Im Dienst der Fachkräftemobilität

In der Sprach- und Kulturvermittlung baut das Goethe-Institut auch bei der Begleitung von Arbeitsmigrantinnen und -migranten auf seine langjährige Expertise und ein weltweites Netzwerk. Lesen Sie dazu den Artikel aus dem aktuellen iMOVE-Exportmagazin xPORT.

junge Asiatin arbeitet am Laptop

Die Herausforderung könnte größer nicht sein. Wer sich in Vietnam auf eine Ausbildung als Pflegekraft in Deutschland vorbereitet, steht vor mannigfachen Schwierigkeiten: Nicht nur Aussprache und Satzbau der Sprachen, auch das Selbstverständnis und die Lebensart in den beiden Ländern unterscheiden sich grundsätzlich.

Ein Beispiel: In Vietnam existieren keine Altenheime und selbst im Krankenhaus ist es üblich, dass man von der eigenen Familie mit Essen, Bettwäsche und Zuwendung versorgt wird. Aus dieser Perspektive erscheint der bodenständige deutsche Berufsalltag eher befremdlich. Hier ist Pflege auch in Altenheimen gefragt und es ist selbstverständlich, fremde Menschen zu waschen und zu füttern, ihnen zuzuhören und für sie da zu sein, nicht zuletzt wenn der ersehnte Familienbesuch mal wieder ausbleibt.

Realistisches Deutschlandbild

"Falsche Erwartungen im Hinblick auf das Leben in Deutschland zu korrigieren, zählt neben einer exzellenten fach- und allgemeinsprachlichen Ausbildung zu unseren wichtigsten Aufgaben", betont Maria Merkel, Mitarbeiterin des Goethe-Instituts und Leiterin des Vivantes-Projekts in Vietnam, das als Best-Practice-Angebot rund um sprachliche und interkulturelle Qualifizierung von Pflegekräften gilt. Tatsächlich sind für die erfolgreiche Teilhabe am Arbeitsmarkt in Deutschland profunde Sprachkenntnisse und ein realistisches Deutschlandbild entscheidend. Dank höchster Qualitätsansprüche und einer weltweit großen Nachfrage spielen die Angebote des Goethe-Instituts auf diesem Markt eine herausragende Rolle.

Das Goethe-Institut Vietnam bietet in Kooperation mit dem Berliner Unternehmen Vivantes-Hauptstadtpflege und dem vietnamesischen Ministerium für Arbeit und Soziales (MoLISA) eine zwölfmonatige fachsprachliche Zusatzqualifizierung für Pflegekräfte an. Die Anwerbung der Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer liegt beim MoLISA. Mit den B2-Deutschkenntnissen, die den zukünftigen Pflegerinnen und Pflegern am Goethe-Institut Vietnam vermittelt werden, können sie eine Fachausbildung in einer Ausbildungseinrichtung in Berlin absolvieren.

Wie zukunftsweisend das Engagement des Goethe-Instituts in diesem Bereich ist, illustriert die Studie Zuwanderung und Digitalisierung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung, der zufolge bis 2060 jährlich mindestens 260.000 zusätzliche Fachkräfte in Deutschland gebraucht werden. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das 2020 in Kraft getreten ist, gilt zudem als Paradigmenwechsel und soll die Zuwanderung von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten nachhaltig erleichtern.

Wachsender Markt für Sprachlern-Angebote

Dass der Markt für Sprachlern-Angebote für Pflegekräfte schon heute stark wächst, zeigt sich auch an der weltweiten Resonanz auf das umfassende Portfolio des Goethe-Instituts. Entsprechende Qualifizierungsangebote werden insbesondere bei den Goethe-Instituten in Südamerika, Südostasien, Nordafrika und dem Westbalkan nachgefragt. Was das globale Engagement des Goethe-Instituts auf diesem Gebiet eint, ist nicht zuletzt, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit für alle Beteiligten auszahlt. Wie die Studie Fachkräftemobilität verstehen des Goethe-Instituts nahelegt, profitieren davon sowohl der deutsche Arbeitsmarkt als auch die Herkunftsländer der Fachkräfte. Exemplarisch lassen sich die Philippinen, aber auch Bosnien und Herzegowina sowie Tunesien nennen, wo das Goethe-Institut bis heute mehrere tausend Fachkräfte unter anderem im Rahmen des Projekts "Triple Win" der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) qualifiziert.

