In dem Strategiepapier heißt es, dass für die Industrieentwicklung fortschrittliche Technologien sowie umweltfreundliche Materialien gefragt sind.

Exportorientierte Niederlassungen ausländischer Konzerne produzieren in Vietnam schon nach Weltmarktstandards. Als wichtige Investoren im Elektroniksegment gelten Samsung, Intel, Canon, Panasonic und Foxcon. Einige der Unternehmen möchten ihre Engagements erweitern. Auch gänzlich neue Investoren geben den Genehmigungsbehörden Kapitalzusagen. Allerdings verzögern sich die Vorhaben zum Teil stark.

Die internationalen Konzerne werden von den günstigen Arbeitskosten angelockt. Canon als einer der Vorreiter hat seit 2001 drei Werke errichtet, in denen etwa 20.000 Mitarbeiter Drucker zusammenbauen. Auch das deutsche Unternehmen Pepperl & Fuchs ist aktiv. Es baute 2009 eine Fertigung für Sensoren und Signalgeber in einer Freihandelszone bei Ho-Chi-Minh-City auf und beschäftigt über 400 Personen.

Samsung errichtete bereits 1996 über ein Joint Venture ein Werk, in dem Fernseher und PC-Monitore zusammengesetzt werden. 2009 kam eine Mobilfunkgerätemontage in der Provinz Bac Ninh im Osten Hanois hinzu. Und 2010 kündigte die Geschäftsführung eine Erweiterung der Investitionen auf 670 Millionen Dollar bis 2015 an und eine Aufstockung der Engagements auf 1,5 Millarden Dollar bis 2020. In den neuen Werkhallen sollen Handys, Laptops und Teile gebaut werden. Samsung beschäftigt bereits 16.500 Mitarbeiter.

Die Presse meldete 2011 mehrfach, dass auch der Konkurrent Nokia eine Handy-Produktion mit 200 Millionen Euro im "Vietnam-Singapore Industrial Park" in Bac Ninh errichten möchte. Die geforderten Investitionsanreize für eine Produktion von Hochtechnologieprodukten gewährten die Behörden aber noch nicht.

Die japanische Panasonic beschäftigt 8.200 Mitarbeiter in vier Werken, in denen unter anderem Waschmaschinen und Kühlschränke vom Band laufen. Im September 2011 kündigte Panasonic mehrere Erweiterungsinvestitionen an. Bis 2015 will das Unternehmen seine Kühlschrankproduktion auf 800.000 Stück verdoppeln und die Kapazität der Waschmaschinenwerke auf 700.000 Einheiten vergrößern. Außerdem errichtet der Elektrokonzern bis August 2012 eine neue Fabrik, in der Mehrschichtplatten ("multi-layer resin boards") für Smartphones produziert werden sollen. Die zu installierende Kapazität gibt Panasonic mit 3,5 Millionen Stück pro Monat an.

Das japanische Unternehmen Kyocera Mita legte Anfang November 2011 in der Provinz Hai Phong den Grundstein für sein neues Werk. In der rund 55 Millionen Dollar teuren Fabrik sollen ab Oktober 2012 Schwarz-Weiß-Drucker, Multifunktionsgeräte und Ersatzteile montiert werden. Die Kapazität wird 150.000 Einheiten betragen. Bis 2016 sieht Kyocera eine Aufstockung auf 450.000 Stück vor.´

Im März 2011 erhielt der Apple-Zulieferer Wintek aus Taiwan das Investitionszertifikat zur Herstellung von Bildschirmtastfeldern ("touch-screens", Investitionsvolumen: 150 Millionen Dollar). Im April folgte eine Ankündigung des vietnamesisch-koreanischen Joint Ventures Fawoo Kidi, das LED-Lampen im "Saigon Hi-Tech Park" bei Ho-Chi-Minh-City herstellen will (12,3 Millionen Dollar).
Der US-amerikanische Auftragshersteller von Elektronikkomponenten Jabil Circuit erweitert ebenfalls im "Saigon Hi-Tech Park" seine Anlagen. Das im Jahr 2007 gegründete Werk soll bis Anfang 2012 ausgebaut werden. Die neue Jahreskapazität wird 1,6 Millionen Verkaufsautomaten und 5 Millionen Leiterplatten betragen.´

Intel erhielt 2006 die Investitionszulassung, startete die erste Produktionslinie aber erst im Februar 2011 im "Saigon Hi-Tech Park". Das Investitionsprogramm von 1 Millarde Dollar sieht bis Ende 2011 vier Produktionslinien vor, auf denen Chips getestet und verpackt werden. Vier weitere Linien werden gemäß den vorgelegten Planungen noch folgen.

