Chinas Entwicklung zum Hochlohnland erfordert neue Personal-Strategien

Die Diskrepanz zwischen Anforderungsprofilen offener Stellen und verfügbaren Bewerberinnen und Bewerbern bleibt ein großes Thema in der Volksrepublik China.

Die Volksrepublik (VR) China befindet sich, politisch unterstützt, auf dem Weg zum Hochlohnland. Der Umgang mit den steigenden Gehaltskosten bildet deshalb im Bereich Personal die Hauptherausforderung für deutsche Firmen.

 

Steigende Arbeitskosten beschäftigen Unternehmen

 

Für das Gros der deutschen Unternehmen in der VR China sind steigende Arbeitskosten das zentrale Thema im Bereich Personal, so die in der zweiten Jahreshälfte 2013 durchgeführte "Wage and Salary Survey 2013" der Deutschen Handelskammer in China (German Chamber of Commerce in China). An zweiter und dritter Stelle folgen die Besetzung offener Stellen mit geeigneten Arbeitskräften und das Halten derselben.

In der Tat haben sich die durchschnittlichen Bruttomonatslöhne in den vergangenen zehn Jahren - nicht zuletzt mit Rückendeckung der Politik - um jeweils zum Teil weit mehr als 10 Prozent pro Jahr nach oben bewegt.

Positiv für die Arbeitgeber wirken sich derzeit jedoch das im Vergleich zu den vorangegangenen Dekaden nicht mehr ganz so dynamische Wirtschaftswachstum und die geringere Inflation aus. Im Jahr 2013 wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) "nur" noch um 7,7 Prozent, für 2014 werden rund 7,3 bis 7,5 Prozent erwartet. Der Konsumentenpreisindex stieg 2013 lediglich um 2,6 Prozent, für 2014 sind circa 3 Prozent prognostiziert.

In der Folge dreht sich die Lohnspirale etwas weniger schnell nach oben. Nachdem die durchschnittlichen Bruttomonatslöhne 2012 gerade noch um 11,9 Prozent gestiegen waren, dürfte der Zuwachs 2013 und auch 2014 ähnlich hoch oder etwas niedriger ausfallen. Trotzdem sieht beispielsweise der "2014 Hays Asia Salary Guide" in der VR China die höchsten Gehaltssteigerungen in Asien.

Ein zentrales Ziel der chinesischen Politik ist die Stärkung der Binnennachfrage. Hinzu kommt, dass sich die neue chinesische Führung einer ökonomischen Umorientierung verschrieben hat. Sie will das Land von einer Lowtech- in eine Hightechnation mit einem entsprechend höheren Lohnniveau überführen.

Darüber hinaus ist die Politik bereits seit Jahren bestrebt, die Schere zwischen Arm und Reich zum Erhalt der sozialen Stabilität nicht zu groß werden zu lassen. Deshalb werden die - regional unterschiedlichen - Mindestlöhne in der Regel jährlich nach oben angepasst - allein 2013 in 26 Provinzen um im Durchschnitt 18 Prozent.

In der Regel weisen die Provinzhauptstädte die jeweils höchsten Mindestlöhne auf. An den Erhöhungen orientieren sich die Steigerungen der darüber liegenden Lohn- und Gehaltsgruppen. In der Summe kommt für den Arbeitgeber darüber hinaus hinzu, dass die Mindest- sowie die Durchschnittslöhne zur Berechnung der Lohnnebenkosten herangezogen werden.

Es ist davon auszugehen, dass die Mindestlöhne auch künftig kontinuierlich angepasst werden. Zumindest bis 2015 will der Staatsrat eine jährliche Erhöhung von wenigstens 13 Prozent durchsetzen. Politisches Ziel ist eine Höhe von 40 Prozent der jeweiligen Durchschnittsgehälter.

Steigende Lohn- und Gehaltskosten gelten als typisches Phänomen für aufstrebende Wirtschaftsnationen und stellen für Unternehmen kein unlösbares Problem dar, sofern sie mit entsprechenden Produktivitätszuwächsen verknüpft sind.

Dies trifft (bei allen Schwierigkeiten in der Berechnung) auch auf die VR China zu: Auf Basis der offiziellen Daten des National Bureau of Statistics (NBS) lagen die Produktivitätszuwächse zwischen 2002 und 2012 in der Regel über den Lohnsteigerungen. Kritiker bemerken jedoch, dass der von einer sehr ineffizienten Basis kommende Primärsektor den Durchschnitt nicht unerheblich angehoben hat, während Produktivitätsgewinne in der Produktion deutlich schwerer zu erzielen sind.

Ein Drittel aller Unternehmen der erwähnten Untersuchung der Deutschen Handelskammer in China gab 2013 an, dass ihre Produktivitätsfortschritte unterhalb der Lohnzuwächse lägen. Fachkräfte zur Effizienzsteigerung und Kosteneinsparung sind daher zunehmend gefragt. Ebenso steigt die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitern und Programmierern, um die Automatisierung umsetzen zu können.

