Dschibuti: Auf dem Weg zur internationalen Drehscheibe der Wirtschaft

Über die Chancen für die deutsche Wirtschaft in Dschibuti sprach ARAB FORUM mit dem Botschafter der Republik Dschibuti, Seine Exzellenz Aden Mohamed Dileita. In der beruflichen Bildung sucht das Land die Zusammenarbeit mit Deutschland in der Ausbildung.

Das kleine Dschibuti, das ehemals französische Gegenüber des britischen Aden am Horn von Afrika, nutzt seine geostrategische Lage, um als Ruhepol in einer unruhigen Umgebung zur Wirtschaftsdrehscheibe zu werden. Über die Chancen des Landes für die deutsche Wirtschaft sprach ARAB FORUM mit dem Botschafter der Republik Dschibuti, Seine Exzellenz Aden Mohamed Dileita.

ARAB FORUM: Exzellenz, Dschibuti und Deutschland haben am 23. Januar 1978 diplomatische Beziehungen aufgenommen, aber Botschaften erst im Frühjahr 2010 in Dschibuti und im Herbst 2011 in Berlin eröffnet. Warum geschah dies so spät?

Dileita: Wir haben die Beziehungen sehr schnell nach unserer Unabhängigkeit am 27. Juni 1977 begonnen. Dschibuti wurde durch unsere Botschaft in Paris vertreten und die deutsche Seite in Addis Abeba. Von 1978 bis heute haben wir mit Deutschland etwa 18 Vereinbarungen zur bilateralen Zusammenarbeit in vielen Bereichen unterzeichnet, wie in Wasserwirtschaft, Polizeiausbildung und Telekommunikation.

Seit mehr als 30 Jahren ist deutsches Fachwissen, kombiniert mit dem Sinn für Effizienz, eine beständige Quelle der Unterstützung für die Verwaltung unseres Landes.

Wegen der alarmierenden Situation durch die Piraterie im Indischen Ozean und dem Roten Meer ist die deutsch-dschibutische Zusammenarbeit 2002 intensiviert worden. In jenem Jahr empfing Dschibuti ein deutsches Militärkontingent, um die Region zu stabilisieren.

Über unser gemeinsames Ziel hinaus, Terrorismus und Piraterie zu bekämpfen, haben unsere deutschen Partner großes Interesse an der Zusammenarbeit in der Kultur und vielen anderen Bereichen gezeigt. Im Ausbau unserer Beziehungen mit Deutschland sehen wir viel Potenzial und Synergieeffekte.

ARAB FORUM: Einer größeren Öffentlichkeit in Deutschland ist der Name Dschibuti noch ziemlich unbekannt, manche wissen möglicherweise nicht einmal, wo das Land liegt. Was unternimmt Dschibuti, was werden Sie und die Botschaft tun, um dies zu ändern?

Dileita: Mein Plan ist, mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu kommen. Abgesehen davon, unser Land zunehmend in Europa durch die Intensivierung von Öffentlichkeitsarbeit, Internetauftritt und der Eröffnung weiterer Botschaften zu repräsentieren, wird die Bedeutung des Landes aufgrund der Investitionen der arabischen Welt in große Projekte wachsen.

Zudem ist es unserem kleinen Land gelungen, sich zwischen den Interessen des Mittleren Ostens, Frankreichs und der USA geschickt zu bewegen und dabei das Staatseinkommen beträchtlich zu verbessern.

ARAB FORUM: In manchen Publikationen kann man von Dschibuti als der Schweiz oder dem Singapur Afrikas lesen. Was bedeutet das?

Dileita: Ähnlich wie die Schweiz und Singapur ist Dschibuti ein kleines Land, seine starken Seiten sind die geostrategische Lage, die Häfen und die Eisenbahnverbindungen mit Äthiopien. Dschibuti wird außerdem bedeutsam für Öl-Pipelines und die Telekommunikation des Südsudan.

Aber außer auf den Transitverkehr und die Transportwirtschaft fokussiert sich Dschibuti auf das Bankwesen, obgleich es dafür mehr ausgebildete Arbeitskräfte benötigt, um das Ziel zu erreichen, neben einer herausragenden Transitdrehscheibe zu einem Finanzdienstleistungszentrum zu werden.

