Duale Ausbildung erlebt international eine Renaissance

Bei einer kürzlich im Auftrag von iMOVE durchgeführten Befragung deutscher Bildungsanbieter äußerte die deutliche Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass sich potenzielle Kunden aus dem Ausland wieder verstärkt für die duale Ausbildung "made in Germany" interessieren. Auf die Frage, welche Produkte die begehrtesten sind, antwortete ein Gesprächspartner: "Erstens duale Ausbildung, zweitens duale Ausbildung und an dritter Stelle duale Ausbildung".

Frau mit Schutzbrille und Gasbrenner
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Die Philosophie der dualen Berufsausbildung kommt international (wieder und immer mehr) an. Der Tenor der Antworten lautete, dass zwar manche ausländischen Kunden der empfohlenen Dauer einer dualen Ausbildung von drei bis dreieinhalb Jahren mit Verständnislosigkeit begegnen, dass sie sich jedoch zunehmend für die grundsätzliche Verbindung von Theorie und Praxis interessieren, die im dualen Ansatz realisiert wird.

Allmählich fällt die Überzeugung auf fruchtbaren Boden, dass berufliche Bildung in die industriellen Wertschöpfungsketten der einzelnen Unternehmen integriert werden muss und nie losgelöst vom tatsächlichen Arbeitsplatz betrachtet werden sollte. Daher rückt die Gestaltung einer effektiven Kooperation zwischen Bildungsinstitution und Wirtschaft immer stärker in den Fokus, um den Erwerb der dringend benötigten Handlungskompetenz zu sichern und die Beschäftigungsfähigkeit der Jugendlichen zu erreichen.

Nach der langen Durststecke um die Jahrtausendwende, als die berufliche Bildung nach deutschem Muster international kaum noch attraktiv war, erlebt sie − besonders seit der Wirtschaftskrise 2008 − eine erstaunliche internationale Renaissance.
 

Mangelnde Anpassungsfähigkeit bestehender Berufsbildungssysteme

Dem dualen Ansatz stehen allerdings oftmals hochbürokratische Berufsbildungssysteme entgegen, beispielsweise Competency-Based Education and Training (CBET) in Verbindung mit einem National Qualifications Framework (NQF), in dem Abschlüsse aus allen Bildungsbereichen abgebildet werden, um eine Vergleichbarkeit von Qualifikationen und Bildungsabschlüssen zu schaffen.

Beim CBET werden nicht etwa einzelne Kurse oder Lernmodule, sondern jede einzelne Fähigkeit und jedes einzelne Lernergebnis ("Competency") als Lerneinheit betrachtet, die es nacheinander zu erwerben gilt. Üblicherweise sollen die Lernenden nach dem Erwerb jeder einzelnen Kompetenz ein Assessment durchlaufen, bevor sie sich mit der nächsten Kompetenz beschäftigen. Eine Qualifikation kann aus mehr als zwanzig Lerneinheiten bestehen.

Ausgehend vom engmaschigen Prozess für die Entwicklung der "Competency Standards" gibt es einen ähnlich komplexen Vorgang für die Entwicklung entsprechender Curricula, die sich auf die jeweiligen Module beziehen. Für jedes Modul gibt es auch einen Prozess für die Entwicklung von standardisierten Lehrmaterialien, die in einer vorgeschriebenen Art und Weise verwendet werden müssen. Außerdem muss ein Lernort für jedes Ausbildungsmodul registriert werden und durchläuft vorher einen komplexen Anerkennungsprozess. All diese und weitere Maßnahmen in diesem System sind selbstverständlich mit Kosten verbunden.

CBET und ein NQF wurden in den vergangenen Jahren in vielen Ländern Afrikas und Asiens mit beträchtlichem finanziellem Aufwand und ohne die notwendige Anpassung an den jeweiligen nationalen Kontext eingeführt. Überdurchschnittlich häufig können nun arbeitsmarktorientierte Ausbildungsprogramme nicht mehr neu eingeführt oder angepasst werden, da die vorgesehenen komplexen Akkreditierungsvorgänge von diesen Ländern nicht nachhaltig finanzierbar sind.

Wegen der genannten Schwierigkeiten kristallisiert sich in zahlreichen Partnerländern allmählich der Wunsch heraus, Ansätze einer dualen Ausbildung "made in Germany" in das heimische Berufsbildungssystem zu implementieren. Hier spielt allerdings die vielbeschworene Anpassungsfähigkeit der bestehenden Systeme eine wichtige Rolle.