Die demografische Entwicklung in Deutschland hat längst zu einem Pflegenotstand geführt, so dass angehende Kranken- und Altenpflegekräfte zu den wichtigsten Zielgruppen sprachlicher und interkultureller Angebote zählen. Das Goethe-Institut engagiert sich bereits seit 2007 für die Qualifizierung und Beratung von Fachkräften unterschiedlicher Berufsgruppen aus dem EU-Ausland und aus Drittstaaten. Über die umfangreiche Qualifizierung von Fachkräften hinaus bietet das Goethe-Institut zahlreiche Angebote rund um kulturelle Vorintegration, die sowohl Erwerbs- als auch Familienmigrantinnen und -migranten adressieren.

Unter Vorintegration versteht das Goethe-Institut die Vorbereitung auf das Alltags- und Arbeitsleben in Deutschland, die bereits im Herkunftsland beginnt. Bei den Vorintegrationsangeboten des Goethe-Instituts handelt es sich vorrangig um Informations- und Beratungsangebote sowie um Lernförderung. Das aktuelle Projekt „Vorintegration in den Regionen Südostasien, Südosteuropa, Nordafrika/Nahost und Brasilien“ wird vom Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds kofinanziert. Weitere Informationen unter www.goethe.de/vorintegration

In seinem Engagement für Arbeitsmigration ist dem Goethe-Institut die enge Vernetzung mit anderen relevanten Akteuren der Fachkräftemigration wichtig. Dazu zählt die kontinuierliche Zusammenarbeit mit der GIZ, der ZAV, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), der Bundesagentur für Arbeit, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und den deutschen Auslandshandelskammern (AHKs), aber auch mit den Pflege- und den Arbeitgeberverbänden und beispielsweise Kliniken. Zur weiteren Abstimmung nimmt das Goethe-Institut zudem teil am "Runden Tisch der Akteure für internationale Berufsbildungszusammenarbeit", organisiert von der Zentralstelle der Bundesregierung für internationale Berufsbildungskooperation (GOVET).

Qualifizierung im Gesamtpaket

Ein vertrauensvoller Austausch unter allen beteiligten Institutionen ist die Voraussetzung dafür, den Menschen im komplexen Prozess der Fachkräfteeinwanderung Orientierung und einen verlässlichen Zugang zu Informationen zu bieten: im Rahmen von Sprachkursen und Vorintegrationsangeboten in der Heimat bis zu den Angeboten rund um die Erstintegration, wie etwa dem Webportal "Mein Weg nach Deutschland", die den Einstieg ins Alltags- und Berufsleben erheblich erleichtern.

Das Webportal "Mein Weg nach Deutschland" bildet die Basis des Projekts "Ankommen in Deutschland", das vom Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds kofinanziert wird. Es adressiert neu zugewanderte Drittstaatsangehörige, die aus beruflichen oder privaten Gründen nach Deutschland gekommen sind. Weitere Informationen unter www.goethe.de/mwnd

Darüber hinaus bringt das Goethe-Institut seine fachliche Expertise ein, unter anderem in wichtige Fachgremien wie den Beirat des Deutschen Kompetenzzentrums für Fachkräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen. Vor allem aber fließt das in jahrzehntelanger Praxis gewonnene Wissen rund um die Begleitung der Arbeitsmigration in die Entwicklung innovativer, individuell zugeschnittener Angebote, deren Formate je nach lokalen Besonderheiten und Erfordernissen variieren.

So bietet zum Beispiel das Modell der sogenannten Sprachkursbrücken sprachliche und interkulturelle Qualifizierung von internationalen Fachkräften an allen zwölf Institutsstandorten in Deutschland. Die Kurse beginnen an den Institutsorten im Heimatland der Fachkräfte, führen dort bis zum Erreichen der Niveaustufe B1 und werden dann an den Institutsorten in Deutschland bis zum Erreichen der Niveaustufe B2 fortgesetzt. Die Auftraggeber werben dadurch ausländische Fachkräfte an, die bereits im Vorfeld umfassend auf ein Leben und Arbeiten in Deutschland vorbereitet worden sind.

