Nepal braucht Fachkräfte

Der Verein Zukunft für Nepal Ostwürttemberg baut derzeit in Nepal ein Ausbildungszentrum.

Unsere Redakteurin Anja Lutz hat mit der ersten Vorsitzenden Petra Pachner über das Projekt gesprochen.

Was ist genau geplant?

In Kooperation mit der nepalesischen Sheshkant Foundation, vielen engagierten Privatleuten und Unterstützern aus Wirtschaft und Politik haben wir den Bau eines Ausbildungszentrums für Metall, Holz und Textil in Dhunibesi Dhading, außerhalb von Kathmandu, initiiert. Weiterhin sollen eine Schule beziehungsweise eine Berufsschule sowie Wohngebäude für Jugendliche aus den entlegenen Bergdörfern entstehen.

Wie sieht das nepalesische Bildungssystem aus?

Das Bildungssystem in Nepal ist defizitär und der daraus resultierende Bildungsstand ist im Vergleich zu Europa deutlich niedriger. Zusätzlich hat der über zehn Jahre andauernde Bürgerkrieg zwischen 1996 und 2006 das marode Bildungssystem weiter in Mitleidenschaft gezogen. Viele Menschen, die vor allem von Ackerbau und Viehzucht leben, mussten damals bereits aus Angst vor Gewalt ihre Dörfer verlassen. Auch das Erdbeben im Jahr 2015, das bestimmte Gebiete in Nepal nahezu vollkommmen zerstörte, verschlechterte die Infrastruktur und die Versorgung der Bevölkerung.

Warum ist ein Ausbildungszentrum dort nötig?

Über 75 Prozent der jungen Nepalesen haben keinen Zugang zu beruflicher Ausbildung. Weil sie in ihrem Heimatland keine Perspektive sehen, reisen viele Nepalesen in die Emirate, um dort unter menschenunwürdigen Bedingungen zu arbeiten. Viele kommen nie mehr zurück. Sie sterben zum Teil an den Strapazen.

Weil es keine Fachkräfte in Nepal gibt, investieren keine Firmen. Ein Teufelskreis. Deshalb wollen wir Fachpersonal direkt im Land ausbilden und so jungen Menschen eine berufliche Perspektive geben. Gespräche mit Unternehmen vor Ort haben gezeigt, dass ein großer Bedarf an Fachkräften besteht. Jeder Azubi unserer Ausbildungswerkstatt wird ab sofort nach erfolgreichem Abschluss einen Arbeitsplatz haben.

Durch einen temporären Einsatz während der Ausbildung in Betrieben vor Ort, realisieren wir ein Duales Ausbildungssystem, das die Jugendlichen optimal auf den Berufsalltag vorbereitet. Erste Verträge mit Firmen sind bereits abgeschlossen.

Wie konnte das alles realisiert werden?

Das ging nur durch ein gutes Netzwerk. Das Land für die Ausbildungswerkstatt hat der Verein von einem dankbaren Dorfbewohner geschenkt bekommen. Ein nepalesischer Bauingenieur erstellt die Pläne zum Selbstkostenpreis. Die Firma Voith spendet den Hauptteil der Maschinen für die Ausbildungswerkstatt, die Fima Logwin Air and Ocean verschickt sie kostenlos nach Nepal. Vom nepalesischen Finanzminister haben wir die Zusage erhalten, die Maschinen zollfrei einführen zu dürfen.

Welche Berufe können die jungen Leute dort erlernen?

Wir starten mit 30 Jugendlichen, die zu Elektrikern, Schweißern, Industriemechaniker und Holzkunsthandwerk ausgebildet werden.

Nach welchen Richtlinien wird ausgebildet?

In Nepal bietet das sogenannte CTEVT (Council for Technical Education and Vocational Training) ein Curriculum für verschiedene Ausbildungsberufe an. Allerdings entspricht das nicht ganz den Interessen am Ausbildungs- beziehungsweise Industriemarkt. Deshalb sind wir dabei, verschiedene Ausbildungskonzepte nach europäischen Standards zu erarbeiten.

Dazu arbeiten wir mit lokalen Dachverbänden und Industrieunternehmen zusammen. Das Curriculum wird vom CTEVT übernommen und an die Bedürfnisse der kooperierenden Unternehmen angepasst.

Wie ist der aktuelle Stand?

Aktuell werden die Metallwerkstatthalle und die Holzwerkstatthalle gebaut. Im Februar reist mein Mann, Herwig Jantschik, zusammen mit Voith-Azubis nach Nepal. Sie bauen die Maschinen auf und nehmen diese in Betrieb. Im Frühjahr kommen dann Nepalesen nach Heidenheim, um nach dem "Train the Trainer"-Konzept ausgebildet zu werden. Anfang 2019 soll die Werkstatt in Betrieb gehen.


Quelle: schwäbische, schwaebische.de, 02.01.2019