China: Englische Sprache für die Karriere

Englisch ist in China wichtig für die Karriere. Doch die Angst vor dem Gesichtsverlust macht das Lernen schwerer. Der China-CEO (Chief Executive Officer) von Education First erklärt, wie sich das Problem lösen lässt.

"Do you speak English?" Jüngere Chinesen nicken meist, wenn sie diese Frage hören. Die Älteren dagegen schütteln oft verwirrt den Kopf. Für beide Gruppen, für die Alten und die Jungen, wird Englisch zusehends wichtiger. Die Beherrschung der Sprache ist oftmals Voraussetzung für beruflichen Erfolg im Reich der Mitte, schon im Säuglingsalter werden die Chinesen deshalb mit englischen Vokabeln beschallt. Auch Berufstätige nehmen zusätzliche Englischstunden.

Davon profitieren westliche Sprachschulen wie EF Education First. Das schwedische Unternehmen hat inzwischen 200 Niederlassungen in China, die Nachfrage wächst. Trotzdem wird es noch mindestens zwanzig Jahre dauern, bis China in Bezug auf die Englischkenntnisse zum Westen aufschließt, schätzt China-CEO Bill Fisher.

Die Welt: In China ist es sehr wichtig, das Gesicht zu wahren. Viele Chinesen haben Angst, öffentlich Fehler zu machen. Ist das ein Hindernis beim Englischlernen?

Bill Fisher: Ja, in jedem Fall. In China ist es schwer, die Sprache vom Kopf in den Mund zu bekommen. Wir setzen alles daran, dass unsere Schüler die Angst vor dem Gesichtsverlust vergessen. Die Sprachschulen haben deshalb Zonen, in denen nur Englisch gesprochen werden darf. Man lernt eine Sprache eben nur, wenn man Fehler machen darf. Das können wir den Eltern unserer Schüler jedoch nur schwer begreiflich machen. Die sind noch ganz anders erzogen worden.

Dazu kommt: China ist ein riesiges Land. Aus dem Grund wird es bestimmt noch zwanzig Jahre dauern, bis ein ähnliches Englischniveau wie in westlichen Ländern erreicht ist.

Die Welt: Sprache ist ja auch immer ein Zeichen für Macht. Haben Sie es als Englisch sprechender Amerikaner in China schwer?

Fisher: Nein. Die Chinesen sind viel zu praktisch für solche Animositäten. Damit das Land auf Dauer international Erfolg hat, muss es eine Schicht geben, die gut Englisch spricht. Englisch wird in China als Beschleunigungsmittel für die Wirtschaft gesehen.

Die Welt: China wird von einer Partei zentral regiert. Wie stark wird in Ihre Lehrinhalte eingegriffen?

Fisher: Wir müssen natürlich unsere Lehrpläne absegnen lassen. Ich erinnere mich, dass wir in den 90er-Jahren ein Kapitel über Proteste in unseren Lehrbüchern hatten. Das gefiel den Chinesen nicht. Sie fragten uns höflich, ob wir noch andere Ideen für dieses Kapitel hätten. Abgesehen davon hatte ich den Eindruck, dass die chinesischen Regulierungsbehörden vernünftig mit uns umgehen.

Die Welt: Wie war das, als Sie die erste westliche Sprachschule in China gründeten?

Fisher: Vor zwanzig Jahren haben wir die erste Niederlassung eröffnet. Bis heute machen wir Witze über diese Zeit. Eigentlich sollten wir ein Buch schreiben mit dem Titel "So machen Sie keine Geschäfte in China". Ehrlich gesagt, es war ziemlich schwierig, die Genehmigungen zu bekommen. Es dauerte. Nach zehn Jahren waren wir erst in 20 Städten vertreten. Heute haben wir rund 200 Schulen in China.

Die Welt: Ihre Branche steht vor einer großen Veränderung. Digitales Lernen ersetzt mehr und mehr den klassischen Gruppenunterricht im Klassenraum.

