Afghanistan: Fernsehen für Kinder zwischen Arbeit und Schule

Seit mehr als zwei Jahren trainiert die DW Akademie (Deutsche Welle Akademie) die Macher der Kinder-und Jugendsendungen des afghanischen staatlichen Fernsehsenders (RTA). Forough Hossein Pour ist Trainerin in dem Langzeitprojekt "Lernen macht Spaß!"

Sie sind die Stars des afghanischen Kinderprogramms "Kelkin". Seit mehr als zwei Jahren moderieren Neegeta Sadat, 17, und Mobin Hamdard, 18, neben ihrer Schulausbildung diese Sendung für Grundschuldkinder. Zu ihrer 40-minütigen Sendung, deren Titel auf Deutsch "das Fenster" bedeutet, laden Neegeta und Mobin Schulkinder als Zuschauer ins Studio ein.

Es ist 9.30 Uhr, und wir stehen in einem der Studios der RTA in Kabul. Die Aufzeichnung von Kelkin soll planmäßig in einer Stunde beginnen. Um uns herum bereiten Kameramänner und Beleuchter alles vor. Neegeta und Mobin geben ihrem Text noch den letzten Schliff. Sie sind hochkonzentriert. "Der Text muss nicht nur sitzen, sondern auch freigesprochen werden", sagt Mobin. Denn im Studio gibt es keinen Teleprompter, ein Gerät, von dem die Moderatoren normalerweise ihre Texte ablesen können.

Die Sendung ist zweisprachig. Neegeta moderiert auf Dari und Mobin auf Paschtu. Damit decken sie die beiden offiziellen Amtssprachen Afghanistans ab.

Innerhalb unseres Langzeitprojekts "Wissen macht Spaß!" sind wir heute im Studio, um vor allem die beiden Moderatoren zu coachen. Die Sendung soll lebhafter gestaltet werden. Wir schlagen vor, Neegeta und Mobin sollen kürzere Sätze bilden und sich bei der Moderation häufiger abwechseln. Auch geben wir ihnen den Tipp, die Kinder etwa durch direkte Fragen mehr in ihre Sendung einzubinden.

In "Kelkin" geht es heute vor allem um zwei Themen: Zahnpflege und sinnvolle Freitzeitgestaltung. Die Aufzeichnung beginnt. Wir sind begeistert, wie gut Neegeta und Mobin unsere Empfehlungen umsetzen.

 

Bildung in Afghanistan

 

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, wie wichtig es ist, Bildungsprogramme für Kinder in Afghanistan zu fördern.

Laut neusten Statistiken der UNESCO können etwa 2,4 Millionen afghanische Kinder aus ökonomischen Gründen keine Schule besuchen. Kinder auf dem Land sind besonders betroffen, doch auch in der afghanischen Hauptstadt Kabul gehören Kinder, die als Händler ihren Lebensunterhalt verdienen, zum Straßenbild.

Außerdem sind selbst heute, zwölf Jahre nach dem Sturz der Taliban, lediglich 39 Prozent von 4,8 Millionen Schulkindern in Afghanistan Mädchen.

Die Medienlandschaft scheint die Lage nicht ernst zu nehmen. Von derzeit etwa 70 Fernsehkanälen bieten nur die wenigsten ein Wissensprogramm für Kinder an. Die meisten beschränken sich auf reine Unterhaltung und senden fast ausschließlich Zeichentrickfilme.

Unser Hauptziel ist daher, mehr und mehr eine Sendungskultur zu schaffen, die sich an der Neugier der Kinder orientiert und Wissensfragen beantwortet. Das Kinderprogramm des staatlichen Fernsehens bietet den Vorteil, dass es selbst in den abgelegensten Dörfern des Landes empfangen wird.

 

Jugendsendung mit sozial-gesellschaftlichen Themen

 

Bei RTA wird einmal wöchentlich das Jugendmagazin "Donyaye Javanan" ("Die Welt der Jugend") ausgestrahlt. Engagierte junge Menschen gestalten mit geringen Mitteln das Programm mit überwiegend sozial-gesellschaftlichen Themen.

Gemeinsam mit dem Produzent Nouraqa Adeel und dem Kameramann Arian Sultani fahren wir zum Drehtermin. Ein 18-jähriger Schüler einer zwölften Klasse soll porträtiert werden. Shahab muss nach der Schule, statt zu lernen, arbeiten gehen. Ähnlich geht es mehr als Dreiviertel seiner Mitschüler. Das sagt sein Geschichtslehrer Habibollah Mohamamdi.

Nach dem Unterricht begleiten wir Shahab nicht nach Hause, sondern zum Fotoladen seines Vaters. "Zum Glück sind es nur 15 Minuten Fußweg", sagt der Junge lachend. Shahab bleibt meist bis in den spät in den Abend im Laden, um seine Familie finanziell zu unterstützen.

Während wir bei unseren Dreharbeiten eine kurze Pause einlegen und auf die nächste Kundschaft warten, holte Shahab seine Schulbücher aus seinem Rucksack und macht schnell seine Mathe-Hausarbeiten. Nach dem Abitur will er studieren: "Ich weiß noch nicht was, aber irgendwas im Computerbereich", sagt er, während er das frisch gedruckte Passfoto eines Schulkindes zurechtschneidet.


Quelle: DW (Deutsche Welle) Akademie, 08.08.2013