Tipps für die Verhandlungspraxis in Indien

Indien ist ein äußerst facettenreiches Land. Nicht nur was die Sprache angeht, sondern auch im Hinblick auf Religion, Sitten und Gebräuche, Verhaltensweisen und Mentalität gibt es für den Geschäftsreisenden einiges zu beachten. Deutschland ist vor allem bei traditionellen indischen Familienbetrieben sehr beliebt.

Die Familie nimmt in Indien einen sehr hohen Stellenwert ein. Im geschäftlichen und im privaten Umfeld können sich Geschäftsreisende problemlos auf Englisch verständigen.

Indien wird wegen seiner geografischen Ausdehnung und kulturellen Vielfalt häufig auch als Subkontinent bezeichnet. Nicht ohne Grund, denn vergleicht man die Grenzen des siebtgrößten Flächenstaates der Erde mit denen Europas, so erstreckt sich Indien von Norwegen bis nach Sizilien und von Spanien bis nach Russland.

Neben den Amtssprachen Hindi und Englisch werden weitere 22 Regionalsprachen von der indischen Verfassung als Landessprachen anerkannt. Doch nicht nur was die Sprache angeht, auch hinsichtlich Religion, Sitten und Gebräuchen, Verhaltensweisen und Mentalität ist Indien ein äußerst facettenreiches Land.

Und dennoch: Trotz aller regionaler und kultureller Unterschiede begreift sich die große Mehrheit des 1,2-Milliardenvolkes - nicht ohne Stolz - in erster Linie als Inder oder Inderin und erst dann als Maharati, Bengali oder einer der anderen Volksgruppen zugehörig.

Dieses nationale Selbstverständnis hat sicherlich in den letzten Jahrzehnten mit dazu beigetragen, dass Indien über alle sprachlichen, kulturellen und sozialen Grenzen hinweg ein relativ stabiles und überwiegend friedliches Land geblieben ist.

Die Grenzen auf dem Subkontinent verlaufen allerdings nicht nur regional, sprachlich und kulturell. Für den Geschäftsreisenden sind auch die Unterschiede zwischen Wirtschaftsmetropolen wie Mumbai, Delhi, Bangalore und Chennai und den weniger entwickelten Städten und Regionen sowie zwischen den jungen, oft im Ausland ausgebildeten Managern und den traditionellen Unternehmens-Patriarchen der "alten Schule" von Bedeutung. Bei der Erschließung des indischen Marktes werden sich ausländische Geschäftsleute immer in vielen verschiedenen Welten bewegen müssen.

Mitarbeiter zählen in Unternehmen häufig zum "erweiterten Familienkreis"

 

Wie in allen asiatischen Ländern nimmt auch in Indien die Familie einen sehr hohen Stellenwert innerhalb des sozialen Gefüges ein. Wichtige Entscheidungen werden meist von der ganzen Familie getroffen, wobei hier das Senioritätsprinzip gilt.

Es ist zum Beispiel nach wie vor die Regel, dass junge Inderinnen und Inder - selbst wenn sie lange im Ausland gelebt haben - die Vorauswahl ihres Partners den Eltern überlassen. Auch bei der Wahl des Studiums und des Arbeitsplatzes haben die Familienmitglieder ein Mitspracherecht.

Gerade in den traditionellen mittelständischen Unternehmen zählen häufig auch die Mitarbeiter zum "erweiterten Familienkreis". Der Firmen-Patriarch sieht sich in der Verantwortung - nicht nur für die Angestellten, sondern auch für deren Familien - erwartet im Gegenzug allerdings auch ein hohes Maß an Treue und Loyalität.

Indische Betriebe sind meist hierarchischer organisiert als Unternehmen in den westlichen Industrieländern. Die Angestellten sind in der Regel stark darauf bedacht, ihre von oben festgelegten Kompetenzen nicht zu überschreiten und entwickeln im Zuge dessen auch selten Eigeninitiative.