Die Angebote des Goethe-Instituts für ausländische Fachkräfte gibt es nicht ausschließlich für Pflegekräfte. In Belgrad läuft zum Beispiel seit einigen Jahren ein gemeinsames Projekt des Goethe-Instituts mit der Länderbahn AG, bei dem die serbischen Lokführer für den Einsatz in Deutschland bis zum Niveau B1 sprachlich qualifiziert werden.

Hohe Qualitätsstandards spielen sowohl beim Ausbildungs-Portfolio als auch beim Goethe-Test PRO Pflege, mit dem (zukünftige) Pflegekräfte Sprachkenntnisse auf Niveau B2 nachweisen können, eine wichtige Rolle. Diese Prüfung war unter anderem an den Goethe-Instituten in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt sowie an der Münchner Volkshochschule erfolgreich und wird jetzt an weiteren Standorten weltweit zum Einsatz kommen.

Der Erfolg des Vivantes-Projekts in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt basiert auf einem kommunikativen und handlungsorientierten Lehr- und Lernansatz. Die Zusatzqualifizierung verhilft 200 bis 400 Vietnamesinnen und Vietnamesen zu fachsprachlichen Deutschkenntnissen auf B2-Niveau und mündet in eine bezahlte Fachausbildung in Berlin. Über die Dauer von 13 Monaten leben die Teilnehmenden in einem Internat. Dort steht vormittags Sprachunterricht auf dem Programm, doch in den Nachmittagskursen beschäftigen sich die Auszubildenden nicht nur mit Phonetik und Fachsprache, sondern lernen auch intensiv die deutsche Kultur und Lebensweise kennen.

An persönlichen Stärken anknüpfen

Wie wichtig dabei die enge Verschränkung von sprachlicher und kultureller Vermittlung ist, betont die Projektleiterin Maria Merkel. Eine große Herausforderung ergebe sich aus dem Aufeinanderprallen unterschiedlicher Welten. "Während die Vietnamesinnen und Vietnamesen in den meisten Fällen Frontalunterricht und das Auswendiglernen von Modellsätzen erwarten, versuchen wir, sie mit ihrem neu gewonnenen Wortschatz zur freien Kommunikation zu bewegen." Rollen-, Bewegungs- und Sprachspiele aus der Theaterpädagogik hätten sich bewährt, um Menschen dazu zu bewegen, ihre Meinungen offen und angstfrei zu äußern, selbständig zu agieren und Fehler nicht als Gesichtsverlust, sondern als Teil des Lernprozesses zu begreifen. Dabei handele es sich um Verhaltensweisen, die in Vietnam eher selten Anerkennung fänden, auf deutschen Pflegestationen aber unabdingbar seien. Zugleich könnten die Pflege-Anwärterinnen und -anwärter, die ein gemeinschaftsorientiertes Leben in familiären Verbünden gewohnt sind, mit Tugenden wie Rücksichtnahme und Zusammenhalt in der stark individualisierten deutschen Gesellschaft punkten. "Sobald sie ihre Schüchternheit überwinden und sich trauen, auf Fremde zuzugehen, gewinnen sie mit ihrer liebevollen und offenen Art rasch alle Sympathien", ergänzt Merkel.

Das Erfolgsgeheimnis des Vivantes-Projekts ist wohl unter anderem im Appell an die Auszubildenden begründet, im Dienst der Integration nicht nur an den eigenen Schwächen arbeiten zu müssen, sondern auch an die persönlichen Stärken anknüpfen zu können − ein Anspruch, der sowohl die sprachliche als auch die kulturelle Qualifizierung ausländischer Fachkräfte durch das Goethe-Institut prägt.


Fachartikel "Im Dienst der Fachkräftemobilität"

Dieser Fachartikel ist dem iMOVE-Magazin xPORT, Ausgabe 1/2021, erschienen im Mai 2021, entnommen. 

  • Autorin: Kristina von Klot, freie Kultur-Journalistin

xPORT 1/2021

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Gute Deutschkenntnisse sind zentral für eine gelungene und nachhaltige Integration von Zuwandernden. Das Goethe-Institut bietet weltweit eine umfassende Vorbereitung für einen erfolgreichen Einstieg in den Arbeitsmarkt und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Projektseite Fachkräftequalifizierung beim Goethe-Institut


Quelle: iMOVE, Artikel aus xPORT-Magazin 1/2021