Deutsch-ägyptische Kooperation in der Rechtsmedizin

Deutschland unterstützt Ägypten bei seinem Übergang zur Demokratie unter anderem dadurch, dass es ägyptischen Rechtsmedizinern Fortbildungen in Deutschland ermöglicht.

 

Das mag auf den ersten Blick überraschen. Sieht man jedoch etwas genauer hin, wird die Verbindung dieses Ansatzes mit dem Transformationsprozess deutlich.

 

Am 9. Oktober 2011 kam es vor dem Fernseh- und Rundfunkgebäude in Kairo zu den blutigsten Ausschreitungen seit dem Sturz von Hosni Mubarak: Bei einer Demonstration von koptischen Christen gab es schwere Zusammenstöße mit dem Militär, bei denen 26 Menschen starben, darunter auch mehrere Soldaten.

 

Zunächst wollten die Angehörigen der Opfer keine Autopsien zulassen, ihre Rechtsanwälte konnten sie aber von der Notwendigkeit überzeugen, die genaue Todesursache festzustellen. In der Masse, die sich vor dem Krankenhaus versammelt hatte, bildete sich rasch eine Gasse für die Gerichtsmediziner, die die Opfer untersuchten.

 

Dabei stellte sich heraus, dass viele der Opfer nicht durch gezielte Schüsse zu Tode gekommen, sondern von Panzern überrollt worden waren. Hierdurch konnte für die Angehörigen Gewissheit über den Hergang hergestellt und damit letztlich eine weitere Eskalation verhindert werden.

 

Ausbildungsprogramm für ägyptische Mediziner in Berlin

 

Der Einsatz der Gerichtsmediziner wurde allseits gelobt, jedoch fehlte die nötige Ausrüstung, um die fachliche Arbeit bestmöglich auszuführen. Als Deutschland im Rahmen der Transformationspartnerschaft Unterstützung anbot, äußerte Ägypten die konkrete Bitte, bei der Errichtung eines forensischen Labors und der Fortbildung für Rechtsmediziner behilflich zu sein.

 

Gemeinsam mit dem Institut für Rechtsmedizin an der Berliner Charité wurde so ein Ausbildungsprogramm ins Leben gerufen, das bisher sieben ägyptischen Rechtsmedizinern und drei Toxikologen intensive zehntägige Lehrgänge in Berlin ermöglicht hat.

 

Erste positive Bilanz

 

Professor Michael Tsokos, Direktor des Berliner Instituts für Rechtsmedizin, zieht nach den ersten Besuchen aus Ägypten ein durchweg positives Fazit: "Wir sind sehr zufrieden und sogar überrascht, wie gut bisher alles verlief. Die Teilnehmer aus Ägypten sind fachlich sehr gut vorbereitet und mit großem Interesse und Engagement dabei".

 

Das Programm ist straff: Jeder Tag beginnt mit einer – nun auf Englisch geführten – Dienstbesprechung um 7.30 Uhr, bei der über aktuelle Fälle berichtet und die Tagesplanung vorgestellt wird.

 

Dann nehmen die Ägypter aktiv mit ihren Berliner Kollegen an Autopsien und anderen Untersuchungen teil und besuchen anschließend Fachgespräche und Seminare zu Themen wie den Unterschieden deutscher und ägyptischer Rechtsmedizin, Forensik und Diagnostik.

 

"Besonders interessant ist hier das Aufeinandertreffen zweier Kulturen und der Austausch darüber", berichtet Professor Tsokos. "In Ägypten muss man zum Beispiel berücksichtigen, dass oft gar nicht viel Zeit für Untersuchungen nach einem Todesfall bleibt, da der Leichnam aus religiösen Gründen rasch bestattet werden soll." Der Koran schreibt vor, dass ein Toter innerhalb von drei Tagen bestattet werden muss.

 

Entgegen der weit verbreiteten Vorstellung, ein Rechtsmediziner würde sich nur mit Toten beschäftigen, besteht ein ebenso wichtiger Teil ihrer Arbeit darin, noch lebende Gewaltopfer und Tatverdächtige zu untersuchen. Auch dieser Themenbereich wird beim Besuch der ägyptischen Ärzte behandelt, zum Beispiel in Seminaren zu den Themen häusliche Gewalt, Kindesmissbrauch und sexuelle Gewalt sowie durch Untersuchungen von ganz konkreten Fällen.

 

Kurse demnächst auch in Ägypten

 

Schon bald werden auch Mitarbeiter der Charité nach Ägypten reisen und dort mehrtägige Kurse anbieten. Bis Ende dieses Jahres werden noch bis zu 40 weitere ägyptische Ärzte die Möglichkeit haben, von der guten fachlichen und technischen Ausstattung der Berliner Charité zu profitieren und mit zusätzlichem Wissen und vielen neuen Eindrücken in ihrem Heimatland zu arbeiten.

 

Das Auswärtige Amt fördert das Projekt mit etwa einer Million Euro. Es ist an den Bedürfnissen der ägyptischen Bevölkerung orientiert und unterstreicht damit den praxisorientierten Ansatz, den Deutschland bei der Unterstützung des ägyptischen Demokratisierungsprozesses verfolgt.


Quelle: Auswärtiges Amt, 30.07.2012