China: Einstiegsgehalt für Studenten reicht gerade zum Leben

Heutzutage garantiert eine gute Bildung nicht unbedingt ein höheres Gehalt, umgekehrt muss der Begriff Wanderarbeiter nicht zwangsläufig für Menschen mit einem niedrigen Einkommen stehen. Experten finden es normal, dass das Einkommen der Hochschulabsolventen nicht an das von Wanderarbeitern herankommt.

 

"Jeden Morgen wenn man die Augen öffnet, steht man dem Druck von Millionen Yuan gegenüber." Auf dem kürzlich von der Stadtregierung einberufenen Unternehmerforum des städtischen Parteikomitees Hangzhou sprachen sich einige Geschäftsführer offen zu dem Thema Personalkosten aus, was durch allgemeine Zustimmung anerkannt wurde.

 

Einerseits finden Unternehmen, dass die Bezahlung kompetenter Arbeitskräfte aufgrund vorherrschenden Kostendrucks alles andere als optimal ist, andererseits ist die nächste Welle von Hochschulabsolventen bereit sich durchzuschlagen, nur um herauszufinden, dass ihr Anfangsgehalt nicht einmal an den Lohn von Wanderarbeitern heranreicht.

 

Warum gibt es denn bei Angebot und Nachfrage von Arbeitsplätzen derart krasse Gegensätze?

 

Studenten: Der Lohn nach Abzug der Lebenserhaltungskosten ist erbärmlich

 

Heutzutage garantiert eine gute Bildung in China nicht unbedingt ein höheres Gehalt, umgekehrt muss der Begriff Wanderarbeiter nicht zwangsläufig für Menschen mit einem niedrigen Einkommen stehen.

 

Reporter fanden über das Informationsportal ganji.com heraus, dass Berufe wie Fußpfleger, Handwerker oder Arbeiter, die keinen Schulabschluss benötigen, Gehaltsangebote von über 8000 Yuan (1025 Euro) im Monat bekommen.

 

Für Berufe wie Lehrer oder Kassierer, für die ein Abschluss benötigt wird, werden hingegen Monatsgehälter von gerade einmal 2000-3000 Yuan ausgeschrieben.

 

Su Shi ist das Pseudonym einer neuen Absolventin des Instituts für Personalmanagement der Universität Zhejiang, die in der Provinzhauptstadt Hangzhou liegt. Im Gespräch mit einem Journalisten erwähnt sie, dass bei der Arbeitssuche in Hangzhou auf keinerlei Schwierigkeiten gestoßen ist. Sie hatte ihren Lebenslauf an vier staatliche Banken geschickt und am Ende eine Zusage von der Bank of China bekommen. Die Ausbildungszeit dauert ein Jahr und wird monatlich mit 2500 Yuan vergütet. Weil sie aus Hangzhou kommt, muss sie nicht für Unterkunft, Transport und Lebensunterhalt aufkommen. Selbst mit einem niedrigen Gehalt ist sie ziemlich zufrieden.

 

Nicht-heimische Studenten müssen allerdings praktischere Herausforderungen angehen.

 

In einer ähnlichen Situation befindet sich Xiao Deng aus dem Nordosten Chinas. Sie studierte ebenfalls an der Universität Zhejiang und arbeitet jetzt als Buchhalterin in der Prüfungsgesellschaft Qianjiang Xincheng, für ein monatliches Gehalt von 4000-5000 Yuan. Weit von der Arbeit entfernt zu wohnen ist auf jeden Fall unangenehm. Die Wohnungspreise in der Nähe ihres Arbeitsplatzes sind jedoch entsetzend. Eine Monatsmiete würde sie 2000 Yuan kosten.

 

So weit ist noch alles verkraftbar, aber es gibt schlimmere Situationen: Xiao Jin, Studentin von Kulturindustriemanagement an der Zhejianger Universität für Industrie und Handel, hat sich eine Ewigkeit abgemüht, einen Job in Xiaoshan zu bekommen. Noch befindet sie sich in ihrer Probezeit, aber trotzdem gilt ihr Alltag als ganz ordentlich. Sie darf sich nur nicht zuviel erhoffen.

 

Zhou Zhou, Alias einer ihrer Mitstudentin, hat in einem Kaufhaus Zuflucht gesucht. Wenn sie davon erzählt, dann klingt das gar nicht schlecht und alle Mitschülerinnen um sie herum werden blass vor Neid. Nur, dass ihr tatsächliches Gehalt ziemlich mickrig ist, 1310 Yuan im Monat. Zieht man davon die Wohnungsmiete von 900 Yuan ab, dann reicht das Geld nicht mehr für die restlichen Grundbedürfnisse. Es bleibt ihr nichts anderes übrig, als Zuhause um Geld für den Lebensunterhalt zu betteln.

