China: Berufsbildung in Gefängnissen

Zhou Qiang ist ein Häftling im Gefängnis Qingpu in Shanghai. Der Mittwoch ist sein Lieblingstag in der Woche, denn mittwochs ist sein Unterrichtstag. Dann darf er die Berufsbildungskurse besuchen. In drei Jahren soll er aus der Haft entlassen werden. Er glaubt, dass das im Gefängnis Erlernte ihm nach seiner Rückkehr ins Leben da draußen helfen wird.

"Vor der Haft hatte ich schon die Mittlere Reife. Hier fange ich jetzt mit der Berufsfachschule an. Ich habe mich für E-Business als Fach entschieden, da wir ja im Internetzeitalter leben. Bis jetzt habe ich 14 Lehrgänge abgeschlossen und es folgen noch sechs."

Die Lehrgänge wurden vor zwei Jahren von der Shanghaier Gefängnisverwaltung und der Shanghai Open University gemeinsam eingerichtet. In 13 Gefängnissen können die Gefangenen Lehrgänge für Logistik oder E-Business besuchen und nach dem Abschluss Reifezeugnisse erhalten. Die Unterrichtseinheiten finden zum Teil übers Internet statt. Es kommen aber auch Lehrer regelmäßig ins Gefängnis, um zu unterrichten.

Qingpu war eines der ersten Gefängnisse in Shanghai, das solche Berufskurse angeboten hat. Der Vizedirektor Xu Jinbing glaubt, dass die Insassen das Programm gut angenommen haben:

"Die Umerziehung kann auch den Spaß am Lernen bringen. Die Kurse wandeln die Haft teilweise in eine Art Studium um. Die Anmeldung ist freiwillig. Etwa 300 Insassen haben bisher an den Kursen teilgenommen."

Der 26-jährige Sun Yiming ist einer der Teilnehmer. 17 Jahre Haft hat er noch vor sich. Diese werden allerdings durch das Lernprogramm weniger langweilig sein:

"Seitdem ich hier bin, besuche ich die Kurse regelmäßig. Durch diese Beschäftigung kann ich mich auch emotional irgendwie abreagieren. Ich habe eine lange Haft vor mir und wenn ich nix lernen würde, wäre ich nach meiner Entlassung nicht mehr brauchbar. Ich bin noch jung und geistig fit. Ich werde nicht mit dem Lernen aufhören und will mich auf meine Rückkehr vorbereiten."

Die Häftlinge arbeiten jede Woche fünf Tage. Der sechste Tag ist der Lerntag und schließlich haben sie noch einen Tag frei. Neben den Kursen, deren Abschluss akademische Grade versprechen, stehen noch andere Fächer zur Auswahl. Im Gefängnis Wujiaochang ist speziell ein Trakt für Verurteilte vorgesehen, deren verbleibende Haft weniger als sechs Monate dauert. Dort werden sie mit der technischen und praktischen Seite ihres erlernten Könnens vertraut gemacht, um sie auf die Resozialisierung vorzubereiten.

Der Trainingsstandort umfasst verschiedene Bereiche, jeweils für Automechanik, Reparatur von Schaltkreisen, Gastronomie und einige andere. Die Räume sehen nicht anders als eine normale Berufsschule. Das Gastronomie-Projekt gibt es erst seit kurzem. 42 Insassen nehmen daran teil. Der zuständige Gefängnispolizist He Zhikang war von Beginn an dabei:

"Wir haben die Kurse nach dem Bedarf der Insassen und des Marktes eingerichtet. Die Lehrlinge erhalten nach bestandener Prüfung vom Staat anerkannte Zeugnisse."

Der 46jährige Yang Liang wird bald freigelassen. Er hat während des Aufenthaltes in diesem Trakt die Kurse für Elektriker und Gärtner mitgemacht und ein paar Jobbörsen im Gefängnis besucht. Nun hat sich ein Arbeitgeber bereit erklärt, ihn zu beschäftigen.

"Ich habe mir wirklich Gedanken gemacht, wie ich in meine Familie zurückkommen und mich an die Welt da draußen anpassen soll. Seit dem ich in diesem Trakt bin und die Kurse besuche, bin ich selbstsicherer geworden. Ich bin also bereit, neu zu starten."

Laut dem Gefängnisdirektor Hu Guozhong liegt die Rückfallquote seiner Anstalt nur bei zwei Prozent. Das heißt, die meisten entlassenen Häftlinge begehen keine weiteren Delikte mehr. Mit Hilfe des Gefängnisses, der Gemeinde und der Freiwilligen haben sie eine Arbeit gefunden. Auf diese Weise ist ihr Weg für ein neues Leben in der Gesellschaft geebnet.


Quelle: China Radio International, CRI online, german.cri.cn, 24.11.2014