Vietnams Wirtschaft hängt von besserer Berufsbildung ab

Viele Arbeitnehmer noch ohne Ausbildungsabschluss - Sektor wird reformiert.

  • Viele Erwerbspersonen in Vietnam sind ungelernt.
  • Das Schwellenland strebt einen besseren Ausbildungsstand an.
  • Ausgezeichnete Schulleistungen bieten gute Voraussetzungen.
  • Die schwach strukturierte Berufsbildungslandschaft muss die Regierung stärken.
  • Größte Probleme stellen mangelhafte Qualität des Lehrpersonals und praxisferne Inhalte dar.
  • Vorhandene Berufsbildungsinstitute sollen enger mit der Wirtschaft zusammenarbeiten.
Ungefähr 85 Prozent aller vietnamesischen Arbeitnehmer können keine berufliche Qualifikation vorweisen, hat eine Arbeitskräfteerhebung des Statistikamtes 2011 ergeben.

Von den 50,4 Millionen Beschäftigten verfügten nur rund 3,7 Prozent über den Abschluss eines Berufsbildungsinstitutes, etwa 3,7 Prozent hatten ein Kurzzeittraining absolviert, weitere 1,7 Prozent präsentierten einen Collegeabschluss und 6,1 Prozent hatten einen Hochschulabschluss erlangt.

In den Wirtschaftszentren Ho-Chi-Minh-City und Hanoi weisen immerhin 30 Prozent der Arbeitnehmer ein Bildungszertifikat vor. Die meisten davon haben ein Studium absolviert.

Das Arbeitsministerium (Ministry of Labour, Invalids and Social Affairs, MOLISA) ist für Reformen im beruflichen Bildungssystem zuständig. Sein Ziel lautet, den Anteil der qualifizierten Arbeitnehmer bis 2020 landesweit auf 40 Prozent anzuheben.

Eine flexiblere und besser ausgebildete Bevölkerung ist für den angestrebten Fortschritt und die Entwicklung der Wirtschaft entscheidend, mahnen ebenfalls Handelskammern wie die European Chamber of Commerce in Vietnam (Eurocham) und nationale Wirtschaftsverbände. Mehrere Studien und Erfahrungen von Unternehmen belegen, dass die Nachfrage nach Fachkräften nicht gedeckt ist und weiter zulegen wird.

Die Bildungsvoraussetzungen sind eigentlich gut. Familien räumen der Schulbildung ihrer Kinder den höchsten Stellenwert ein. Die Schulpflicht gilt für den fünfjährigen Besuch einer Grundschule und für die Mittelschule von der sechsten bis neunten Klasse.

Disziplin, Motivation und Leistungen der Schüler bezeichnen Fachleute als exzellent. Dies zeigt sich auch in Deutschland, wo Schüler aus Vietnam regelmäßig zu den Jahrgangsbesten zählen.

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Mittelschule kann der Schüler eine Prüfung ablegen, die zum Besuch einer öffentlichen Oberschule berechtigt. Als Alternative können die jungen Erwachsenen sich bei rund 426 Berufsbildungsinstituten und etwa 750 kleineren Schulungszentren bewerben.

Die Einrichtungen werden von den 63 Provinzen, Kommunen, Ministerien, Gewerkschaften oder Unternehmen betrieben. Die Qualität der Institute ist sehr unterschiedlich.

Im Jahr 2011 waren dort 1,86 Millionen Auszubildende registriert, 17 Prozent mehr als im Vorjahr. Sie bezahlen ihre Schulung selbst. Die Gebühren liegen umgerechnet zwischen 10 und 15 US-Dollar monatlich.

Die Wirtschaft ist in der Regel finanziell nicht involviert und die Betriebe beteiligen sich auch nicht an der Zusammenstellung der Ausbildungsprogramme und den Prüfungen. So fehlt der Praxisbezug.

Von einer dualen Ausbildung ist Vietnam meilenweit entfernt. Auch die Lehrer verfügen kaum über praktische Berufserfahrungen und setzen die Lehrpläne willkürlich um. Die Ausstattungen der Institute seien häufig nicht ausreichend oder funktionierten nicht, heißt es.

Die Ausbildung dauert zwei bis drei Jahre, in denen die Auszubildenden Zertifikate in drei Qualifizierungsstufen erreichen können. Die Ausbildung schließt jeweils mit einem rund dreimonatigen Praktikum ab.

Den frisch Ausgebildeten fehlt es aber immer noch an Qualifikationen, die Betriebe am Arbeitsplatz wirklich benötigen. Umfangreiche Trainings sind nach der Erstanstellung notwendig. Bildungsexperten meinen, dass die Absolventen immerhin nach einem weiteren halbjährlichen bis ganzjährigen Training im Betrieb als Facharbeiter einsetzbar seien.

Die Regierung möchte eine leistungsfähige, den wirtschaftlichen Bedürfnissen des Landes angepasste Berufsbildung aufbauen. Das staatliche Dekret 630/QD-TTg vom Mai 2012 legt die Berufsbildungsziele bis zum Jahr 2020 fest.

Demnach sollen künftig 40 Prozent der Erwerbspersonen über eine berufliche Ausbildung verfügen. Die Schwerpunkte liegen auf den Bereichen Textilien, Elektrotechnik und Elektronik, Schiffbau und Maschinenbau. Auch die Zahl und Qualität der Bildungsinstitute soll angehoben werden.

Die Lage hat sich in den letzten Jahren zumindest verbessert. Die Generaldirektion für berufliche Bildung des MOLISA plant mit ihrer Berufsbildungsstrategie weitere Fortschritte. Sie sieht eine engere Kooperation mit der Wirtschaft vor. Ausgewählte Berufsbildungsinstitute und deren Abschlussprüfungen sollen künftig internationalen Standards genügen. Die ausgewählten Institute werden qualifizierte Arbeitskräfte in strategisch wichtigen Kernberufen bereitstellen.

Die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) berät über ein Programm des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) zur Reform der Berufsbildung in Vietnam seit 2001 die Berufsbildungspolitik und unterstützt die Reformbemühungen der vietnamesischen Regierung. Zusätzlich werden ausgewählte Berufsbildungsinstitute beispielhaft gefördert.

Im Jahr 2012 waren es 20 deutsch-vietnamesische Colleges. Die Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen spielt dabei eine immer wichtigere Rolle, denn nur so können die Firmen die künftigen Berufsbilder, -standards und -prüfungen Vietnams mit formen.

Quelle Germany Trade & Invest GTAI, 01.08.2012