Frankreich: Neue Impulse für die berufliche Bildung

In Frankreich machen nur etwa fünf Prozent aller Jugendlichen zwischen 16 und 24 Jahren eine Ausbildung, so die Zahlen des französischen Statistischen Amts INSEE. Die neue Reform der Regierung um Emmanuel Macron will das ändern und die berufliche Ausbildung attraktiver gestalten.

Beim 5. Deutsch-Französischen Berufsbildungstag diskutierten Experten darüber, wie sich das auf die europäische Zusammenarbeit auswirken könnte und welche Chancen diese Entwicklung bietet.

"Die Hochschulbildung ist nicht das Maß aller Dinge", betonte Dr. Achim Dercks, Stellvertretender Geschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), in großer Runde. Wie viele andere Vertreter aus Wirtschaft und Politik ist er am Donnerstag, 24. Mai, in den Tour Allianz One in La Défense gekommen, um genau an diesen Punkt zu erinnern.

Es wäre Zeit, dass die Ausbildung im Betrieb "endlich" einen höheren Stellenwert bekomme, sagte er und führte an, dass es in ganz Europa 20 Millionen Studenten gibt, aber nur 3,5 Millionen Auszubildende – wenn die Bilanz in Deutschland auch ein wenig besser ausfalle. Mit der Reform der Ausbildung, die das Parlament beschließen will, macht Frankreich seiner Meinung nach einen Schritt in die richtige Richtung.

Doch der Weg ist noch lang, um aus der Ausbildung in Frankreich eine "voie d’excellence" zu machen, denn sie hat nicht unbedingt das beste Image. "Berufliche Ausbildung ist schon etwas Gutes, aber für die Kinder der anderen und nicht für die eigenen", skizzierte Brigitte Trocmé vom französischen Bildungsministerium die öffentliche Meinung zu dem Thema. Ein Weg, die Attraktivität einer Lehre zu steigern, sei aber zum Beispiel die Aussicht, ins Ausland zu gehen.

Zeit im Ausland ist immer ein Plus

Mobilität war eines der großen Themen beim Berufsbildungstag. Zu Wort kamen daher auch fünf deutsche und französische Auszubildende, die die Gelegenheit hatten, im anderen Land zu lernen. So unterschiedlich ihre persönlichen Erfahrungen dabei gewesen sein mögen, in einem Punkt waren sie sich einig: Sie würden es jedem empfehlen und auch sofort wieder machen. Besonders gut, so sagten sie, war der Auslandsaufenthalt für ihre Softskills, also für die außerfachlichen Kompetenzen.

Diese werden auf dem heutigen Arbeitsmarkt immer wichtiger. Früher hätte die technische Expertise gezählt, ruft Franck Houdebert, Personalvorstand der Hager Group, in Erinnerung. Heute jedoch sei es viel wichtiger, sich anpassen und auch in einem internationalen Netzwerk arbeiten zu können. Interkulturelle Erfahrungen, zum Beispiel in einem deutsch-französischen Rahmen, seien daher stets ein Plus.

Der Traum von einheitlichen Systemen

Die Organisation von Auslandsaufenthalten während der Ausbildung ist jedoch aufgrund der verschiedenen Ansätze und Systeme in den verschiedenen Ländern nicht immer ganz einfach.

In Frankreich fasst man zum Beispiel eher längere Zeiträume von drei bis sechs Monaten im Partnerland ins Auge, während sich mit der deutschen Berufsschule eher kurze Reisen von vier bis sechs Wochen vereinbaren lassen.

Béatrice Angrand vom Deutsch-Französischen Jugendwerk träumt deshalb von einem einheitlichen Ausbildungssystem in ganz Europa. Das sei heute jedoch nur ein Ideal. Den Zugang zu Mobilität im Rahmen der Ausbildung zu vereinfachen wäre daher ein wichtiger erster Schritt, lautete der gemeinsame Tenor aller Teilnehmer des Berufsbildungstages.


Quelle: Paris Berlin, parisberlinmag.com, 27.05.2018