Trotz seiner schwierigen Umgebung versucht Dschibuti eine neutrale und friedliche Außenpolitik zu betreiben. Dieses Ziel wird von internationalen Institutionen im Lande unterstützt. Das Land strebt nach einem sinnvollen Ausgleich in den Beziehungen zu den arabischen und afrikanischen Ländern und ist unter anderem Mitglied der Arabischen Liga ebenso wie der Afrikanischen Union.

Insbesondere aufgrund seiner beständigen und neutralen Haltung, der Fokussierung auf den Dienstleistungsbereich aufgrund der Bedeutung seiner Häfen wird Dschibuti oft mit Hongkong, Dubai, Singapur oder der Schweiz verglichen. Insgesamt gibt es eine Dynamik, die Dschibuti dahin drängt, sich zu einer internationalen Wirtschaftsdrehscheibe zu entwickeln.

ARAB FORUM: Wie ist die gegenwärtige Lage der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Dschibuti und Deutschland und wo gibt es Raum für Verbesserungen?

Dileita: Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Dschibuti und Deutschland können nach gegenwärtigem Stand intensiviert werden. Die Statistiken zeigen, dass 2012 die Ausfuhren Dschibutis nach Deutschland etwa eine Million Euro erreicht haben, während die Importe aus Deutschland sieben Millionen Euro betrugen.

Die internationalen Beziehungen basieren immer noch stark auf Entwicklungshilfe durch internationale Organisationen wie EU (Europäische Union) und Weltbank. Seit den Angriffen von 9/11 in New York halten sich militärische Kräfte aus Deutschland in Dschibuti auf.

Deutschland engagiert sich im EU-Projekt "Operation Atalanta" vom 8. Dezember 2008, die das Ziel hat, durch die Entsendung eines Marinekontingents Piraterie und Terrorismus besonders aus den benachbarten Ländern zu bekämpfen. Gleichzeitig hilft eine Beratergruppe der Bundeswehr den dschibutischen Polizeibehörden, ein landesweites digitales Funknetz zu installieren und das Personal auszubilden.

Der Besuch von Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle in Dschibuti 2010 zusammen mit dem Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, hat dazu beigetagen, die Band zwischen Deutschland und Dschibuti zu festigen.

ARAB FORUM: Welche Wirtschaftszweige sind für deutsche Unternehmen in Dschibuti interessant? Zu den starken Branchen Deutschlands gehören alternative Energien, die Umweltindustrie und die Berufsbildung.

Dileita: Dschibutis Rolle und Bekenntnis, politische Stabilität am Horn von Afrika aufrechtzuerhalten, fußt zum Teil auch auf der wirtschaftlichen Abhängigkeit von seinen Nachbarn. Ungefähr drei Viertel des Bruttoinlandsprodukts kommen aus dem Dienstleistungsbereich, vor allem durch die Häfen.

Deren weiterer Ausbau bietet große Chancen für deutsche Unternehmen, vor allem in Transport und Logistik. Zudem ist die Entwicklung der Öko-Technologie von großem Interesse für unser Land. Dschibuti plant, sich bis 2020 vollständig auf saubere und erneuerbare Energie umzustellen und alle konventionellen Energiequelle aufzugeben.

Das geschieht nicht nur, um Dschibutis nachhaltige Entwicklungspläne zu fördern, sondern auch um das Land mit seinen bahnbrechenden Bemühungen auf der Weltkarte zu platzieren. Um seine Energieziele zu erreichen, würde sich Dschibuti freuen, nicht nur von der Erfahrung und dem Fachwissen der Vereinigten Arabischen Emirate zu profitieren, sondern auch von Deutschland.

Wir haben bereits Unterstützung bei der Windenergie erfahren. Deutsche Unternehmen sind die ersten in diesem Fach. Wir möchten sie einladen, von Dschibuti aus für die ganze Region zu arbeiten, da der Markt Dschibutis allein zu klein ist. Mein Ziel ist, nicht nur für die großen, sondern auch für mittelständische Unternehmen attraktiv zu sein.

Wir suchen die Zusammenarbeit in der Ausbildung, weil wir wissen, dass Deutschland das sehr gute duale System in der Berufsbildung bietet. Wir haben ein kleines Projekt im Saarland, dass vom BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) unterstützt wird.

Meine Aufgabe ist, deutsche Unternehmen in die Region zu bringen, weil Deutschland in vielen Bereichen am besten ausgerüstet ist. Ich würde mich über Unternehmen aus Hamburg freuen, die für Hafenprojekte nach Dschibuti kommen, denn es gibt eine Freihandelszone für alle COMESA-Länder.

