Attraktiv und zukunftsfest

Lernen mit digitalen Medien spielt eine immer wichtigere Rolle beim Berufsbildungsexport. Lesen Sie dazu einen Artikel von iMOVE aus dem ITB infoservice, Schwerpunkt: Digitaler Wandel durch Bildung, Forschung und Innovation.

Die Industrie der Zukunft wird einerseits von einer bisher nicht gekannten Datenflut, andererseits von einer hochkomplexen Vernetzung der Anlagen- und Unternehmensbereiche gekennzeichnet sein. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen daher mehr denn je Informationen über die Struktur digitaler, vollautomatisierter Produktionstechnologien, um für den reibungslosen Betrieb der Fabriken sorgen zu können. Darüber hinaus gefragt sind vertiefte Kenntnisse über den Aufbau und die Programmierung von digitalen Netzwerken sowie Kompetenzen in den zusammenhängenden Bereichen Elektronik, Mechanik und Informationstechnik (IT). Zu deren Vermittlung eignen sich besonders digitale Trainingsansätze.

In der vollintegrierten Lernfabrik von Festo Didactic können Menschen systematisch auf das Arbeiten in digitalisierten, komplexen Industrieumgebungen vorbereitet werden. Die Kunden der Lernfabrik kommen vor allem aus Ländern, die ihren Produktionssektor ausbauen wollen, wie Großbritannien und die USA, oder aus Regionen, die ihre Produktion auf einem hohen Niveau stabilisieren wollen. Dazu zählen Südostasien und China.

Unsichtbares sichtbar machen

In der Lernfabrik wurde das Ineinandergreifen von Produktionsvorgängen, die normalerweise unsichtbar im Hintergrund ablaufen, sichtbar gemacht. So können Lernende auf den Umgang mit Anlagenprogrammierung und Datenmanagement vorbereitet werden und es können auch Software-Lösungen weiterentwickelt und getestet werden. Das Lernen an realen Produktionsanlagen ist im Vergleich dazu teuer und gefährlich.

Die Lernfabrik ist nur ein Beispiel für die weltweit steigende Bedeutung innovativer Technologien im Bildungsbereich. Immer mehr deutsche Unternehmen für berufliche Aus- und Weiterbildung entwickeln hochwertige Bildungsangebote für das Lernen mit digitalen Medien, die auf die speziellen Bedürfnisse internationaler Kunden zugeschnitten sind.

Dabei sind viele, aber bei weitem nicht alle Lernlösungen ausschließlich webbasiert. Immer mehr Blended-Learning-Lösungen ermöglichen einfach zugängliche, intuitiv nutzbare und interaktive Lernumgebungen. Dazu zählt ein Distance-Learning-Angebot der Gesellschaft für Schweißtechnik International (GSI). Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Niederlassung im Baltikum, wo die Nachfrage nach Fernlernangeboten groß ist, entwickelten einen E-Learning-Lehrgang zum Schweißfachingenieur, der durch Präsenzphasen und Simulationen ergänzt wird.

Fehlerquellen ausräumen

Simulationen haben eine Reihe von Vorteilen. Sie ermöglichen es den Teilnehmern, sich ganz auf die einzuübende Handfertigkeit zu konzentrieren, indem Fehlerquellen, die in einer Werkstattumgebung einen Einfluss ausüben können, ausgeschaltet sind. Die GSI Baltikum nutzt ein Simulationsgerät, das für die besonders weit verbreitete Schweißtechnik des Schutzgasschweißens ausgelegt ist. Während der Simulation unterstützt das Gerät die Praxisübungen mit einem Coaching-System. Es korrigiert und legt die Bewertung jeder Schweißnaht in einer umfassenden Auswertung dar. Alle Aufgaben können beliebig oft wiederholt und ohne Materialverbrauch geübt werden.

Die meisten innovativen Lernsysteme ermutigen zur Zusammenarbeit mit anderen Lernenden und den Ausbildern. Integrierte und flexible Dialogsysteme unterstützen die kontinuierliche Fortschrittskontrolle und die laufende Berichterstattung über den aktuellen Lernstatus, sind mit unterschiedlichen mobilen Geräten nutzbar und binden vielfach soziale Medien ein.

