Georgien: Niedrige Arbeitskosten locken

Georgiens Arbeitsmarkt befindet sich im Umbruch. Trotz Bildungsoffensiven im Berufs- und Hochschulwesen mangelt es in vielen Sektoren an Fachkräften. Zugleich gibt es viele Arbeitslose. Internationale Firmen finden schwer geeignete Mitarbeiter in der Kaukasusrepublik. Der Arbeitsmarkt ist stark dereguliert, das Arbeitsrecht sehr liberal.

Die 3,7 Millionen Einwohner zählende Republik Georgien weist eine hohe, aber leicht fallende offizielle Arbeitslosenquote auf.

Im Jahr 2014 betrug sie 12,4 Prozent (246.000 Arbeitslose), nach 14,6 und 15,0 Prozent in den Jahren 2013 und 2012. Laut georgischen Experten dürfte die tatsächliche Arbeitslosenrate 35 bis 40 Prozent betragen, unter Berücksichtigung von unfreiwilliger Teilzeit- sowie ineffektiver Beschäftigung sogar bis zu 50 Prozent.

Die offizielle Arbeitslosenquote auf dem Land war mit 22,1 Prozent viermal so hoch wie in den Städten (5,4 Prozent). Groß ist die Jugendarbeitslosigkeit. Bei den 20- bis 24-Jährigen betrug die offizielle Arbeitslosenrate 2014 rund 30 Prozent und bei den 25- bis 29-Jährigen 23,5 Prozent. Ein Drittel der Arbeitslosen verfügt über einen Universitätsabschluss.

Von den 2014 offiziell 1,75 Millionen Beschäftigten waren drei Fünftel (1,05 Millionen) selbstständig tätig und nur zwei Fünftel (0,69 Millionen) abhängig Beschäftigte. Öffentlich Bedienstete machten von letzteren rund 40 Prozent aus. Auf 100 abhängig Beschäftige entfallen somit 152 so genannte Selbstbeschäftigte und 36 Arbeitslose. Diese Zahlen weisen auf eine bescheidene Größe des regulären Arbeitsmarktes hin.

Der Anteil angestellter Personen an allen Beschäftigten hat sich in den Jahren 2010 bis 2014 nur leicht von 38,0 auf 39,8 Prozent erhöht. Vier Fünftel der Selbstbeschäftigten sind Landbesitzer, Bauern und deren Familien. Ein Fünftel stellen Straßenhändler, Taxifahrer und kleine Dienstleister. Die meisten Selbstbeschäftigten würden lieber fest angestellt sein und müssten eigentlich als arbeitssuchend erfasst werden.

Die offizielle Arbeitslosenquote in der Hauptstadt Tiflis betrug 2014 hohe 22,5 Prozent (2013: 29,1 Prozent). In den übrigen zumeist landwirtschaftlich geprägten Regionen wird sie durch die hohe Zahl von Selbstbeschäftigten im Agrarsektor deutlich auf 8 bis 10 Prozent nach unten gedrückt. Auf dem Land waren 2014 rund 79 Prozent aller Beschäftigten selbstständig erwerbstätige Personen, in den Städten 28 Prozent.

 

Fachkräfte mangeln trotz hoher Arbeitslosigkeit

 

Die hohe Zahl der Arbeitslosen und Selbstbeschäftigten lässt auf den ersten Blick ein flexibel nutzbares Arbeitskräftepotenzial vermuten. In der Praxis meldet jedoch jeder dritte, in einigen Regionen sogar jeder zweite Arbeitgeber bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter Probleme. Aktuell werden im Privatsektor vor allem Verkaufsmanager, Buchhalter, Ingenieure, Finanzfachkräfte, Programmierer, Krankenschwestern und -pfleger sowie Facharbeiter technischer Fachrichtungen gesucht. Die meisten Arbeitsangebote gibt es in Tiflis und in der Region Imereti.

Die Ursachen für den Fachkräftemangel sind vielschichtig. Der Zusammenbruch der UdSSR und innerethnische Konflikte führten zum Niedergang der georgischen Wirtschaft und des Bildungssystems.

Viele Fachkräfte wanderten in andere Branchen, vornehmlich in den Handel, oder ins Ausland ab. Seit der Unabhängigkeitserklärung Georgiens 1991 haben das Land weit mehr als 1 Millionen Menschen vorwiegend aus ökonomischen Gründen verlassen. Ein Teil der ländlichen Bevölkerung ist nicht georgischer Nationalität und spricht nicht oder minimal Georgisch.

Die 2011/12 gestartete Reform im Berufsschulwesen (Neuordnung der Schulen, Einführung internationaler Standards, neues Finanzierungssystem) und ein 2013 verabschiedetes mittelfristiges Ausbauprogramm zeigen erste Erfolge.

Dennoch traten im Ausbildungsjahr 2014/15 erst weniger als 4 Prozent aller Schulabgänger eine Berufsausbildung an. Ausländische und größere georgische Firmen lösen das Problem fehlender Fachkräfte häufig mit interner Ausbildung und Schulung über "training on the job". Ausländische Investoren arbeiten enger mit den Berufsbildungszentren zusammen.

Informationen zu Berufsschulen sind unter der Internetadresse des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft (Rubrik: Professional Education/Vocational Education and Training Centers) abrufbar.

In Georgien schließen im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viele junge Menschen ein Hochschulstudium ab. Im Studienjahr 2014/15 waren an den 73 Hochschulen 124.200 Studenten immatrikuliert. Fachrichtungen wie Betriebswirtschaft, Jura und Sprachwissenschaften dominieren. Ingenieur- und Naturwissenschaften sind bei den Studenten weniger gefragt (Anzahl der Studenten in den Bachelor- und Magisterstudiengängen Maschinenbau, Industrie/Verfahrenstechnik und Bauwirtschaft 2014/15: etwa 10.000).

Georgiens Hochschulwesen wurde in den Jahren 2004/05 umfassend reformiert, unter anderem durch die Teilnahme am Bologna-Prozess und Akkreditierungsverfahren zur Qualitätssicherung. Es steht heute auf einer soliden, transparenten und weitestgehend korruptionsfreien Grundlage. Arbeitgeber beklagen allerdings, dass die Ausbildung an den Universitäten bisher wenig praxisrelevant sei.

 

Löhne und Gehälter sind niedrig

 

Das Lohnniveau in Georgien ist deutlich niedriger als in Russland, Kasachstan, Belarus und Aserbaidschan. Es gibt keinen gesetzlich festgelegten Mindestlohn. Der monatliche Bruttodurchschnittslohn betrug im 1. Halbjahr 2015 umgerechnet 368 Euro. Das real gezahlte durchschnittliche Gehalt für die meisten Lohn- und Gehaltsempfänger dürfte ohne Berücksichtigung der Besserverdiener, die den Mittelwert des Lohngefüge im Land deutlich erhöhen, gegenwärtig kaum mehr als 250 bis 280 Euro betragen.

Zahlreiche Angestellte müssen mit einem Gehalt auskommen, das an der Grenze oder unterhalb des realen Existenzminimums liegt. Die Abwertung der Nationalwährung gegenüber dem US-Dollar und Euro seit Ende 2014 führt dazu, dass die Gehälter, gemessen in diesen Währungen, gegenwärtig stagnieren oder zum Teil auch sinken. Löhne und Gehälter machen in den privaten Haushalten im Schnitt nur ein Drittel der Gesamteinnahmen aus. Nur in Tiflis ist diese Quote mit rund 50 Prozent höher.

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Quelle: Germany Trade and Invest GTAI, Länder.Märkte.Chancen. - Die GTAI Online-News, 18.01.2016