Bildung und Arbeit für Marokko

Kompakte Informationen offeriert der Faktencheck "Marokko". In ihrer Reihe "Fakten zur europäischen Dimension von Flucht und Asyl" porträtiert die Bertelsmann-Stiftung jeden Monat ein anderes Herkunfts- oder Transitland von Flüchtlingen und Migranten. Bisher erschienen: Türkei, Ukraine, Libyen und Syrien.

 

Auch wenn Mobilität, Migration, Grenzschutz und Rückführung die Agenda der Europäischen Union (EU) und ihrer Mitgliedstaaten mit Marokko bestimmen, so ist das Arbeitsportfolio zwischen der EU und Marokko breiter aufgestellt. Das muss auch so sein, um das Land politisch, sozial und wirtschaftlich zu stärken. Mit Sorge konstatiert der EU-Kommissionsbericht Marokko vom März 2015 die mangelnde Alphabetisierung, die Arbeitslosigkeit und das starke Stadt-Land-Gefälle in Hinblick auf Gesundheitsversorgung und Bildungsstandards.

Die offizielle Entwicklungshilfe macht fast zwei Prozent des Bruttonationaleinkommens  aus. Die internationale Gemeinschaft initiiert gerne Projekte in Marokko. Da das marokkanische System im regionalen Vergleich in den letzten Jahren mehr pluralistische Elemente im sozialen und wirtschaftlichen Bereich zugelassen hat, haben die G8 Marokko 2011 als "Transformationsland" eingestuft und mit Fördergeldern bedacht. Marokko erhält auch mit Abstand die meisten Zuwendungen aus den Budget-Linien der Europäischen Nachbarschaftspolitik. Angestoßen von Spanien haben sich die Beziehungen zur EU institutionell von einem Assoziationsabkommen zu einem "besonderen Status" entwickelt.

Die seit 2015 geführten Verhandlungen über ein "vertieftes und umfassendes Freihandelsabkommen" liegen zurzeit auf Eis. Grund: Marokko fürchtet bei den Angleichungen an europäische Standards und Rechtsnormen besonders im Dienstleistungssektor zu viele Arbeitsplätze zu verlieren. Rabat verspricht sich mehr für seine Wirtschaft und seine Arbeitsplätze, wenn es höhere Exportquoten in die EU für seine Agrarprodukte erzielen kann.

Neben Handelserleichterungen kann die sich entwickelnde Start-up Szene Impulse für Beschäftigung setzen. Viele junge Marokkaner wollen in ihrer Heimat kleine Unternehmungen gründen. Hierfür brauchen sie Anschubfinanzierung, Unterstützung bei der Deckung der laufenden Kosten in den ersten Betriebsjahren sowie Beratung und Coaching.

Potenzial versprechen auch transnationale Ausbildungspartnerschaften (Global Skills Partnerships), die darauf abzielen, bereits bei der Entwicklung von Fachkräften grenzüberschreitend zum beidseitigen Nutzen zu kooperieren. Auf diesem Wege könnten die hohe Jugendarbeitslosigkeit und der skills mismatch auf marokkanischer Seite und gleichzeitig demographisch induzierte Fachkräfteengpässe in Deutschland und anderen EU-Mitgliedern entschärft und die irreguläre Migration eingedämmt werden.

Dafür bietet Marokkos Wirtschaft zwei vielversprechende Anknüpfungspunkte. Da ist zum einen der ambitionierte Plan Azur, der vorsieht, bis 2020 die Zahl der Touristen im Land auf 20 Millionen Besucher pro Jahr zu erhöhen. Hieraus erwächst ein zunehmender Bedarf an Fachkräften im Hotel- und Gaststättengewerbe.

Auch im Feld der erneuerbaren Energien hat Marokko mit dem jüngst eröffneten, weltweit größten Sonnenwärmekraftwerk Noor große strategische Schnittmengen und ähnlich gelagerte Fachkräftebedarfe wie das sich von Atomenergie abkehrende Deutschland. Die deutsch-marokkanische Energiepartnerschaft (PAREMA) nutzt seit 2012 die Dynamik, dass die marokkanische Regierung die Nutzung der Wind und Solarenergie als zentrale strategische Ziele bestimmt hat. Marokko will den zu erwartenden Energie-Mehrverbrauch über alternative Quellen abdecken, den Import von Öl und Gas reduzieren und ist an der Strommarktintegration mit der iberischen Halbinsel interessiert. Hierzu braucht es ähnlich wie Deutschland dringend zusätzliche Fachkräfte.

Zusätzliche Wirtschaftsdynamik kann ein Ende der Eiszeit zwischen Marokko und Algerien erzeugen. Austausch und Handel zwischen den beiden maghrebinischen Regionalmächten ist auf allen Ebenen von der hohen Politik über die Unternehmer bis zu Bürgermeisterkontakten notwendig. Die EU und ihre großen Mitgliedstaaten sind aufgerufen, alle diplomatischen Hebel für innernordafrikanische Annäherungsprozess zu mobilisieren.

Der "Palast" und die so genannten "500 Familien" dominieren die marokkanische Ökonomie. Diese Eliten sind aufgerufen, eine wirkliche Pluralisierung der Wirtschafts- und Finanzstrukturen zuzulassen, damit viele kleine und mittlere Unternehmer eine Chance bekommen, auf dem lokalen Markt zu reüssieren, Arbeitsplätze zu schaffen und Steuern zu erwirtschaften.

Faktencheck Marokko

Fakten zur Europäischen Dimension von Flucht und Asyl: Marokko

Das 7-seitige Portrait über Marokko ist im Mai 2016 erschienen und kann bei der Bertelsmann-Stiftung kostenlos heruntergeladen werden.

Weitere Länder

Weitere verfügbare Länder der Reihe Fakten zur Europäischen Dimension von Flucht und Asyl:

 

  • Jordanien
  • Libanon
  • Libyen
  • Syrien
  • Türkei
  • Ukraine

 

Stand: 29.07.2016


Quelle: Bertelsmann Stiftung, bertelsmann-stiftung.de, Mai 2016