Auch beim Auftragsfertiger von Mobilfunkkomponenten Foxconn gibt es Verzögerungen. Er versprach 2007 ein Investitionsvolumen von 5 Millarden Dollar. Der Konzern aus Taiwan errichtete vier Fabriken, in denen Computer, Kameras, Bauteile und Mobilfunkgeräte montiert werden. Ein Großteil der geplanten Investitionen stehe aber noch aus, heißt es.

Einen Aufschub meldet ferner der Hersteller von Dünnschichtmodulen First Solar aus den USA. Er setzte im März 2011 den ersten Spatenstich für ein 212 Millionen Euro teures Werk mit vier Produktionslinien und einer Gesamtkapazität von 250 Megawatt und hat im Dong Nam-Industriepark inzwischen die Fabrikhalle errichtet. Im November kündigte die Unternehmensleitung an, dass sie die Installation der Ausrüstungen und die Inbetriebnahme verschiebt. Der Betrieb werde erst aufgenommen, wenn eine ausreichende Nachfrage nach Solarmodulen vorliege.

 

Qualifizierte Arbeitsplätze

 

Die Politik sieht die Entwicklungen dennoch positiv und erhofft sich neben dem Zufluss von Kapital und der Schaffung von qualifizierten Arbeitsplätzen vor allem eine Fortentwicklung der eigenen Industrie einschließlich der Transfers von Know-how. Denn die inländischen Firmen sind klein und häufig nicht wettbewerbsfähig.

Ausnahmen bilden Hersteller von Kabeln und Drähten, wie die staatliche Vietnam Electric Wire and Cable Joint Stock Company (CADIVI). Ein weiterer Hersteller, die LS Vina Cable, ist eine Tochter des koreanischen LS-Konzerns. Die Produzenten von Elektrokabeln und -drähten steigerten 2010 ihre Exporte auf immerhin 1,3 Millarden Dollar. Hauptabnehmer waren Japan sowie die USA.

Während Drähte und Kabel vietnamesischer Provenienz selbst im anspruchsvollen Japan bestehen, sind die für den heimischen Markt produzierten Erzeugnisse meist von sehr schlechter Qualität. Viele Kunden, speziell aus dem Bausektor, sind nicht bereit, für mehr Qualität auch mehr Geld auszugeben. Die Abnehmer aus den weniger entwickelten ländlichen Regionen verfügen zudem nicht über ausreichende Mittel, um fachgerechte Waren zu kaufen. Viele Kunden sind sich auch über die Gefahren bei der Installation und Verwendung von mangelhaften Elektroprodukten gar nicht im Klaren.

Den nächsten Entwicklungsschritt könnte eine eigene Halbleiterindustrie schaffen. So verlautbarte der staatliche Mischkonzern Saigon Industry Corporation im Juli 2011, dass er für ungefähr 200 Millionen Dollar eine Produktion von Mikrochips errichten wolle. Das Werk werde über eine Jahreskapazität von 300 Millionen Chips verfügen, die unter anderem in Smartcards und Bankkarten ihren Einsatz finden. Das Unternehmen gab keine Einzelheiten über die Finanzierung und die Bestückung mit Fachkräften bekannt. Experten sehen noch einige Aufbauschwierigkeiten, bevor die erste Chipfertigung des Landes starten kann.

Internationale Firmenvertreter kennen insgesamt die Bemühungen um Fortschritt und mehr Autarkie seit Jahren, halten aber eine rasche Umsetzung für unwahrscheinlich. Es sei für vietnamesische Betriebe angesichts schwieriger Finanzierungsbedingungen kurzfristig kaum möglich, international wettbewerbsfähige Kompetenzen aufzubauen. Darüber hinaus geraten die heimischen Branchenunternehmen mit der Liberalisierung ihrer Absatzmärkte immer stärker unter Druck. Dazu zählen preisgünstige Importe aus der Volksrepublik China. Auch die Freihandelsverpflichtungen Vietnams im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO und der ASEAN Free Trade Area (AFTA) gegenüber Ländern wie Thailand, Malaysia oder Singapur erleichtern diesen weiter fortgeschrittenen Wettbewerbern den Marktzugang.

Für die Bedienung der inländischen Nachfrage rechnet es sich daher eher, aus Drittländern Elektrowaren nach Vietnam zu liefern, statt lokal zu produzieren. Im Jahr 2010 importierte das Schwellenland Verbraucherelektronik im Wert von mehr als 5,1 Milliarden Dollar (+23 Prozent gegenüber 2009), vornehmlich aus der Volksrepublik China. 2011 wird mit einem weiteren Anstieg um etwa 10 Prozent gerechnet. Die GfK bestätigt die expandierende Nachfrage und berichtet Ende 2011 von zweistelligen Wachstumsraten im Einzelhandel bei technischen Konsumgütern. Auch Euromonitor prognostiziert bis 2015 ein Mengenwachstum beim Absatz von Haushaltsgeräten von 13 Prozent jährlich.


Quelle: Artikel Germany Trade & Invest GTAI, 28.11.2011