Ich habe die Absicht, zum Jahresende oder zum Beginn des Jahres 2014 ein Wirtschaftsforum mit vielen Unternehmen in Dschibuti zu organisieren. Ich meine, wir können mit deutschen Unternehmen gute Arbeit machen, die sich in der Region noch besser aufstellen können.

Was kann Dschibuti seinerseits anbieten? Ein hauptsächliches und einmaliges Angebot, mit dem Dschibuti ausländische Investoren ganz besonders anziehen kann, sind die Freizonen, aus denen Unternehmen zollfrei exportieren können.

Man kann ein Unternehmen ohne lokale Partner eröffnen. Wir bieten den Unternehmen, die sich in den Freizonen ansiedeln, zehn Jahre Steuerfreiheit, wir haben eines der attraktivsten Investitionsgesetze. Davon sollten deutsche Unternehmen mehr profitieren.

Wir haben eine Stromversorgung mit Äthiopien eingerichtet, die große Bedeutung für das Land hat und darüber hin aus die Attraktivität steigert, um sich unternehmerisch zu engagieren. Die Energieversorgung ist zudem durch ein geothermisches Projekt verbessert worden.

Die Entwicklung von Eisenbahn und Häfen ebenso von Öl und Gas Pipelines geht bereits voran. Es gibt Investoren, die große Beträge in diese Projekte investiert haben.

Dschibuti beschleunigt Pläne zur regionalen wirtschaftlichen Integration. Die Bildung enger Beziehungen zu Äthiopien, die Ertüchtigung bestehender Häfen und die Zusammenlegung von Stromnetzen werden durch die Entwicklung des neuen Hafens von Tadjoura im Norden noch weiter gesteigert.

ARAB FORUM: Was können Sie zum wichtigsten Aktivposten Dschibutis sagen, dem Hafen von Doraleh?

Dileita: Der Doraleh Container Terminal (DCT) ist ein Jointventure zwischen der DP World aus Dubai und der Regierung Dschibutis und einer der technisch am weitesten entwickelten Containerhäfen Afrikas. 2009 hat Dschibuti 400 Millionen US-Dollar in diesen hochmodernen Terminal investiert, den einzigen in der Region. In den fünf Jahren zuvor hatte sich das Handelsvolumen bereits verdoppelt und ist jetzt dabei, diesen Erfolg zu widerholen.

Um noch weiter zu expandieren, steht die Hafenverwaltung Dschibutis kurz davor, Investitionen über 4,4 Milliarden US-Dollar aus dem Ausland für weitere fünf Terminals sicherzustellen, die, wie wir hoffen, in den nächsten vier Jahren fertig werden.

Aufgrund der modernen logistischen Ausrüstung und der strategischen Lage bietet Doraleh alle Vorzüge, die führende Drehscheibe des Containerumschlags in der Region zu werden. Zusätzlich ist eine neue Freizone geplant, die einen großen Teil zum zukünftig wachsenden Hafenverkehr beisteuern wird. Geplante Investitionen von wenigstens 3,4 Milliarden US-Dollar für den Bau fünf neuer Schiffsterminals bis 2017 werden die Betriebsamkeit von Dschibutis Häfen weiter befördern.

Als friedliches und sicheres Land bietet Dschibuti sichere Häfen, die immer mehr Schiffsflotten anziehen soll. Das Hauptziel ist, etwa zehn Millionen Container im Jahr umzuschlagen.

ARAB FORUM: Beabsichtigt Dschibuti auch, sich an den Plänen zum Bau einer Ölpipeline von Südsudan zu beteiligen, über die diskutiert wird?

Dileita: Ein Hafen für Rohöl aus Südsudan ist im Gespräch. Der Ölsektor ist für die Regierung ein strategischer Bereich. Vor kurzem kamen sich Regierungsvertreter und Schweizer Investoren über die Idee näher, den Bau einer Ölraffinerie von einer Milliarde US-Dollar in Dschibuti zu realisieren.

