Deutsch-russische Kooperation in der Berufsbildung

In Russland sind angesichts des großen Bedarfs an qualifizierten Fachkräften die Erfahrungen mit der bewährten dualen Ausbildung in Deutschland gefragt.

Beide Seiten vereinbarten daher im Rahmen der deutsch-russischen Regierungskonsultationen Mitte Juli 2011 die Intensivierung der Zusammenarbeit im Bereich der Berufsbildung.

Die deutsche Botschaft Moskau engagiert sich seit einigen Jahren intensiv für eine deutsch-russische Kooperation in der Berufsbildung. Ein wichtiger Schritt zum Ausbau der deutsch-russischen Berufsbildungskooperation wurde im De-zember 2010 gemacht.

Die Botschaft hat zusammen mit der Auslandshandelskammer Russland eine Präsentationsveranstaltung zur Vorbereitung einer Ausbildungsinitiative im Deutsch-Russischen Jahr 2011/2012 durchgeführt.

Deutsche Firmen und ihre russischen Berufsbildungspartner präsentierten ihre Berufsbildungsmodelle und -initiativen, ihre Erfahrungen, Probleme und Ergebnisse. Über 100 Berufsbildungsexperten nahmen an der Veranstaltung teil und diskutierten über Möglichkeiten einer verstärkten bilateralen Zusammenarbeit.

Zusammenarbeit mit dem Föderalen Institut für die Entwicklung (FIRO)

Im Bereich der Forschung pflegt das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) eine langjährige Kooperationsvereinbarung mit russischen Partnern, die auf ein deutsch-sowjetisches Regierungsabkommen aus dem Jahre 1989 zurückgeht. Zu Beginn der Zusammenarbeit standen die Themen Berufsbildungsberatung, Information und Austausch sowie die Durchführung von Modellprojekten im Vordergrund.

2006 wurden mehrere Institute zum Föderalen Institut für die Entwicklung der Bildung (FIRO) zusammengeführt. Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit mit dem BIBB liegt heute in der Berufsbildungsforschung.

Modernisierungsoffensive und Fachkräftemangel

Die Modernisierungsoffensive in Russland zielt darauf ab, die Attraktivität des russischen Marktes für deutsche und internationale Investoren auszubauen.

Deutschland ist einer der wichtigsten Handelspartner der russischen Föderation, mehr als 6.000 deutsche Unternehmen in Russland unterstreichen dies deutlich. Ein wesentliches Problem allerdings ist der zunehmende Fachkräftemangel.

Die mangelnde Beschäftigungsfähigkeit (employability) des lokalen Personals zwingt sowohl russische als auch in Russland aktive deutsche Unternehmen zu hohen Investitionen in die Weiterbildung von in der Regel theoretisch ausgebildeten und wenig praxisorientierten College- und Hochschulabsolventen.

Hohe Investitionen für Qualifizierung

Deutsche Industrie- und Handelsunternehmen sind wichtige Partner in der russischen Berufsbildung. Aufgrund des Fachkräftemangels werden große Investitionen für die Qualifizierung der Mitarbeiter aufgewendet.

Lehrzentren werden an russischen Berufsschulen eingerichtet, Lehr- und Schulungsmaterial sowie technische Ausrüstung wird bereitgestellt, deutsche Berufsbildungsexperten wirken an der Lehrplanentwicklung mit, und ein Austausch von Auszubildenden und Praktikanten wird zwischen Deutschland und Russland initiiert.

Qualifizierungs-Modelle deutscher Firmen in Russland

Deutsche Firmen wie Knauf, Volkswagen, Bosch, METRO oder OSRAM zeigen sich bei der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern sehr innovativ und verfolgen dabei verschiedene Modelle.

Der Trockenbauspezialist Knauf setzt zum Beispiel auf eigene Schulungszentren. Der größte deutsche Arbeitgeber in Russland hat sein erstes Schulungszentrum 1995 in Krasnogorsk bei Moskau gegründet. In den neun firmeneigenen Schulungszentren wurden im ersten Halbjahr 2011 bereits 2.000 Menschen ausgebildet. Darüber hinaus unterstützt Knauf sieben Konsultationszentren an Architektur-Hochschulen und stattet über 20 staatliche Berufsbildungs-einrichtungen mit neuen Schulungsräumen, Ausrüstung und Lehrmaterial aus.

Volkswagen (VW) verfolgt eine andere Strategie. Um hochqualifizierte Arbeiter am Produktionsstandort in Kaluga zu sichern, kooperiert VW mit dem dort ansässigen College für Informationstechnologie und Verwaltung.

Seit September 2010 werden zwölf Kraftfahrzeug-Mechatroniker und zwölf Mechatroniker nach Vorbild des deutschen dualen Systems ausgebildet. Die Region Kaluga hatte sich bereit erklärt, die Schulungsräume des Colleges zu modernisieren. Der Automobilkonzern übernimmt die monatliche Vergütung der Auszubildenden und entsendet Berufsschullehrer nach Russland.

Bei erfolgreichem Abschluss erhalten die Auszubildenden sowohl ein Zeugnis der russischen Berufsschule als auch Zertifikate der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer und Volkswagen.

Die Bildungszentren des Baugewerbes e. V. (BZB) haben außerdem ein Projekt der Eberhard-Schöck-Stiftung, Baden-Baden, zur "Förderung des Handwerks durch Berufsbildung" am Uraler College für Technologie und Unternehmertum durchgeführt. Ein Ziel des Projektes ist die Entwicklung einer Bildungsstruktur für Fliesenleger und Dachdecker, die bis zur ersten Meisterschule für Fliesenleger führen soll.

Das Projekt SOKRAS – Sonder Kraftfahrzeug St. Petersburg – wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit der Fördermaßnahme "Berufsbildungsexport" unterstützt.

Das Projekt wird von der Mansfeld Consulting GmbH geleitet. Die deutschen Verbundpartner BdU e. V. (Bildungswerk der Unternehmerverbände Sachsen-Anhalt) Magdeburg und Meinicke Fahrzeugservice GmbH entwickeln gemeinsam mit russischen Partnern aus St. Petersburg (Interregionales Ressourcencenter Komitee Leningrader Region, Berufsfachschule Lyzeum Metrostroj, College für Bauwesen, Industrie und Stadtwirtschaft, Prioritet Ltd., Miass) Bildungsstrukturen und Qualifizierungsstrategien zur Entwicklung deutsch-russischer Produkte und Beziehungen.


Quelle: ITB Infoservice, 5. Schwerpunktausgabe 01/12 unter Mitwirkung von iMOVE, 24.01.2012