IndienContact: Fragen und Antworten zur Aus- und Weiterbildung

In der jetzt erschienenen Spezialausgabe von IndienContact mit dem Titel "In Indien leben und arbeiten - 100 Fragen & 100 Antworten" beantwortet iMOVE Fragen zur Aus- und Weiterbildung in Indien.

Welche Herausforderungen bei der Reform der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Indien gibt es?

Berufliche Aus- und Weiterbildung in Indien gilt nicht als lohnend. Indische Unternehmen sehen Berufsbildung selten als Investition.

Diese Grundhaltung zeigt sich darin, dass sich indische Unternehmen nur selten an Ausbildungsmaßnahmen beteiligen. Sowohl der indische Privatsektor als auch öffentliche indische Arbeitgeber honorieren berufliche Aus- und Weiterbildung kaum.

Damit bleibt sie für viele junge Inder und deren Eltern unattraktiv. Staatliche Bemühungen um Reformen des Bildungssystems und Imagekampagnen ändern daran bisher wenig.

Allerdings setzt seit einigen Jahren ein Umdenken bei einzelnen indischen Unternehmen ein, die erkannt haben, dass sie die Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen verbessern müssen, um auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu werden oder zu bleiben.

Was verbirgt sich hinter der "National Policy for Skill Development and Entrepreneurship"?

Die Regierung Modi betrachtet Berufsbildung – oder genauer: "Skill Development" – als ein wesentliches Politikfeld. Sie steht vor der Herausforderung, der umfangreichen jungen Bevölkerung des Subkontinents Perspektiven bieten zu müssen. 54 Prozent der Inder sind unter 25 Jahre alt.

Der indische Premierminister Narendra Modi gab am ersten World Youth Skills Day der Vereinten Nationen Mitte Juli 2015 den Startschuss für seine Berufsbildungskampagne. Kernstück der Kampagne ist die neue "National Policy on Skill Development and Entrepreneurship" (NPSD).

Kurz nach seinem Amtsantritt hatte Modi die Bedeutung des Themas hervorgehoben, indem er ein eigenes Ministerium für "Skill Development" (Ministry for Skill Development and Entrepreneurship, MoSDE) einrichtete.

Zuvor war die NPSD 2009 von der Vorgängerregierung beschlossen worden. Sie hatte das ambitionierte Ziel, 500 Millionen Menschen bis zum Jahr 2022 beruflich zu schulen. Die neue Regierung beabsichtigt nun, im selben Zeitraum rund 400 Millionen Inder zu schulen.

Formale Berufsbildung findet in Indien vor allem in einem staatlichen System statt, das sehr großen Reformbedarf hat. Diesem Bedarf soll die NPSD nachkommen. Gleichzeitig soll der Privatsektor zu einem höheren Engagement in der Berufsbildung angeregt werden. Kampagnen, Kredite und Stipendien sollen junge Menschen zu einer Berufsausbildung motivieren.

Welche Anreize gibt es, sich in der betrieblichen Berufsbildung zu engagieren?

Deutsche Unternehmen kennen die Situation: Am indischen Standort finden sich viele – oftmals auf dem Papier gut qualifizierte – Hochschulabsolventen. Ihnen fehlt jedoch gerade in den technischen Bereichen die praktische Erfahrung.

In Werks- und Fabrikhallen arbeiten meist angelernte Kräfte. Ihre Fertigkeiten und Fähigkeiten variieren. Facharbeiter, wie sie Unternehmen aus Deutschland kennen, sind auf dem Arbeitsmarkt kaum verfügbar. Auch nach einer Ausbildung im staatlichen System verfügen die Absolventen nur über wenig mehr Qualifikationen als ungelernte Kräfte. In dieser Situation bleibt den Unternehmen kaum eine andere Wahl als selbst auszubilden.

Das Abwerben von Kräften aus anderen Unternehmen stößt schnell an seine Grenzen und ist alles andere als nachhaltig. Berufsbildung bedeutet in Deutschland wie auch in Indien ein Engagement für die Gesellschaft. Noch erkennen jedoch zu wenige Unternehmen die unternehmerischen Vorteile, von denen sie durch eigenes Ausbildungsengagement profitieren können.

Wie kann die deutsche Seite die berufliche Aus- und Weiterbildung in Indien unterstützen?

Die Sozialpartner der deutschen Berufsausbildung verfügen über langjährige Erfahrungen im Rahmen des dualen Ausbildungssystems. Die indische Regierung ist daran interessiert, aus diesen Erfahrungen Lösungsansätze für ihre Reformbemühungen abzuleiten.

Seit einigen Jahren gibt es bereits eine deutsch-indische Arbeitsgruppe Berufsbildung, in der das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das indische Partnerministerium den Erfahrungsaustausch organisieren. In diesem Rahmen sind Anbieter beruflicher Aus- und Weiterbildung aus Deutschland wichtige Know-how-Träger und potenzielle Partner indischer Bildungseinrichtungen.

Durch die Initiative iMOVE im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) unterstützt das BMBF deutsche Anbieter beruflicher Aus- und Weiterbildung bei deren Erschließung internationaler Märkte.

In Indien, das zu den wichtigsten Märkten zählt, unterhält iMOVE ein Büro in Neu-Delhi und vermittelt zwischen deutschen Anbietern und indischen Kunden.

 

  • Autorin: Monika Muylkens
    Zum Zeitpunkt der Redaktion wissenschaftliche Mitarbeiterin "Marktinformation und Studien" beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Arbeitsbereich iMOVE

Quelle: IndienContact-Spezial: In Indien leben und arbeiten - 100 Fragen & 100 Antworten, September 2015