Anhaltende Konjunkturerholung sorgt für Fachkräftemangel in Lettland

In Lettland ist der Bruttolohn 2013 um 4,6 Prozent auf 716 Euro gestiegen und für 2014 erwartet die Europäische Kommission eine Zunahme um 5,0 Prozent. Der Hauptgrund hierfür ist der Mangel an freien Fachkräften, den die anhaltende Konjunkturerholung mit sich bringt.

Die äußerst starken Konjunkturschwankungen haben sich in Lettland in den letzten Jahren immer sehr schnell auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt. Dies wird auch vom relativ flexiblen Arbeitsrecht begünstigt. Waren 2007 vor dem Kriseneinbruch lediglich 6,2 Prozent aller lettischen Erwerbsfähigen zwischen 15 und 64 Jahren ohne Arbeit, so stieg diese Quote bis 2010 auf 19,8 Prozent, um mit der dann einsetzenden Konjunkturerholung bis 2013 wieder auf 12,1 Prozent zu sinken.

Der kräftige Wirtschaftsaufschwung verstärkt auch den Fachkräftemangel merklich. Die ohnehin geringe Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter nimmt weiter ab. Lebten in Lettland 2008 noch 1,1 Millionen Menschen zwischen 15 und 64 Jahren, so waren es 2013 etwa 10,1 Prozent oder 111.000 Einwohner weniger. Dies liegt an der demografischen Entwicklung, vor allem aber an dem Umstand, dass in den Krisenjahren viele Arbeitnehmer eine Stelle in anderen Ländern der Europäischen Union (EU) angetreten haben und bisher nicht zurückgekehrt sind.

Auch die Heterogenität der Bevölkerung wirkt sich auf den Arbeitsmarkt aus. Im Jahr 2013 waren 61 Prozent der insgesamt zwei Millionen Einwohner Letten, 26 Prozent dagegen Russen. Während der Großteil der lettischen Bevölkerung die russische Sprache gut beherrscht, gilt das für die Lettischkenntnisse der russischen Einwohner nur bedingt. Weitere 13 Prozent der Bevölkerung gehören weißrussischen, ukrainischen, polnischen, litauischen oder anderen Minderheiten an. Englisch- und teilweise Deutschkenntnisse sind aber gerade bei der mittleren und jüngeren Generation inzwischen weit verbreitet.

Die lettische Bevölkerung hat ganz überwiegend eine weiterführende Bildung abgeschlossen, allerdings beinhaltet diese in der Regel keine Fachausbildung in den Betrieben und ist oft vor oder zu Beginn der Transformation erfolgt. Auch Deutschland unterstützt Lettland bei der Verbesserung der Berufsausbildung.

Im Jahr 2011 hatten laut Volkszählung 23,1 Prozent aller Einwohner ab 15 Jahre einen Hochschulabschluss oder den Doktortitel. Weitere 30,2 Prozent konnten ein Fachhochschul- oder vergleichbares Diplom vorweisen. Die Sekundarstufe oder eine vergleichbare Berufsausbildung haben 23,8 Prozent abgeschlossen. Etwa 18,2 Prozent haben eine Hauptschule oder eine einfachere Berufsqualifikation absolviert, insgesamt 4,1 Prozent haben ihre Ausbildung ohne einen solchen Abschluss abgebrochen.

 

Große regionale Unterschiede prägen Arbeitsmarkt und Lohnniveau

 

Auch im anhaltenden Konjunkturaufschwung haben viele Menschen mit geringer oder veralteter Ausbildung insbesondere im ländlichem Raum bisher keine neue Stelle finden können. So waren 2013 von den durchschnittlich 120.400 Arbeitslosen 18 Prozent über vier Jahre, 14 Prozent über zwei Jahre und weitere 19 Prozent mindestens 12 Monate ohne Job.

Zudem sind große regionale Unterschiede zu beobachten: Lettlands Staatliche Agentur für Beschäftigung NVA (Nodarbinatibas Valsts Agentura) weist Ende 2013 für die Provinz Riga eine deutlich geringere Arbeitslosenquote (6,0 Prozent) aus als für Latgale im Osten (18,8 Prozent), Kurzeme im Westen (11,5 Prozent), Vidzeme im Norden (11,2 Prozent) und Zemgale im Süden (9,8 Prozent).

Im Jahresvergleich hatte sich die Quote nur in Kurzeme erhöht. Dies liegt vor allem daran, dass die Arbeitslosenrate in Liepaja wegen der Insolvenz des dortigen metallurgischen Kombinats im Dezember 2013 mit 13,0 Prozent weit höher war als noch vor Jahresfrist (9,6 Prozent).

In Lettland waren Ende des 3. Quartals 2013 laut offizieller Statistik überwiegend höher qualifizierte Stellen zu besetzen. Konkret haben Arbeitgeber 1,290 Techniker, 530 Wissenschaftler und 217 Führungskräfte gesucht, ferner 863 Verkäufer und Mitarbeiter in Dienstleistungsberufen, 248 Hilfsarbeiter, 228 Personen mit einer Ausbildung im Handwerk oder verwandten Tätigkeiten, 193 Anlagen- und Maschinenbediener, 131 Bürokräfte und 34 Fachkräfte im Agrarsektor.

