Tunesiens Arbeitsmarkt leidet unter falschen Beschäftigungsanreizen

Nach wie vor ist in Tunesien die hohe Arbeitslosigkeit, insbesondere von Hochschulabsolventen, ein gravierendes Problem und sorgt für sozialen Sprengstoff. Ein entscheidendes Problem des tunesischen Arbeitsmarktes ist die bestehende Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage.

Mitte 2013 waren im Industriebereich nominal hohe Gehaltssteigerungen zu verzeichnen, die Abwertung des tunesischen Dinars hat jedoch die Lohnsteigerungen bei den exportorientierten Betrieben gedämpft.

Ein entscheidendes Problem des tunesischen Arbeitsmarktes ist die bestehende Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage. Einerseits suchen viele junge Menschen mit erfolgreich abgeschlossenem Studium einen angemessenen Arbeitsplatz, andererseits finden viele Unternehmen schwer adäquate Arbeitskräfte.

Offiziell lag die Arbeitslosigkeit im März 2013 bei 16,5 Prozent, bei Hochschulabsolventen liegt sie bei über 30 Prozent. Die Anzahl der Hochschulabgänger ist von 1984 bis 2009 von 3.681 auf 65.630 gestiegen.

 

Keine guten Aussichten auf Entspannung am Arbeitsmarkt

 

Das reale Wirtschaftswachstum wird 2013 mit voraussichtlich 3,0 bis 3,5 Prozent zu schwach ausfallen, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren und damit das soziale Konfliktpotenzial einzudämmen. Auch 2014 ist kein Wachstum zu erwarten, das über die für eine Minderung der Arbeitslosigkeit notwendige Schwelle von mehr als 5,0 bis 6,0 Prozent liegt.

Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung fällt seit 2012 jedoch die Zahl der Neuzugänge auf dem Arbeitsmarkt.

Bei der Arbeitslosigkeit zeigt sich trotz Binnenwanderung ein starkes regionales Gefälle zwischen dem Süden und Landesinneren (bis zu 20,3 Prozent) und den Küstenregionen (ab 11,3 Prozent). Regionale Trends bezüglich der Höhe von Löhnen und Gehältern sind nicht auszumachen.

Im Privatsektor ist ein Teil der Arbeitskräfte saisonal, vor allem im Tourismus und in der Landwirtschaft beschäftigt. Im öffentlichen Sektor herrscht hingegen Unterbeschäftigung. In der Landwirtschaft gibt es oftmals eine große, nicht gedeckte Nachfrage nach Saisonarbeitern.

Die Möglichkeit eines Auskommens ohne geregelte Arbeit führt zu Problemen bei der Rekrutierung von einfachen Arbeiten im Industriesektor, obwohl diese, etwa im Vergleich zum Agrarsektor, weitaus besser bezahlt sind. Bei gut ausgebildeten Ingenieuren und Facharbeitern besteht hingegen eine hohe Verfügbarkeit.

Die Bedingungen für die Rekrutierung von Arbeitskräften und die Bildung einer Stammarbeiterschaft schwanken regional und auch lokal. Lang etablierte Firmen haben oftmals eine hohe, teils Generationen übergreifende, Identifikation von Betriebsangehörigen mit der Produktionsstätte hergestellt.

Eine erfolgreiche Rekrutierung ist weniger durch staatliche Agenturen (Arbeitsämter), private Vermittlungen, Beschäftigungsagenturen oder Anzeigen, sondern durch persönliche Kontaktaufnahme und Empfehlungen gewährleistet.

Von Streiks betroffen war im 1. Halbjahr 2013 vor allem der Dienstleistungssektor (23 Prozent) gefolgt von der Metallindustrie (16 Prozent) und der Textil- und Schuhindustrie (15 Prozent).

Neben der größten und seit 1956 bestehenden Dachgewerkschaft UGTT (Union Générale Tunisienne du Travail) haben sich die Confédération générale tunisienne du travail (CGTT) im Februar 2011 und am 1.5.11 die Union des travailleurs de Tunisie gegründet.

 

Nur 15 Prozent der Beschäftigten in der Industrie sind Akademiker

 

In Tunesien haben sich vereinzelte exzessive Gehaltsforderungen nicht in der Breite durchgesetzt. Mitte 2013 gab es zwar im Industriebereich nominal sehr hohe Abschlüsse, die Abwertung des tunesischen Dinars hat die Lohnsteigerungen, in Euro gemessen, aber gedämpft. Die hohe Inflationsrate erschwert langfristige Gehaltsabschlüsse.

Im Privatsektor fallen die Löhne für Akademiker weitaus geringer aus als in der staatlichen Administration. Der Beschäftigtenanteil der Hochschulabsolventen liegt im Industriegewerbe schätzungsweise gerade einmal bei 15 Prozent. Oftmals müssen die mit einem Hochschulstudium verknüpften Erwartungen weit zurückgeschraubt werden.

Aufgrund eines Punktesystems sinken die Chancen einer Einstellung in den Staatssektor, sobald der oder die Absolvent(in) einer regulären Arbeit im Privatsektor nachgeht. Im Jahr 2012 hat der tunesische Staat rund 35.000 Hochschulabsolventen eingestellt.

Hinweis:
Dieser Artikel wurde stark gekürzt. Die Vollversion der Lohn- und Lohnnebenkosten Tunesien mit Informationen zum Arbeitsrecht sowie Kontaktanschriften ist nach einer kostenlosen Anmeldung bei Germany Trade & Invest (GTAI) gebührenfrei abrufbar.


Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, 13.08.2013