Deutsche Bildung ist ein Exportschlager

Unser Berufsschulsystem ist auch in anderen Ländern gefragt. Unternehmen bauen im Ausland große Werke und der Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften steigt weltweit. Lesen Sie dazu einen Artikel von DIE WELT.

Bildung "Made in Germany" genießt weltweit einen guten Ruf. Und sie ist gefragt wie selten zuvor. "In vielen Ländern der Welt gibt es seit einigen Jahren ein großes Interesse am deutschen Berufsbildungssystem", heißt es etwa im Jahresbericht 2015 der Zentralstelle der Bundesregierung für internationale Berufsbildungskooperation GOVET.

Ein Grund für die gestiegene Nachfrage nach deutschen Bildungsangeboten: Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands werde zu Recht auch auf die hohe Qualifikation der Fachkräfte zurückgeführt.

So wundert es nicht, dass der Bildungssektor bereits 2010 mit einem Exportvolumen von etwa zehn Milliarden Euro eine durchaus gewichtige Dienstleistungsbranche war. Zum Vergleich: Das Exportvolumen kaufmännischer Dienstleistungen lag zu der Zeit nur unwesentlich höher.

"Deutsche Bildung ist ein Exportschlager", sagt Reinhard Koslitz, Geschäftsführer des Branchenverbands Didacta. Der Auslandsumsatz dürfte seiner Meinung nach seit 2010 noch um gut 20 Prozent gewachsen sein. Vor allem die berufliche Ausbildung "Made in Germany" finde weltweit großes Interesse. Der Verband vertritt die Interessen von etwa 250 Mitgliedsunternehmen aus dem Bildungssektor.

In den vergangenen Jahren hat vor allem der zunehmende internationale Fachkräftemangel den Export von beruflich orientierten Bildungsinhalten und -gütern weiter befeuert.

Große Unternehmen, die im Ausland neue Produktionseinheiten aufbauen, regeln die Aus- und Weiterbildung ihrer benötigten Mitarbeiter meist selbstständig. Häufig gliedern sie spezielle Fortbildungszentren an ihre neue Produktionsstätten an.

 

Hohe Standards

 

"Damit verfolgen sie das Ziel, auch im Ausland die eigenen hohen Fertigungsstandards und damit ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten.

"Ein typisches Beispiel dafür ist die Volkswagen Academy", erklärt Silvia Niediek, zuständige Pressereferentin der Initiative iMOVE (International Marketing of Vocational Education), die im Jahr 2001 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ins Leben gerufen wurde.

Verschiedene Serviceangebote von iMOVE sollen deutsche Bildungsanbieter bei der Erschließung internationaler Märkte unterstützen.

Zu den unterstützten Bildungsexporteuren zählen Berufsbildungszentren, Bildungsakademien, technische Fach- und Meisterschulen, Hersteller von Trainingsequipment und Lehrmaterial, Lehrbuchverlage, Stiftungen für die berufliche Bildung, E-Learning-Anbieter, Berufsbildungs-Consultants, Austauschorganisationen und andere Anbieter.

Während sich große expandierende Unternehmen also eigene Aus- und Weiterbildungszentren leisten können, setzen die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die häufig als Zulieferer mit großen Konzernen ins Ausland gehen, eher auf spezialisierte Berufsbildungsexporteure. "Diese sind ideale Partner für produzierende Unternehmen, die sich keine eigenen Qualifizierungsstrukturen im Ausland leisten können oder wollen", sagt Niediek.

Im Trend liegen vor allem Schulungen und Ausbildungen für technische Berufe wie den des Mechatronikers. "Die Firmen bauen im Ausland große Werke. Sie suchen Arbeiter und auch die Zulieferer benötigen Fachpersonal. Das ist ein großer Markt", sagt Didacta-Geschäftsführer Koslitz.