Hinsichtlich der Wirtschaftszweige gab es Ende des 3. Quartals 2013 die meisten statistisch erfassten Jobangebote in der öffentlichen Verwaltung (1.491), gefolgt vom Handel (844), dem verarbeitenden Gewerbe (247) und dem Logistiksektor (173). Allerdings sollten die amtlichen Statistiken zu offenen Stellen nur als grober Richtwert gesehen werden, denn es ist davon auszugehen, dass in der Privatwirtschaft viele Stellen besetzt werden, ohne die offiziellen Arbeitsämter einzuschalten.

 

2014 sollen die Löhne um fünf Prozent real steigen

 

Die Arbeitseinkommen waren in Lettland mit den jeweiligen Konjunkturschwankungen der letzten Jahren ebenfalls stark in Bewegung. In den Boomjahren vor dem Einbruch hatte der Arbeitskräftemangel zunächst zu jährlichen realen Verdienststeigerungen von 9,7 Prozent (2005), 15,6 Prozent (2006), 19,9 Prozent (2007) und 6,2 Prozent (2008) geführt. Danach kam es jedoch 2009 und 2010 zu Rückgängen um 5,6 beziehungsweise 6,5 Prozent.

Im ersten vollen Jahr des Aufschwungs 2011 haben die Reallöhne noch fast stagniert (plus 0,1 Prozent) und auch 2012 gab es nur einen moderaten Zuwachs um 1,6 Prozent. Im Jahr 2013 sind die Löhne dagegen kräftiger um 4,5 Prozent (brutto) beziehungsweise 5,6 Prozent (netto) gestiegen. Da das Preisniveau 2013 stabil geblieben ist (plus 0,0 Prozent) entspricht der nominale dem realen Lohnzuwachs.

Für 2014 prognostiziert die EU-Kommission einen Verdienstanstieg von real 5,0 Prozent. Dabei lassen aber der Fachkräftemangel in vielen Berufszweigen einerseits und die strukturelle Arbeitslosigkeit andererseits eine unterschiedliche Lohndynamik je nach Qualifikation erwarten.

 

Zusatzleistungen werden wieder stärker angeboten

 

Die Schwankungen der Wirtschaftslage und auf dem Arbeitsmarkt haben sich in den letzten Jahren auch auf die Prämien, Provisionen und Zusatzleistungen ausgewirkt. Zu den Boomzeiten mit annähernder Vollbeschäftigung vor 2008 waren Einstellungen oft nur mit großzügigen Gehaltspaketen erreichbar.

Doch geldwerte Vorteile und andere Zusatzleistungen wie Firmenwagen, Diensthandys oder Laptops wurden in der Krise mit der besseren Verhandlungsposition der Arbeitgeber stark verringert.

Zudem schließen weniger Unternehmen private Krankenversicherungen in Gehaltspakete ein. Zwar können Beschäftigte oft von günstigen Tarifen der Rahmenvereinbarungen Gebrauch machen, doch müssen sie die Beiträge komplett oder teilweise selbst tragen. Auch die vor der Krise verbreiteten 13. oder 14. Monatsgehälter sind weniger gängig.

Andererseits wurden Gehaltskomponenten in der Krise bei entsprechenden Positionen oft stärker an das Erreichen konkreter Zielvereinbarungen gekoppelt. Manche Mitarbeiter wurden in der Krise auch nicht mehr direkt im Unternehmen eingestellt, sondern haben einen sogenannten Unternehmensvertrag abgeschlossen. Dieser sieht vor, dass der Mitarbeiter selbst für die Zahlung aller Steuern und Sozialabgaben verantwortlich ist und von dem Vertragspartner, der eigentlich sein Arbeitgeber ist, ein Bruttogehalt beziehungsweise eine Provision erhält.

Inzwischen sind Fachkräfte aber wegen des anhaltenden Aufschwungs wieder schwerer zu finden, so dass Abwerbungen mit besseren Verdienstkonditionen und attraktiveren Zusatzleistungen bei gesuchten Qualifikationen zunehmen. Zudem fallen an Ziele gekoppelte Prämien, Boni oder Provisionen im guten Konjunkturumfeld meist wieder höher aus.

Dennoch sind die Vorkrisenstandards in der Regel nicht erreicht. Die zukünftige Entwicklung von Sonderleistungen hängt stark von der weiteren Konjunktur und dem Fachkräfteangebot ab.

 

Hinweis

 

Dieser Artikel wurde stark gekürzt. Die Vollversion der "Lohn- und Lohnnebenkosten - Lettland" mit weiteren Informationen zum Arbeitsmarkt, Löhnen und Gehältern sowie Arbeitsrecht ist nach einer kurzen, kostenlosen Registrierung auf der Internetseite von Germany Trade and Invest GTAI abrufbar.


Quelle: Germany Trade and Invest GTAI, Die GTAI Online-News 23.04.2014