Frankreich setzt verstärkt auf duale Ausbildung

Vor dem Hintergrund der nach wie vor hohen Jugendarbeitslosigkeit bei oft gleichzeitig herrschendem Fachkräftemangel will die französische Regierung die duale Berufsausbildung attraktiver machen und grundlegend reformieren.

Machen im europäischen Schnitt 15 Prozent der Jugendlichen eine Lehre, so sind es in Frankreich nur sieben Prozent, das heißt etwa 400.000 Jugendliche zwischen 16 und 25 Jahren. Aktuell sind 1,3 Million Jugendliche in diesem Alter weder in Ausbildung, noch gehen sie einer Beschäftigung nach.

Das bisherige System der betrieblichen Ausbildung (apprentissage) mit einer starken staatlichen Regulierungsdichte unterscheidet sich dabei aufgrund seiner Komplexität in Bezug auf die Organisation und Finanzierung, den Beziehungen zum allgemeinbildenden Schulwesen sowie zum Arbeitsmarkt stark von der betrieblichen Ausbildung in Deutschland.

Premierminister Edouard Philippe und die zuständigen Fachminister für Arbeit und Bildung haben am 9. Februar 2018 eine Reform vorgestellt, deren Ziel es ist, die Lehre für die Jugendlichen attraktiver und für die Unternehmen flexibler und unbürokratischer zu gestalten. Hierzu wird auch die Finanzierung der Ausbildung vereinfacht und die Verantwortung weiter regionalisiert.

Attraktivität der Lehre für Jugendliche steigern

Um die Lehre für Jugendliche attraktiver zu machen, werden folgende Maßnahmen umgesetzt:

  • Es gibt regelmäßige Informationsveranstaltungen der Regionen über Berufe und Ausbildungswege in Collèges und Gymnasien auch für Eltern.
  • Es gibt Angebote einer vorbereitenden Schulung durch staatliche Institutionen, um Jugendliche bei beträchtlichen Defiziten "fit" für die Lehre zu machen.
  • Die Altersspanne für den Beginn einer Lehre wird auf bis 30 Jahre (bisher 16 bis 26 Jahre) ausgeweitet und bei zeitweisen Ausbildungsunterbrechungen gilt nicht mehr das gesamte Lehrjahr als verloren.
  • Die an den Mindestlohn angelehnten Ausbildungsvergütungen für Lehrlinge zwischen 16 und 20 Jahren werden um 30 Euro monatlich angehoben und alle Ausbildungsverträge werden mit Zuschüssen aus der Berufsbildungsabgabe der Unternehmen finanziert.
  • Unter 18-Jährige bekommen einen Zuschuss von 500 Euro für den Führerschein.
  • Die Zahl der Lehrlings-Erasmus-Plätze für eine Berufserfahrung in einem anderen Land der Europäischen Union wird auf 15.000 pro Jahr verdoppelt.
  • Die praxisorientierten auch auf regionale Bedürfnisse zugeschnittenen Berufsbildungszentren (Campus des métiers), die stärker mit den berufsbildenden Gymnasien kooperieren sollen, werden ausgebaut.

Einstellungshemmnisse für Unternehmen beseitigen

Um die Schaffung von Ausbildungsplätzen für die Unternehmen attraktiver zu machen, sind folgende Maßnahmen vorgesehen:

  • Überarbeitung der Ausbildungsprofile, -anforderungen und Prüfungsordnungen in enger Zusammenarbeit mit den Branchen und Handwerksverbänden sowie eine Zertifizierung der Ausbilder wie auch der Ausbildungsgänge in den Berufsschulen (CFA),
  • Flexibilisierung und Vereinfachung des Abschlusses von Ausbildungsverträgen (zum Beispiel Berücksichtigung der Qualifikation des Jugendlichen, freie Wahl des Termins des Ausbildungsbeginns), aber auch deren Kündigung (zum Beispiel keine verpflichtenden Arbeitsgerichtsverfahren nach 45 Tagen mehr),
  • Anpassung der gesetzlichen Vorschriften (zum Beispiel Arbeitszeit) im Sinne einer besseren Integration der Auszubildenden in die Unternehmen,
  • stärkere Einbindung der Sozialpartner zum Beispiel bei einer stärker an den Bedürfnissen der Unternehmen ausgerichteten Formulierung der Ausbildungsziele und Abschlüsse.