Fisher: Das stimmt. Wir haben sehr viel mehr Schüler, die digital mit einer Software lernen, als die, die physisch zum Unterricht kommen. 2.000 unserer Lehrer weltweit unterrichten nur online, über Skype. Wenn Sie sich die Preise anschauen, verschiebt sich das Bild, online sind die Preise niedriger. Mit unseren Offline-Sprachzentren verdienen wir also deutlich mehr.

Die Welt: In China gibt es viele Online-Plattformen, auf denen Lehrer ihre Dienste anbieten. Ruinieren die Ihnen nicht das Geschäft?

Fisher: Nein. China ist ein sehr junger Markt, wo die Leute die Grundlagen lernen müssen. Es geht weniger darum, Konversationen zu führen. Vorerst sind diese Plattformen daher keine Bedrohung für uns.

Die Welt: Wer eine Sprache lernen will, muss bereit sein, sich dem "anderen" zu öffnen. Ist das ein Problem für Ihre Studenten hier in China? Im Ausland, zum Beispiel in London, sind immer wieder Chinesen zu beobachten, die nur mit ihresgleichen verkehren und vor allem chinesisch sprechen.

Fisher: China ist ein monolithisches Land, Minderheiten spielen praktisch keine Rolle. Das beeinflusst vielleicht die Bereitschaft, sich zu öffnen. Dazu kommt die Unsicherheit – wenn Sie nicht gut Englisch sprechen, sind Sie weniger bereit, in der fremden Sprache zu kommunizieren.

Die Welt: Sie bieten in Ihren Schulen in China nur Englisch an. Ist das noch zeitgemäß?

Fisher: Der Großteil der Chinesen will immer noch Englisch lernen. In reichen Städten wie Shanghai und Peking gibt es daneben einen wachsenden Anteil an Leuten, die Französisch, Spanisch oder Deutsch lernen wollen.

In Europa ist es wegen der geografischen Nähe selbstverständlicher, verschiedene Sprachen zu lernen. Die Chinesen dagegen haben fundamentalere Bedürfnisse. Sie wollen in der Lage sein, sprechen zu können, in einer Sprache, die die meisten Menschen auf der Welt verstehen.

Die Welt: In Europa wächst das Interesse an Chinesisch. Sprechen Sie Chinesisch, als Chef einer Sprachschule in China?

Fisher: Ich bin wahrscheinlich ein wirklich schlechtes Vorbild. Ich spreche nur zwei Sprachen – Englisch und Schwedisch. Ich habe mal sechs Jahre in Stockholm gelebt. Wir Amerikaner sind hier ein bisschen schwach auf der Brust. Wir werden in der Schule einfach nicht genug gezwungen, andere Sprachen zu lernen.

Die Welt: Sind Sie vielleicht zu alt dafür?

Fisher: Na ja, Chinesisch ist eine wirklich schwere Sprache. Sie müssen sehr ambitioniert sein, um das zu lernen. Dazu kommt: China lernt viel schneller Englisch, als dass der Rest der Welt Chinesisch lernt. Es ist ein Milliardenvolk, das bald Englisch spricht – müssen wir dann wirklich in die andere Richtung lernen?

Natürlich ist man aufnahmefähiger, wenn man jünger ist. Ich bin traurig, dass ich nicht mehr Zeit gehabt habe, Chinesisch zu lernen. Ich habe gerade eine Chinesin geheiratet, aus Wuhan in Zentralchina. Sie sprechen einen lokalen Dialekt dort, den ich erst recht nicht verstehe. Bei einem Essen im Kreise der Familie wusste ich nicht, worüber zwei Drittel der Gäste sprachen.

Die Welt: Lernen Sie daraufhin jetzt Chinesisch?

Fisher: Nach dem Dinner mit der Familie habe ich zu meiner Frau gesagt, dass ich Wuhanesisch lernen muss. Sie sagte, so ein Quatsch, das spricht in China keiner, kein Ausländer hat jemals Wuhanesisch gelernt. Der nächste Schritt für mich ist jetzt, Mandarin zu lernen.

Quelle: DIE WELT, 29.11.2014