Das Institut für Berufliche Bildung (IBB) ist einer der größten deutschen Anbieter virtueller Lernszenarien in der beruflichen Bildung. Es kooperiert mit der Live-Learning-Plattform aspidoo.com in Österreich, auf der Lernende eine breite Palette hochwertiger beruflicher Online-Weiterbildungen finden und in sogenannten virtuellen Klassenräumen lernen.

Zusammenarbeit fördern

Ein virtueller Klassenraum hat Plätze für alle Teilnehmenden und Lehrenden, ein Whiteboard und diverse Lernmittel. Allerdings existiert er nur auf dem Bildschirm eines jeden Teilnehmenden. Dieser hat Sichtkontakt via Foto zu seiner Lerngruppe, spricht über sein Mikrofon online mit anderen, stellt Fragen, präsentiert seine Arbeitsergebnisse – wie in einem normalen Präsenz-Seminar. Der Dozent steuert die Prozesse, leitet Diskussionen, organisiert Kleingruppenarbeit in "Nebenräumen", initiiert Kartenabfragen, hält Arbeitsergebnisse fest und verteilt Dokumente. In einer separaten Lernplattform werden zusätzlich unterstützende Lernmaterialien bereitgestellt.

Darüber hinaus bietet die Gamifizierung von Lerninhalten, also ihre Anreicherung mit spieltypischen Elementen, sowie ihre Darstellung in virtuellen Szenarien eine neue Art des Erfahrungslernens. Realistische Simulationen ermöglichen es, bislang unbekannte Abenteuer zu erleben, etwa eine Reise durch das Universum oder den menschlichen Körper.

Die imsimity GmbH bietet Kunden aus allen Branchen und Unternehmensbereichen Lösungen für die Visualisierung komplexer Lerninhalte und Prozesse. Dazu nutzt das Unternehmen Mixed-Reality-Technologien, zu denen Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) zählen. Mit ihrer Hilfe lassen sich viele Phänomene leichter erfassen und besser nachvollziehen.

Die VR ist eine mit Hilfe von Computertechnologie generierte digitale Lernwelt. Sie ermöglicht das "Eintauchen" der Anwender in eine in Stereo-3D visualisierte Realität und vermittelt über ihre Schnittstellen vielfältige Reize an möglichst viele Sinne der Nutzer. Anwender können sich in der VR intuitiv bewegen. Sie macht außerdem Vorgänge dreidimensional erlebbar, die in der Wirklichkeit gar nicht greifbar sind, etwa weil sie zu schnell ablaufen oder gänzlich unsichtbar sind, beispielsweise Luftströmungen und Magnetfelder.

Zusatzinformationen bereitstellen

Im Rahmen der AR können durch die geschickte Erweiterung der Realität Zusatzinformationen bereitgestellt, Prozesse analysiert und Sachverhalte interaktiv erlebbar gemacht werden. Das erhöht die Verständlichkeit und trägt zu einer nachhaltigeren Wissensvermittlung bei.

Gemeinsam mit der German Fire Protection Association (GFPA) GmbH hat imsimity für die Kuwait Fire Academy auf Basis des Cyber-Classrooms einen Brandschutzaufklärungslehrgang in der VR entwickelt. Er simuliert für die Bevölkerung das Brandverhalten in geschlossenen Räumen wie Wohnungen und Schulen und ermöglicht es, virtuell die Bekämpfung des Feuers mit unterschiedlichen Löschmitteln zu trainieren.

Die Beispiele zeigen, dass der Bedarf nach geeigneten Strategien und Instrumenten, um den Herausforderungen der modernen Arbeitswelt und speziell der Industrie 4.0 zu begegnen, überall enorm ist. Durch Lernangebote mit digitalen Medien nutzen deutsche Bildungsanbieter die Chance, den guten Ruf beruflicher Aus- und Weiterbildung aus Deutschland weiter zu stärken. Denn das Lernen mit digitalen Medien eröffnet viele Wege zu einer zukunftsfesten, attraktiven und wettbewerbsfähigen Berufsbildung.

  • Autorin: Silvia Niediek

ITB infoservice

Der Artikel ist im ITB infoservice, 14. Schwerpunktausgabe – Digitaler Wandel durch Bildung, Forschung und Innovation erschienen.

Die Publikation können Sie auf der Internetseite des Internationalen Büros des Bundesministeriums für Bildung und Forschung kostenlos herunterladen.


Quelle: ITB infoservice 01/2020, 14. Schwerpunktausgabe – Digitaler Wandel durch Bildung, Forschung und Innovation