Der Plan sieht eine voll funktionsfähige Raffinerie mit einer Anfangskapazität von 70.000 Barrel pro Tag vor, die auf 100.000 gesteigert werden kann. Die Raffinerie soll auf einer Fläche von 50 Hektar in Damerjog gebaut werden, und, einmal in Betrieb, wird das Öl per Pipeline zum zehn Kilometer entfernten Hafen Doraleh gepumpt. Die Raffinerie wird nicht nur 1000 Arbeitsplätze schaffen, sondern garantiert Dschibuti mit zusätzlichen 70 Megawatt Strom Energiesicherheit.

ARAB FORUM: Gibt es andere Bereiche, in denen Dschibuti plant, eine Rolle als Drehscheibe zu übernehmen?

Dileita: 2010 wurde Dschibuti mit dem ostafrikanischen Unterwasserkabelsystem verknüpft - der Verbindung zwischen Ostafrika und der übrigen Welt. Die Verbindung des Landes mit dem Glasfasernetz wurde vom internationalen Betreiber Djibouti Telecom finanziert. Das Kabel verbindet Dschibuti direkt mit 17 Ländern einschließlich Sudan, Kenia und Südafrika.

Djibouti Telecom hatte das klare Ziel, das Land mit seiner Lage auf der Karte der Telekommunikation zu platzieren. Damit zielt Dschibuti zugleich darauf ab, das zweitgrößte Telekommunikationszentrum Afrikas zu werden. Unter den afrikanischen Systemen rangiert das Land jetzt hinsichtlich Kapazität und Verbindungsstärke auf dem ersten Platz. Die Modernität und Qualität der Telekommunikationsausstattung und -infrastruktur verleihen Dschibuti den Status der regionalen Drehscheibe für Telekommunikation.

ARAB FORUM: Bislang hat die Tourismusbranche Dschibuti noch nicht auf dem Plan. Was hat Dschibuti hier zu bieten?

Dileita: Wir haben sehr attraktive Orte für Touristen zu bieten. Einen Besuch lohnt der Assalsee, der am tiefsten unter dem Meeresspiegel liegende See Afrikas, aus dem man Salz gewinnen kann. D

schibuti verfügt über wunderschöne Strände mit blauem Meer und Korallen, die großartige Taucherlebnisse und Begegnungen mit dem Walhai bieten. Jedes Jahr im November, Dezember kommen Walhaie in den Golf von Tadjoura, um sich vom Plankton zu ernähren.

Auch wunderbare kleine Inseln vor der Küste lohnen den Besuch. Dschibuti sollte im kommenden Jahr wieder zur ITB [Internationale Tourismus Börse] kommen, um sein Potenzial zu zeigen.

ARAB FORUM: Teile der Nachbarschaft Dschibutis sind weithin als unruhige Region bekannt. Somalia wird als gescheiterter Staat betrachtet, und die Küste am Horn von Afrika wird von Piraten gefährdet. Was ist die Rolle Dschibutis, um die Lage zu entspannen und was kann das Land tun?

Dileita: Die Massierung militärischer Präsenz in Dschibuti könnte die Republik wegen der terroristischen Organisationen in unserem Nachbarland Somalia gefährden. Gleichwohl sind unsere Sicherheitssysteme verlässlich, da sie Sattelitentechnologien umfassen, die dem neuesten Stand der Technik entspricht. Daher waren wir in der Lage, einige terroristische Angriffsversuche zu stoppen.

Die Pirateriefälle sind drastisch zurückgegangen, seit der Verstärkung durch ausländische Streitkräfte. Projekte wie EUCAP NESTOR helfen, durch das Training der somalischen und dschibutischen Küstenwache den Sicherheitsstandard zu erhöhen. Die Lage in Somalia hat sich zu stabilisieren begonnen. Unser Präsident hat zudem an der Somalia-Konferenz am 7. Mai in London teilgenommen.

Auch wenn wir uns über die möglichen politischen Schwierigkeiten bewusst sind, die der Aufbau militärischer Stützpunkte mit sich bringt, so sind doch die wirtschaftlichen Auswirkungen nicht zu übersehen.

Die Einrichtung militärischer Stützpunkte im Land zu gestatten, schafft Arbeitsplätze für die Bevölkerung Dschibutis. Verunsichert durch den arabischen Frühling und fürchtend, dass kleinste Unsicherheiten ausländische militärische Partner und Investoren abschrecken könnten, hat der Präsident mit einem sorgfältig abgestuften Kurs politischer Reformen begonnen.

ARAB FORUM: Exzellenz, vielen Dank für das Gespräch.


Quelle: Arab Forum, Ausgabe 2/2013