Eine klare und transparente Finanzierung der Ausbildung

Das aktuelle System der Finanzierung der dualen Ausbildung beruht auf einer Berufsbildungsabgabe aller Unternehmen (taxe d'apprentissage) und einer Zusatzabgabe für Unternehmen ab 250 Angestellten, die Lehrlingsquote von fünf Prozent an der Gesamtbeschäftigung nicht erreichen sowie vier verschiedenen direkten Subventionen (Entlastung der Unternehmen bei den Sozialabgaben, Einstellungsprämie für unter 18-Jährige, regionale Lehrlingsprämien, Steuergutschrift für Unternehmen).

Die Regierung plant dieses wenig transparente und oft nicht sehr anreizorientierte System klarer auszurichten und so effektiver zu machen durch

  • die Schaffung einer einheitlichen Berufsbildungsabgabe,
  • die Zusammenführung der vier staatlichen Leistungen und insbesondere
  • ihre Ausrichtung auf die Bedürfnisse der kleinen und mittleren Betriebe (bis 250 Angestellte) nach der Devise "Ein Vertrag = eine Leistung".

Auch die sich unter staatlicher Aufsicht befindenden Ausbildungszentren (CFA) werden in Zukunft nicht mehr allgemein dotiert, sondern werden auf Vertragsbasis abhängig von der Anzahl der bei ihnen eingeschriebenen Auszubildenden finanziert.

Die Stärkung der Rolle der Regionen

Die Regionen mit ihren spezifischen Bedürfnissen werden in Zukunft eine wichtigere Rolle in Bezug auf die Lehrlingsausbildung spielen.

Sie erhalten jedes Jahr eine Zuweisung von 430 Millionen Euro für die Abfederung territorialer Ungleichgewichte und zur Schaffung weiterer Ausbildungszentren. Zudem wird die Zuständigkeit für die Berufsorientierung von Jugendlichen, die bisher beim Bildungsministerium lag, den Regionen übertragen.

Lehrlingsvergütungen in Frankreich

Mit Stand vom 01.01.2018, das heißt vor Inkrafttreten der Reform:

In Frankreich werden die Lehrlingsvergütungen im Rahmen der Entwicklung des Mindestlohnes Salaire minimum interprofessionnel de croissance (SMIC) staatlich festgesetzt.

Wege der praxisorientierten Berufsausbildung in Frankreich

Nach dem mittleren Schulabschluss im Collège (Sekundarstufe I, 6. bis 9. Klasse) gibt es neben dem allgemeinbildenden Abitur (41,2 Prozent des Jahrgangs 2017) drei Wege zu einer mehr praxisorientierten Berufsausbildung:

  • Eine duale Ausbildung mit einer Lehre in einem Betrieb und einer begleitenden Berufsschule (CFA – Centre de formation d‘apprenti) mit ihren etwa 200 Fachrichtungen, die mit einem CAP (Certificat d‘aptitude professionelle) oder einem BEP (brevet d’études professionnelles) abgeschlossen wird.
  • Das berufsbildende Abitur (Bac pro), das nach dreijähriger Schulzeit auf Abiturniveau mit Hochschulzugangsmöglichkeit angesiedelt ist. Nach zwei Jahren kann als Zwischenschritt ein BEP erworben werden. Das Bac pro wurde 2017 von 22 Prozent eines Schülerjahrgangs abgelegt.
  • Das technische beziehungsweise technologische Abitur, das 2017 von 15,7 Prozent des Jahrgangs abgelegt wurde, und das nach dreijähriger Schulzeit ebenso zur Hochschulreife führt.

Im Gegensatz zu Deutschland ist die Lehre in Frankreich somit neben der vollschulisch vom Staat organisierten Berufsausbildung mit Abitur eine von zwei Optionen.

Des Weiteren besteht die Möglichkeit, nach dem Abitur in dualen Studiengängen an einer Hochschule berufsbildende Abschlüsse (zum Beispiel BTS oder DUT) zu erlangen. Dieser sehr erfolgreiche Ausbildungsweg wird von 31 Prozent der Auszubildenden wahrgenommen. In Deutschland sind unter 5 Prozent der Lehrlinge in dualen Studiengängen eingeschrieben.


Quelle: Frankreich in Deutschland, Französische Botschaft, de.ambafrance.org, 05.03.2018