Deutschunterricht in Polen - Fakten und Mythen

erwachsene Schüler im Unterricht

In polnischen Schulen lernen 43 Prozent eines Jahrgangs Deutsch. Es wäre zu erwarten, dass in Polen Deutschkenntnisse allgegenwärtig sind. Dennoch suchen viele Unternehmen vergeblich nach Personal mit gutem Deutsch. Konstrukteure, Informatiker, technische Angestellte, Vertriebsmitarbeiter und Vertreter von kaufmännischen Berufen mit sehr guten Deutschkenntnissen sind schwer zu finden. Eine Chance für deutsche Anbieter?

Jeder zweite Pole beherrscht eine Fremdsprache. Nach den Umfragen des polnischen Meinungsforschungsinstituts CBOS aus dem Jahr 2012 können sich 51 Prozent der Polinnen und Polen in einer Fremdsprache verständigen.

Englisch steht unangefochten an erster Stelle. Rund ein Drittel der Jugendlichen beherrscht diese Sprache.

Deutsch steht an zweiter Stelle. Fast 17 Prozent der jungen Menschen geben an, diese Sprache zu können (Quelle: Internetseite Language knowledge in the European Union). 1,8 Millionen Schülerinnen und Schüler lernen Deutsch als erste oder zweite Fremdsprache in der Schule. Das sind über 43 Prozent eines Jahrgangs.

Nach diesen positiven Zahlen wäre zu erwarten, dass die Deutschkenntnisse in Polen allgegenwärtig sind. Und doch suchen viele Unternehmen vergeblich nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit gutem Deutsch. Konstrukteure, Informatiker, technische Angestellte oder Vertriebsmitarbeiter und Vertreter von kaufmännischen Berufen mit sehr guten Deutschkenntnissen sind schwer zu finden.

Bleibt die Frage: Warum?

Lehrer schreibt an Flipchart

Großes Angebot, aber zu wenig durchdachte Konzepte

Deutsch kann man an 3.477 privaten Fremdsprachenschulen lernen. Germanistik oder Neuphilologie bieten 18 staatliche Universitäten und viele private Hochschulen an. Tausende von Studierenden können auch an Lektoraten teilnehmen.

Im Jahr 2010 gab es in Polen 20.370 Lehrerinnen und Lehrer für Deutsch. Tausende polnischer Schülerinnen und Schüler lernen Deutsch. Aber ihre Ergebnisse entsprechen nicht den Anforderungen. Wo liegt das Problem?

Das Problem liegt am System. Die Qualität des Deutschunterrichts in der Schule lässt zu wünschen übrig.

Eine große Anzahl der Deutschlehrerinnen und -lehrer hat nur sehr begrenzte Kontakte zu Deutschland und zu Muttersprachlern. Außerdem fehlt es an modernen Lehrmethoden. Stundenpläne sehen lediglich ein bis drei Deutschstunden pro Woche vor. Das gleiche gilt für Universitäten und Hochschulen.

Diese Faktoren führen im Ergebnis zu ungenügenden Deutschkenntnissen.

erwachsene Schüler beim Unterricht

Früh übt sich, was ein Meister werden will

Die Effektivität des Lernens kann durch die Steigerung der Attraktivität des Deutschunterrichts besonders in Grund- und Mittelschulen verbessert werden.

Das Deutsche Sprachdiplom (DSD), eine Initiative der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) und der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), sowie die Deutsch-Wagen-Tour, eine Initiative des Goethe-Instituts, sind zwei gute Beispiele zur Verbesserung der Lerneffektivität.

Beide Initiativen steigern das Interesse an der deutschen Sprache durch attraktive Unterrichtsangebote und international anerkannte Diplome. Spielen, praktisches Üben, Kennenlernen des heutigen Deutschlands und die Digitalisierung des Unterrichts erhöht die Effektivität und soll vor allem das Interesse junger Polen am Deutschunterricht wecken.

Die Jugendarbeit unterstützen unter anderem auch der Polnische Verband der Deutschlehrer (Polskie Stowarzyszenie Nauczycieli Jezyka Niemieckiego), das Österreichische Institut, die Robert Bosch Stiftung und das Deutsch-Polnische Jugendwerk.

Dabei geht es neben dem reinen Fremdsprachenunterricht auch um die Gestaltung eines modernen Deutschland-Bildes und um die Förderung bilateraler Beziehungen. Auch die Auslandshandelskammer (AHK) Polen spielt dabei eine wichtige Rolle.

erwachsene Schüler im Unterricht

Positive Anreize erhöhen Motivation

Auch die besten Ansätze helfen wenig, wenn der Nutzen nicht ersichtlich ist. Die heutige Unternehmensrealität in Polen lässt Zweifel am Nutzen von guten Deutschkenntnissen aufkommen.

Einige deutschstämmige Unternehmen in Polen fordern Deutschkenntnisse bei der Einstellung und fördern den Deutschunterricht ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Viele Unternehmen sind aber dazu übergegangen, Englisch als Unternehmenssprache zu etablieren. Damit senden sie ein Signal an die junge Generation, dass Deutschkenntnisse für das berufliche Vorwärtskommen irrelevant sind. So haben in den Jahren 2003 bis 2013 nur 791 Polinnen und Polen die Prüfung "Wirtschaftsdeutsch" abgelegt.

Die geringe Unterstützung für den Deutschunterricht seitens der Unternehmer senkt die Motivation der Lernenden. Diejenigen Unternehmen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Deutschkenntnissen suchen, finden keine geeigneten Bewerber. So schließt sich der Kreis.

Es ist zu hoffen, dass sich dieser Trend bald wendet. Hilfreich dabei können Angebote für Spezialisten sein, die den Unternehmen helfen, branchenspezifische Sprachkurse für ihre Belegschaft zu organisieren. Daher bleibt noch viel zu tun.

 

  • Autorin: Maria Montowska, Direktorin Aus- und Weiterbildung, Direktorin Mitgliederservice, Auslandshandelskammer Polen

Quellen

 

Ministerium für Wissenschaft und Hochschulbildung / Ministerstwo Nauki i Szkolnictwa Wyższego (2014): Wspieranie rozwoju polskich uczelni poprzez inicjowanie zmian legislacyjnych.[sinngemäß: Entwicklung polnischer Universitäten], Status: 15.07.2014, Internet: nauka.gov.pl (polnisch) 
Deutsch-Polnische Industrie- und Handelskammer, Broschüre "Berufliche Aus- und Weiterbildung", Warschau, 2013
Bericht Meinungsforschungsinstitut CBOS zu den Themen Auslandsreisen und Fremdsprachenkenntnisse, Titel: Polacy poznaja Świat, czyli o zagranicznych Wyjazdach i Znajomosci jezykow obcych, BS/148/2012, Internet: cbos.pl/SPISKOM.POL/2012/K_148_12.PDF
Language knowledge in the European Union, Internet: languageknowledge.eu

 

Titel der Marktstudie, Text: Marktstudie Polen für den Export beruflicher Aus- und Weiterbildung

iMOVE-Aktivitäten Polen 2015

iMOVE plant für das laufende Jahr folgende Aktivitäten zum Berufsbildungsmarkt Polen:

 

  • iMOVE-Marktstudie Polen; geplant für März
  • iMOVE-Länderseminar Polen; geplant für Oktober

Quelle: iMOVE