Deutsch-griechische Debatte über Reformierung der Berufsbildung

Die deutsch-griechische Zusammenarbeit in der Berufsbildung steht "auf einem soliden Fundament" und wird "auf Augenhöhe zum Nutzen beider Länder" geführt.

Das teilte Thomas Rachel, Staatsekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, während einer digitalen Veranstaltung der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer (DGIHK) sowie des Griechischen Industrie- und Unternehmensverbandes (SEV) Ende September 2020 mit.

Zudem erinnerte Rachel daran, dass die bilaterale Kooperation vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise im Dezember 2012 ins Leben gerufen worden war. Nach erfolgreichen Jahren solle diese nun weiter verstärkt werden. "Sehr beeindruckt" sei er hinsichtlich einer Gesetzesinitiative der griechischen Regierung, die eine Reformierung der Berufsbildung vorsieht.

"Ordnung in vorhandenes Chaos bringen"

"Manchmal ist die wichtigste Reform, Ordnung in ein vorhandenes Chaos zu bringen." So umschrieb der griechische Generalsekretär für Berufliche Bildung und Lebenslanges Lernen, Georgios Voutsinos, den Gesetzesentwurf seines Ministeriums, der schon "sehr bald" dem Parlament zur Anhörung vorgelegt werde. Als langjähriges Problem in Griechenland habe der Politiker die geringe Attraktivität und gesellschaftliche Anerkennung in der betrieblichen Ausbildung ausgemacht. Zudem fehle es an Koordination und gemeinsamer Planung.

"Beschäftigungsinstrument für viele"

Eine Prognose für das Jahr 2030 sehe voraus, dass rund zwei Drittel der Arbeitsplätze in Griechenland geringe oder mittlere Qualifikationen erfordern werden, so Voutsinos. Mit dem neuen Gesetz wolle man die berufliche Bildung und Ausbildung von einer "Notlösung für wenige" zu einer "bewussten Entscheidung und zum Beschäftigungsinstrument für viele" werden lassen, betonte der Generalsekretär. Zugleich solle damit die Wirtschaft angekurbelt und die Jugendarbeitslosigkeit gesenkt werden.

"Schneller Rhythmus von Veränderungen"

Auch der Geschäftsführer des SEV, Alexandros Chatzopoulos, meldete sich zu Wort. In Griechenland gebe es einen Industriewandel, einen "schnellen Rhythmus von Veränderungen", stellte er fest. Dies hänge zum Teil mit der fortlaufenden Pandemie zusammen und beeinflusse sowohl die gesamte Wirtschaft als auch die Berufsbilder. Das "Herzstück" dieser Entwicklungen liege im Bereich der Bildung, betonte der Geschäftsführer.

Nur 28 Prozent der Jugendlichen in Griechenland würde sich aktuell für eine betriebliche Ausbildung entscheiden und auch die Beschäftigung der Absolventen von berufsbildenden Schulen sei im Vergleich zum europäischen Durchschnitt sehr gering, monierte Chatzopoulos. Mit 63 Prozent bilde Griechenland hier europaweit das Schlusslicht. Viele griechische Unternehmen könnten ihre Bedürfnisse nicht abdecken, es gebe zahlreiche vakante Stellen, führte er weiter aus. Jeder dritte Betrieb habe Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang. "Wir müssen eine Strategie entwickeln", forderte Chatzopoulos, "zwischen den Unternehmen und dem Bildungssystem muss es eine Verbindung geben."

Deutsches Modell der dualen Ausbildung

Das deutsche Modell des dualen Systems sei sehr erfolgreich, warf Spyros Protopsaltis, Vorstandsvorsitzender der griechischen Arbeitsagentur (OAED) in die Diskussion ein. Man müsse "das Rad nicht neu erfinden", sondern bewährte Praktiken aus anderen Ländern auf Griechenland zuschneiden. Zudem forderte er, das Thema der Berufsbildung deutlicher zu kommunizieren und dabei aufzuzeigen, welche Chancen dadurch ebenso für Wirtschaft und Betriebe entstehen könnten.


Quelle: Griechenland Zeitung, griechenland.net, 30.09.2020