Auch in Indien erhält man - wie in den meisten asiatischen Ländern - nur selten ein klares "Nein" als Antwort. Im Gegenzug ist ein "Ja" nicht immer gleichzusetzen mit einer eindeutigen Zustimmung. Aber auch hier muss man stark zwischen dem traditionellen und dem modernen Indien unterscheiden. Gerade junge indische Manager, die längere Zeit im westlichen Ausland gearbeitet haben, sind mit den internationalen Geschäftsgepflogenheiten bestens vertraut und agieren entsprechend professionell.

Aussagen von potenziellen Geschäftspartnern sollten aber nicht in jedem Fall - auch wenn sie noch so überzeugend vorgetragen werden - ohne Prüfung hingenommen werden. Es empfiehlt sich stattdessen, sich vom Gegenüber genau skizzieren zu lassen, wie er oder sie ein bestimmtes Problem lösen möchte. Meist kann man dann schnell erkennen, ob die zuvor angepriesene Expertise auch tatsächlich vorhanden ist.

Auch beim Termin- und Zeitempfinden gehen die Vorstellungen westlicher Geschäftsreisender und die ihrer indischen Counterparts oft weit auseinander. Inder sind sich dessen durchaus bewusst und sprechen daher gerne von IST - der "Indian Stretchable Time".

Zeitangaben sind also flexibel, und nicht selten müssen westliche Manager bei pünktlichem Erscheinen feststellen, dass ihr Gesprächspartner noch gar nicht im Büro ist. Man sollte daher ausreichend Puffer zwischen den einzelnen Terminen einplanen, auch um eigene Verspätungen aufgrund der oft chaotischen Verkehrssituation abfangen zu können.

 

Dos und Don'ts

 

Indien ist für viele Asienreisende auf den ersten Blick zugänglicher als beispielsweise die Volksrepublik China oder Japan. Die Tatsache, dass man sich vor allem im geschäftlichen, aber auch im privaten Umfeld problemlos auf Englisch verständigen kann, erleichtert den Einstieg. Zudem ist die indische Gesellschaft - zumindest für den Außenstehenden - weniger formell, und es lauern nicht an jeder Ecke Fettnäpfchen. Und selbst wenn man einmal unbewusst gegen eine der "Regeln" verstoßen sollte, wird dies von indischer Seite meist mit Nachsicht behandelt.

Der Umgang der Inder untereinander ist weitaus komplizierter und für den ausländischen Gast oft nur schwer nachzuvollziehen. Die Gesellschaft ist in vielen Bereichen streng hierarchisch organisiert und vor allem das Verhalten einer Inderin oder eines Inders gegenüber einer niedriger gestellten Person - ein Angestellter in einem Geschäft oder die Bedienung im Restaurant - empfinden viele Indienbesucher als sehr unhöflich. "Auf Augenhöhe", also zwischen Geschäftspartnern, ist der Umgang allerdings in der Regel freundlich und nach einer längeren Beziehung auch herzlich.

Die Begrüßung erfolgt in der Geschäftswelt und im privaten Umfeld zwischen Männern in der Regel per Handschlag. Bei Frauen sollte man abwarten, ob diese von sich auch die Hand zur Begrüßung reichen. Der traditionellen Begrüßung - ein leichtes Kopfnicken mit auf Brusthöhe zusammengelegten Händen - begegnet man zwar eher selten, sollte diese aber dann aus Höflichkeit mit der gleichen Geste erwidern. Generell ist die indische Körpersprache gebärdenreicher und expressiver als die deutsche und zum Teil für Außenstehende schwer zu interpretieren.

Hinweis: Dieser Artikel wurde stark gekürzt. Weitere Informationen, darunter zum kulturellen Hintergrund, zu den Dos und Don'ts, zum Umgang mit Geschäftspartnern und Tipps zum privaten Umgang, enthält die Vollversion der Publikation "Verhandlungspraxis kompakt - Indien". Diese können Sie nach einer kurzen, kostenlosen Registrierung auf der Internetseite der GTAI (Germany Trade and Invest) gebührenfrei als PDF abrufen.


Quelle: GTAI - Germany Trade and Invest, GTAI Online-News, 03.12.2013