 

Produktionsverlagerungen werden angedacht

 

Andere Firmen denken über Produktionsverlagerungen nach - sei es ins noch preiswertere chinesische Hinterland oder gar ins Ausland. Als alternative Standorte werden immer wieder Vietnam, Indonesien oder Malaysia genannt. Auch deutsche Unternehmen geben an, sollte sich der Trend fortsetzen, ernsthaft zu erwägen, Teile ihrer Produktion wieder in die Heimat zurückzubringen oder Standorte in Osteuropa zu präferieren.

Abgesehen von den steigenden Lohnkosten häufen sich Klagen über Engpässe bei der Rekrutierung von Arbeitskräften - sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur.

Laut Ministry of Human Resources and Social Security (MOHRSS) waren 2012 insgesamt 767 Millionen Chinesen erwerbstätig (2,8 Millionen Menschen respektive 0,4 Prozent mehr als im Vorjahr), 2013 soll der Wert nach vorläufigen Angaben bei 770 Millionen gelegen haben. Damit setzt sich mit Blick auf die Zahl der Erwerbstätigen der seit Jahren zu beobachtende Aufwärtstrend fort.

Mit dieser Entwicklung hält indessen das Wachstum der Bevölkerung nicht mit, dieses lag 2012 bei 4,95 Promille. Tatsächlich war 2012 das erste Jahr überhaupt, seit diese Zahl erfasst wird, in der sich die chinesische Bevölkerung im Arbeitsalter von 15 bis 59 Jahren verringerte, nämlich gegenüber 2011 um 3,45 Millionen auf 937 Millionen Personen. Bis 2023 soll sich der jährliche "Schwund" auf 8 Millionen Personen erhöhen, analysierte die Zeitung China Daily.

Allerdings sind noch nicht alle Arbeitsreserven ausgeschöpft. So bestehen gerade im Primärsektor (speziell in der Landwirtschaft) noch gewisse Puffer. Hier arbeiteten 2012 rund 33,6 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung, obwohl der Sektor nur rund 10,1 Prozent zum BIP beitrug (zum Vergleich: in der verarbeitenden Industrie 30,3 Prozent und im Dienstleistungssektor 36,1 Prozent). Eine weitere "Stellschraube" zur Vergrößerung der Erwerbsbevölkerung wäre die diskutierte Erhöhung des Rentenalters. Dieses liegt für Männern derzeit bei 60 und für Frauen bei 55 Jahren, bei gesundheitsbelastenden Tätigkeiten jeweils um fünf Jahre niedriger.

 

Nachholende Lohnentwicklung in den Zentralprovinzen und im Westen

 

In den vergangenen zehn Jahren haben sich die durchschnittlichen Bruttomonatslöhne um zum Teil weit über 10 Prozent pro Jahr nach oben bewegt. Das nachlassende Wirtschaftswachstum und die vergleichsweise geringe Inflationsrate tragen jedoch derzeit zu einer Verlangsamung der Lohnentwicklung bei. Dies gilt speziell für die östlichen Landesteile.

Dagegen findet in den Zentralprovinzen und im Westen - nicht zuletzt politisch forciert - eine nachholende Entwicklung statt. An der Spitze lagen 2012 laut NBS (jüngste verfügbare Zahlen) Gansu und Xinjiang mit einem Zuwachs von 17,4 und 16,6 Prozent; zum Vergleich: Shanghai lediglich 4,1 Prozent, allerdings auf erheblich höherem Niveau. Im Schnitt übertreffen die Löhne und Gehälter in den sogenannten Städten der ersten Reihe schon diejenigen der zweiten Reihe um 40 Prozent.

Die durchschnittlichen Bruttomonatslöhne der städtischen Arbeiter und Angestellten erreichten 3.897 RMB (Renminbi) - das waren umgerechnet rund 629 US-Dollar - ein nominales Plus von 11,9 Prozent (aber 2,5 Prozentpunkte unter dem Zuwachs von 2011).

Nach Angaben des Statistikbüros verdienten die Beschäftigten von städtischen Kollektivbetrieben mit 2.815 RMB pro Monat am wenigsten, während Aktiengesellschaften mit 4.688 RMB die höchsten Durchschnittslöhne und -gehälter bezahlten. Unternehmen mit ausländischer Beteiligung oder 100-prozentige Auslandstöchter lagen mit 4.657 RMB das zweite Jahr in Folge nur noch an zweiter Stelle.

Generell ist eine Verringerung der Lohndifferenz zwischen Unternehmen mit Auslandskapital und denjenigen anderer Eigentumsformen zu beobachten. Verdienten beispielsweise Angestellte in Unternehmen mit Auslandskapital 1995 im Durchschnitt noch 58 Prozent mehr als Angestellte in Staatsbetrieben, so waren es 2012 nur noch 15 Prozent.

 

Hinweis:

 

Dieser Artikel wurde stark gekürzt. Die Vollversion der "Lohn- und Lohnnebenkosten - VR China" mit weiteren Informationen zum Lohngefüge, zur Sozialversicherung und zum Arbeitsrecht ist auf der Internetseite von Germany Trade and Invest GTAI nach einer kurzen, kostenlosen Registrierung abrufbar.


Quelle: Germany Trade and Invest GTAI, Die GTAI Online-News 23.04.2014