Auf besonderes Interesse stößt im Ausland die für Deutschland typische duale Ausbildung. Sie ist international als Erfolgsmodell anerkannt. Kern dieser in Deutschland populärsten Ausbildungsform ist die Zweiteilung in die praktische Ausbildung im Betrieb und theoretischen Unterricht in der Berufsschule. Zwischen zwei und dreieinhalb Jahre lernen die Auszubildenden in der Regel "ihr Handwerk", ehe sie eine entsprechende praktische und theoretische Abschlussprüfung absolvieren müssen. Die parallele Ausbildung in Betrieb und Berufsschule gibt es in vergleichbarer Form bislang nur in Österreich und der Schweiz.

 

Zweigleisiges Erfolgsmodell

 

"Inzwischen versuchen aber verschiedene Länder dieses System in ihre Strukturen zu integrieren", sagt Koslitz. Das eröffnet den Unternehmen seiner Branche neue Möglichkeiten. Zumal es auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierte Kooperationen mit ausgewählten Ländern gibt. Darunter sind europäische und einige nichteuropäische Staaten wie zum Beispiel Indien.

Ziel bei den außereuropäischen Kooperationen ist in erster Linie die Deckung des Fachkräftebedarfs deutscher Unternehmen auf den jeweiligen Auslandsmärkten.

"Dabei exportieren deutsche Unternehmen ebenso die Ausstattung für das Erlernen des Berufs wie das Curriculum, also die Lehrpläne", sagt Koslitz. Allerdings sei das deutsche System nicht eins zu eins auf andere Länder übertragbar. So arbeiten die Ausbilder in Indien zum Beispiel mit einem an das Land angepassten Ausbildungsplan.

Unternehmen aus der Bildungsbranche, die vor dem ersten Schritt ins Ausland stehen, rät Koslitz, sich zunächst auf einige Standorte zu beschränken. "Es macht keinen Sinn, gleich in mehreren Ländern aktiv zu werden", sagt er. Außerdem empfiehlt er, sich auch auf eine oder wenige Branchen, die man mit den Bildungsangeboten bedienen möchte, zu konzentrieren.

Insgesamt blickt die Branche nach Zahlen des aktuellen iMOVE-Trendbarometers so positiv wie noch nie zuvor in die Zukunft. Bildung gilt als wesentlicher Erfolgsfaktor für innovationsorientierte Volkswirtschaften. Deshalb wird der Bedarf für diese Dienstleistungen auch in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Davon ist die Branche überzeugt. Und darauf folgert man, dass auch das Exportvolumen im Bildungsbereich in den kommenden Jahren weiter deutlich steigen dürfte. Das meint zumindest der Großteil der 100 für das Trendbarometer befragten Unternehmen.

 

Frühpädagogik

 

Als Märkte rücken vor allem China und Indien als die größten Länder auf dem Kontinent noch stärker in den Fokus.

"Der asiatische Markt ist auch deshalb besonders spannend, weil dort in den vergangenen Jahren und aktuell sehr viele Investitionen getätigt werden", meint Koslitz. Auch Länder mit vielen Kindern seien für die Bildungsbranche besonders interessant. "Bei Indien reden wir von mehr als 500 Millionen Kindern und Jugendlichen, die unter 20 Jahre sind", ergänzt Koslitz. Da könne man sich vorstellen, dass zwangsläufig ein großer Bedarf bestehe.

Auch die international geschätzten Bildungsangebote der deutschen Frühpädagogik sollen im Ausland weiter ausgebaut werden. Die gemeinnützige Fröbel-Gruppe betreibt schon jetzt fünf ihrer 140 Kindertageseinrichtungen im Ausland – in Australien, Polen und der Türkei. Neben den Kindergärten werden in Zusammenarbeit mit der Klett Gruppe auch Kooperationen mit Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen sowie der Austausch von pädagogischen Fachkräften vorangetrieben.

"Wir wollen einen fachlichen Austausch mit pädagogischen Hochschulen anbahnen und interkulturelle Seminare für Erzieherinnen und Erzieher anbieten", erklärt Fröbel-Geschäftsführer Stefan Spieker die Ziele des Unternehmens.


 Quelle: DIE WELT, welt.de, Sonderthemen: Bildungsexport, 12.10.2015