Wie schon mehrfach von Expertinnen und Experten festgestellt, richtet sich die potenzielle Übertragbarkeit dualer Elemente in andere Länder und Regionen stets nach den jeweiligen Rahmenbedingungen vor Ort. Es hat sich gezeigt, dass duale Elemente entsprechend flexibel an die Bedürfnisse eines Partnerlandes angepasst werden müssen. Erfolgreich kann ein solches Unterfangen auch nur dann sein, wenn die implementierenden Partner einen individuellen Mehrwert erkennen.

Fachartikel

Der Fachartikel Duale Ausbildung erlebt international eine Renaissance ist im aktuellen iMOVE-Exportmagazin xPORT 1/2019 im Juni erschienen.

Die Autoren Dr. Winfried Heusinger und Irene Jonda (M.A.) sind Senior Consultants für Technical Vocational Education and Training der Firma protrent.

xPORT 1/2019

Titelbild des Exportmagazins Ausgabe 1/2019
Frau steht vor mit mathematischen Formeln beschriebener Wandtafel
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Grundlagen für Weiterbildung schaffen

Die Erfahrung zeigt allerdings auch, dass Kurzzeitkurse allein nicht ausreichen, um Jugendliche in Schwellen- und Entwicklungsländern erfolgreich für den jeweiligen Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil oft kein ausreichendes Grundlagenwissen vorhanden ist, auf dem man bei der Durchführung von Kurzzeitkursen aufbauen könnte.

So wurde seitens der Befragten moniert, dass man im Vorfeld von Weiterbildungskursen oft erst die nötigen Voraussetzungen durch die Vermittlung von Grundlagenwissen schaffen muss. Ein AdA-Kurs (Ausbildung der Ausbilder gemäß der Ausbilder-Eignungsverordnung) baut in Deutschland auf dem soliden Wissen einer Fachausbildung auf und ist etwa als Online-Lehrgang innerhalb von sechs Monaten bei einem wöchentlichen Arbeitsaufwand von neun Stunden zu absolvieren. Da fragt sich schon so mancher Bildungsanbieter, wie ein zweiwöchiger Train-the-Trainer-Lehrgang in Ghana, Nepal oder Mozambique für Menschen ohne ausreichende technische Grundkenntnisse beziehungsweise eine vorab absolvierte Berufsausbildung zu schaffen sein soll.

Allmählich wächst in den Partnerländern das Bewusstsein, dass eine gute Ausbildung ausreichend Zeit braucht. Auch die Kooperation zwischen Bildungsinstitutionen und der Wirtschaft rückt als Erfolgsfaktor immer mehr ins Bewusstsein. Nicht zuletzt deshalb erfreuen sich duale Studiengänge zunehmender Beliebtheit, beispielsweise in China und Indien.

Ganz Mutige implementieren bisweilen sogar vollständige duale Ausbildungsgänge, wie zum Beispiel Vinfast, die erste vietnamesische Automarke, die in einem Fortbildungszentrum direkt im Hauptquartier eine duale Ausbildung für 200 junge Beschäftigte anbietet, die auch von der Auslandshandelskammer zertifiziert wurde.

Kooperationen zwischen Wirtschaft und Bildung anbahnen

Nach Ansicht der meisten Befragten lohnt es sich daher, am Konzept der Dualität weiter zu arbeiten und die vorhandene pragmatische Anpassungsfähigkeit an die lokalen Kontexte immer wieder hervorzuheben und in der Praxis unter Beweis zu stellen.

Selbst für Bildungsinstitutionen, die bisher keine dualen Konzepte verfolgten, kann eine Kooperation mit der Wirtschaft angebahnt und realisiert werden. Deren Vorteile für alle Beteiligten liegen auf der Hand: Die Fertigkeiten und das Wissen, welches in der Berufsschule, im College oder in der Hochschule vermittelt wird, entspricht dem Bedarf des Arbeitsmarktes.

Die Firmen haben die Möglichkeit, potenzielle Nachwuchskräfte kennenzulernen, zu formen und in ihrer Entwicklung zu begleiten. Die Fachkräfte können in den Bildungseinrichtungen kontinuierlich weiterqualifiziert werden. So können zwischen Bildung und Wirtschaft gesunde Netzwerke entstehen. Am Ende der Ausbildung erreichen die Jugendlichen Handlungskompetenz und damit Beschäftigungsfähigkeit, weil sie über die Kompetenzen verfügen, die in der Wirtschaft tatsächlich gefragt sind.


Quelle: iMOVE