Thailands Strukturwandel soll breiteres Wachstum fördern

Die zügige Modernisierung des Bildungssystems stellt für die Politik Thailands eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahre dar. Dabei fällt der dualen Berufsausbildung eine Schlüsselrolle zu.

Thailands Wirtschaft steuert auf einen Wandel hin zu einem modernen Industrieprofil zu. Während der höhere Mindestlohn den Abschied vom Billiglohnland einläutet, bastelt der Investitionsboard bereits an "Business Clustern" der Zukunft.

Die volle ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft birgt Chancen und Risiken, da mit der Integration der Wettbewerb zunimmt. Ein Handicap liegt in der zu niedrigen Produktivität aufgrund des vernachlässigten technischen Niveaus und des unzureichenden Bildungssystems.

Für das Königreich Thailand dürfte der Status eines arbeitsintensiven Billiglohnlandes bald Historie sein - die Entwicklung geht in Richtung eines gehobenen Schwellenlands. Als ursächlich für den Strukturwandel in den kommenden Jahren gelten vor allem drei Faktoren.

Zunächst macht die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohnes eine Reihe von Niedriglohnindustrien unrentabel und zwingt diese zur Aufgabe oder Abwanderung. Überdies beschreitet der Board of Investment (BOI) neue Pfade zu innovativen und höherwertigen Zukunftstechnologien mit einem Dutzend neuer regionaler "Business Cluster". Nicht zuletzt bietet die Umsetzung der vollen wirtschaftlichen Integration in der ASEAN ab 2016 dem Standort beachtliche Chancen als regionale Drehscheibe, fordert das Land aber gleichzeitig zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit heraus.

Der neue Tagesmindestlohn beträgt seit Januar 2013 "flächendeckend" 300 Baht (B; circa 7,50 Euro; 1 Euro = 40,0 Baht), was einer Erhöhung des Durchschnittslohnes um 22 Prozent gleichkommt. Mit der Anhebung verfolgt die Regierung zuvorderst das Ziel einer Neubalancierung der Wirtschaft, in der die Binnennachfrage einen größeren Stellenwert einnimmt, als dies aktuell mit einem Anteil von 30 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Fall ist.

Neben der Erhöhung von Kaufkraft und Steueraufkommen sollen die Unternehmen animiert werden, in eine bessere technische Ausstattung und die Fortbildung der Mitarbeiter zu investieren. Profitieren sollen hiervon rund 70 Prozent der Beschäftigten, schätzen die Marktbeobachter von Kasikorn Research.

Laut einer Umfrage der japanischen Handelskammer JCC will die Hälfte der befragten Unternehmen Arbeitskräfte durch Automatisierung einsparen, während ein Viertel die Beschäftigtenzahl bereits eingefroren hat.

In diesem Kontext steht auch die Neuausrichtung der Investitionsanreize, die seit gut 15 Jahren fast unverändert fortgeschrieben wurden. Das alte an Industriezonen orientierte Präferenzschema soll abgelöst werden zugunsten einer Produktorientierung mit dem Ziel, neue, innovative, höherwertige und umweltfreundliche Zukunftstechnologien zu fördern.

Der BOI definierte hierzu regionale "Business Cluster" für Druck und Verlagswesen, Schmuck, Arzneimittel, Informationstechnologie, Holzmöbel, Forschung, Filmproduktion, Kino, Fernsehen und Hörfunk. Die höchste Förderstufe gebührt Projekten, die sich auf Umweltmanagement oder Forschung & Entwicklung konzentrieren.

Die Regeln und Bestimmungen sollen bis Jahresmitte konkretisiert und im Fünfjahreszeitraum bis 2017 umgesetzt werden.

Ende 2012 bewirkte der Ansturm auf Investitionsgenehmigungen nach dem alten Anreizsystem noch einen Allzeitrekord. Der BOI berichtete von einem Zuwachs um knapp 30 Prozent auf 2.582 Projekte gegenüber dem Vorjahr, wobei der Investitionswert sogar um beachtliche 130 Prozent auf rund 48 Milliarden US-Dollar hochschnellte. Genehmigt wurden 2.261 Projekte im Wert von fast 33 Milliarden US-Dollar, davon 774 von japanischen Unternehmen.

Der Investitionswert dürfte 2013 wieder deutlich niedriger ausfallen, als Richtgröße nannte Industrieminister Prasert Boonchaisuk rund 22 Milliarden US-Dollar.

Zunehmendes Augenmerk zollen Regierung und Unternehmen zudem der Umsetzung der ASEAN Economic Community (AEC) ab dem Jahr 2016. Die regionale Integration dürfte mit der AEC zunehmen, was für Thailand Chancen wie Risiken impliziert.

Die Chancen gründen stark auf den breit aufgestellten Industriezweigen mit hohem Exportanteil wie zuvorderst der Automobil- und Elektronikindustrie, die durch das massive Investment der japanischen Großindustrie kontinuierlich ausgebaut werden. Hier liegt das industrielle Schwergewicht des Landes, das auch hauptverantwortlich ist für den hohen Exportanteil von 64 Prozent des BIP.

Demgegenüber verdüstert sich die Zukunft für die arbeitsintensiven und auf Niedriglöhnen basierenden Betriebe und Industriezweige. Die AEC birgt das Risiko, dass ganze Wirtschaftszweige drastisch zurückgehen oder abwandern.

Ersteres gilt für die Landwirtschaft sowie die Keramik- oder Nahrungsmittelindustrie, zweites für einfache Verarbeitungszweige, wie Bekleidung, Schuhe, Möbel und Elektrogeräte. Ein bedeutender Einfluss wird zudem der neuen Wirtschaftsdynamik in Myanmar zugeschrieben, welche den rund drei Millionen Wanderarbeitern zunehmende Arbeitschancen im Heimatland eröffnet.

Für die Beschäftigung impliziert die geplante AEC mehr Freizügigkeit einschließlich der Vereinfachung in der Suche, Einstellung und den Transferbedingungen für qualifizierte Arbeitskräfte.

Acht Berufe profitieren von "Mutual Recognition Arrangements" - darunter Architekten, Ingenieure, Unternehmensprüfer und Buchhalter. Es wird befürchtet, dass qualifizierte Thais stärker in einkommensmäßig attraktivere Länder, wie Malaysia oder Singapur, abwandern könnten.

Ein großes Handicap der thailändischen Wirtschaft liegt in der mangelnden Umsetzung des technischen Fortschritts.

Die Ausbildung ist oft unzureichend und entspricht vielfach nicht mehr den Anforderungen, während Forschung & Entwicklung sträflich vernachlässigt wurden.

Konnte das thailändische BIP im letzten Jahrzehnt um insgesamt 53 Prozent zulegen, verbesserte sich die Arbeitsproduktivität nur um 27 Prozent - deutlich weniger als in Vietnam (plus 61 Prozent) oder gar in der Volksrepublik China (plus 157 Prozent).

Die zügige Modernisierung des Bildungssystems stellt somit eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahre für die Politik dar, wobei der dualen Berufsausbildung eine Schlüsselrolle zufällt.

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Quelle: Germany Trade & Invest, GTAI, Auszug des Artikels, 15.02.2013