Marokkos Berufsschule für saubere Energien

Bildung und Energiesicherheit sind zentrale Herausforderungen für die afrikanischen Länder - und Themen beim EU-Afrika-Gipfel. Marokko will beide Probleme lösen: mit einer Berufsschule für erneuerbare Energien. Deutsche Experten unterstützen das Projekt.

Wasserrauschen - dieses Geräusch liebt ganz Marokko. Denn das Land leidet zunehmend unter Dürre. Aus 150 Metern Tiefe saugt die Pumpe das Wasser in den Brunnenschacht, angetrieben wird sie von einem Solarmodul auf dem hochmodernen Campus der Berufsschule für erneuerbare Energien in Oujda, einem eher strukturschwachen Ort an der Grenze zu Algerien. Nicht ohne Stolz sagt die 20-jährige Souad, so etwas könne sie auch bauen, den Nutzen berechnen, den Kostenplan erstellen und eine dreidimensionale Zeichnung anfertigen.

Vor allem aber kann sie die Pläne auch praktisch umsetzen. Das zeigt sie mir mit dem Schweißstrahl in der Hand. Fundamente gießen, Träger schweißen, dann die Paneele im richtigen Winkel zur Sonne montieren - und alles nach europäischen Normen für die beste Ausbeute. "Das ist alles nicht schwer für uns, was wir im Klassenraum lernen, setzen wir auch praktisch um", sagt Souad.

Praxisorientierte Ausbildung

Dieser Praxisbezug sei das Pfund, mit dem die Schule wuchern könne, ein Vorbild für ganz Afrika, erklärt John Fimpel. Der Ingenieur arbeitet für die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Er berät das marokkanische Ministerium für Berufsbildung und findet, dass die handwerkliche Seite bei der Ausbildung der Facharbeiter oft zu kurz kommt: "Die Praxisanwendung findet in den klassischen Ausbildungsgängen praktisch nicht statt, da wird alles nur simuliert."

Nicht so in Oujda. Hier muss sich der Nachwuchs die Hände schmutzig machen. Die Werkshallen und Labore sind um den abgesägten Turm einer Windkraftanlage gruppiert. Hoch oben auf dem Stumpf befindet sich eine Plattform, um zu testen, ob die künftigen Facharbeiter auch schwindelfrei sind. Mehr als die Hälfte der rund 200 Auszubildenden sind Frauen.

Bis zu 7.000 Bewerber

Über einen Mangel an Bewerbern kann sich das Institut nicht beklagen. Es wurde von der Regierung und zwei Industrieverbänden gegründet und ging 2015 in Betrieb: "Jedes Jahr haben wir zwischen 5.000 und 7.000 Bewerber", sagt Direktor Mohamed Semmaa.

Die Ausbildung sei von strategischer Bedeutung für Marokko, denn das Land wolle von fossilen Energien wegkommen. Schon in gut zwei Jahren sollen mehr als 40 Prozent des Bedarfs durch Erneuerbare gedeckt werden. Wind und Sonne heißt die Formel für die marokkanische Energiewende, ergänzt durch Energieeffizienz und Biogas. Auf einen dieser Bereiche müssen sich die jungen Techniker spezialisieren.

Der 23-jährige Loukmane zeigt auf dem Testgelände die Betontanks für Biogas, die Faultürme, mit denen er sich tagtäglich beschäftigt. "Das hier ist ein chinesisches Modell, ein überirdischer Faulturm. Der andere behandelt Abwässer und produziert gleichzeitig Biogas."

Loukmane kann sich begeistern für die Technik, die so wichtig werden könnte, etwa für die Landstriche Marokkos, in denen es kaum mehr Feuerholz zum Kochen gibt und deshalb Biogas eine Lösung sein könnte: "Ich möchte mein eigenes Unternehmen gründen, denn eine solche Firma gibt in Marokko bislang nicht."

Regierung plant Großanlagen

Auch Souad träumt vom eigenen Start-up und der Marktlücke des grünen Stroms. Rund zehn Millionen Euro hat der Bau ihrer Schule in Oujda gekostet, finanziert von der Europäischen Union, Frankreich und Marokko. Zwei weitere Schulen dieses Typs sind im Bau, in Tanger am Meer für Windkraft, und in Ouarzazate im Süden, wo heute schon ein Solarkraftwerk 500 Megawatt Strom für mehr als eine Million Marokkaner erzeugt. Noch größere Anlagen sind in Planung.

Die Erneuerbaren, hofft Marokkos Regierung, könnten auch Bewegung in den Arbeitsmarkt bringen, denn heute bietet er jungen Menschen kaum Chancen.

Die 20-jährige Zineb hat 2016 ihre Prüfung in Oujda abgelegt und ist beim Vater in den Betrieb eingestiegen. Sie baut solargetriebene Pumpen für bäuerliche Genossenschaften. Von den 14 Absolventen ihrer Klasse hätten bislang aber nur fünf einen Job gefunden. Der Markt stecke noch in den Kinderschuhen.

Hoffen auf die Einspeisevergütung

Das Zauberwort, auf das alle warten, heißt "injéction" - auf Deutsch Einspeisevergütung für private Erzeuger. Wer überschüssigen Solarstrom ins Netz einspeisen kann, bekommt dann auch Geld.

Wann die Abnahmegarantie kommt, weiß keiner. Aber wenn, dann werde sich die Branche vor Aufträgen nicht mehr retten können, hofft die Auszubildende Sauad: "Mit der Einspeisevergütung werden sich die Investitionen lohnen."

  • Von Stefan Ehlert, ARD-Studio Rabat

Quelle: tagesschau.de, 28.11.2017