 

Xiao Jin schaut in letzter Zeit eine Fernsehserie mit dem Titel "Fuchen" ("Auf und Ab"). Immer wenn sie Mitarbeiterinnen eines ausländischen Unternehmens sieht, wie die Protagonistin Qiao Li, mit hübschen Kleidern, jeder mit einem Apple-Laptop in den Armen, dann wird sie besonders neidisch. Das Gehalt eines gewöhnlichen Arbeiter in Xiaoshan beträgt zur selben Zeit 100 Yuan pro Tag. Mit dem bisschen Geld, das Xiao Jin bekommt, kann sie sich weder einen Apple-Computer noch ein iPhone leisten. Neulinge ohne Arbeitserfahrungen wie sie müssen von ganz unten anfangen. Sie müssen sich an belastende Arbeitsbedingungen gewöhnen, Kritik von Vorgesetzten über sich ergehen lassen und sparsam leben.

 

Experten: Einstiegsgehälter von Hochschulstudenten, die nicht an das Einkommen von Wanderarbeitern reichen, sind ganz gewöhnlich

 

Ist es normal, dass Studenten weniger verdienen als Wanderarbeiter oder eher ungewöhnlich? Ein Reporter hat den Direktor des Instituts für öffentliche Verwaltung und Risikomanagement der Universität Zhejiang, Professor Guo Jiqiang gebeten, Gründe dafür zu analysieren.

 

Guo sagt, die Festlegung des Gehalts sei ein besonders komplizierter Vorgang, der von Faktoren wie Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt, vorhandenen Marktstrukturen, Arbeitsumfeld, Arbeitssicherheit, Reputation, Zahlungsweise und der Möglichkeit für die weitere Entwicklung des Angestellten unmittelbar bestimmt wird.

 

China hat nach wie vor nicht seine exportorientierten, arbeitsintensiven Entwicklungsansätze abgelegt. Das bedeutet wiederum, dass die Nachfrage an Wanderarbeiter steigt. Der Bedarf an Hochschulabsolventen hingegen ist noch nicht so hoch wie die Hochschuleinschreibungen, weshalb Wanderarbeiter schwer zu finden sind, Studenten hingegen sich hart tun, Arbeit zu finden.

 

Mit der momentanen Angebots- und Nachfragesituation wird sich der Markt selbstständig anpassen und regulieren.

 

Ein weiterer Faktor ist, dass Wanderarbeiter Tätigkeiten verrichten, die gemeinhin als bitter, dreckig, erschöpfend oder sogar gefährlich bezeichnet werden. Auch das muss bei der Festlegung des Gehalts berücksichtigt werden.

 

In einer Untersuchung des Instituts für öffentliche Verwaltung der Universität Zhejiang wurde festgestellt, das Wanderarbeiter nach verrichteter Arbeit, und nicht nach Zeit bezahlt werden, womit die Arbeitszeiten für sie länger und die Intensität höher ist. Besonders wichtig ist auch, dass Wanderarbeiter oft mechanische, repetitive Aufgaben übernehmen. Da sie nur schmale Chancen auf beruflichen Aufstieg besitzen, kann man an ihrem momentanen Gehalt kaum etwas aussetzen.

 

Guo Jiqiang fügt hinzu, dass Arbeiter (wie beispielsweise Müllmänner) auch in den sehr marktorientierten Vereinigten Staaten ein höheres Gehalt als spezialisierte Professoren bekommen.

 

Er meint, vergleiche man das Einkommen von Studenten, die gerade ihren Abschluss gemacht haben, mit dem von Wanderarbeitern, dann würde einem bewusst, dass das Einkommen letzterer nicht zu hoch, sondern eher das der Studenten zu niedrig ist.

 

Will man die momentane Situation ändern, so müsse man Guo zufolge bei der Bildung auf jeden Fall auch auf arbeitspraktische Aspekte achten, von Mentalität bei der Arbeitssuche über Karriereplanung, soziale Praxis, bis hin zum allgemeinen Qualitätsniveau.

 

Von einer weiter unten liegenden Ebene betrachtet muss sich auch etwas an den sich momentan in Kraft befindlichen Methoden für das chinesische Wirtschaftswachstum, sowie den Anforderungen an Universitätsstudenten ändern.

 

Eine Reform des erstarrten Bildungssystems und Verbesserung der Adaptivität und Anpassungsgeschwindigkeit an die Marktsituation sind auch von Nöten. Darüber hinaus kann auch die Gesellschaft zur Verbesserung der Informations- und Arbeitsmarktsituation beitragen und die Kosten für die Suche von Arbeitskräften reduzieren.


Quelle: China Internet Information Center (CIIC), german.china.org.cn, 16.08.2012