Russische Mitarbeiter suchen Aufstiegschancen und modernen Führungsstil

Deutsche Unternehmen finden immer schwerer geeignetes Personal für ihre Geschäfte in Russland. Der Arbeitsmarkt ist vor allem in den großen Metropolen leergefegt, in Moskau ist ein regelrechter Kampf um die besten Köpfe entbrannt.


Moskau (bfai) - Deutsche Unternehmen finden immer schwerer geeignetes Personal für ihre Geschäfte in Russland. Der Arbeitsmarkt ist vor allem in den großen Metropolen leergefegt, in Moskau ist ein regelrechter Kampf um die besten Köpfe entbrannt.

 

Personal wird immer teurer

Beim Gehalt können ausländische Firmen längst nicht mehr mit den Angeboten der großen russischen Konzerne mithalten. Nun müssen sie andere Anreize schaffen, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden.

Die offiziellen Durchschnittslöhne in Russland haben Anfang 2008 erstmals das Niveau von umgerechnet 400 Euro pro Monat überschritten. Nach realen Zuwächsen von 16 Prozent im Jahr 2007 auf 13.518 Rubel steigen die Löhne und Gehälter auch 2008 unaufhörlich weiter.

Auf das Jahr hochgerechnet dürften Arbeiter und Angestellte real wieder 10 bis 15 Prozent mehr Geld verdienen. Die Angaben des Statistikamtes sind aber nur ein Anhaltspunkt für das Gehaltsniveau in Russland. In der Praxis werden gerade von ausländischen Unternehmen weitaus höhere Löhne gezahlt.

Angesichts der geringen Erwerbslosenquote in Moskau und anderen Millionenstädten ist es dennoch nicht leicht, die Mitarbeiter zu halten. Das so genannte Job-Hopping, also das häufige Wechseln des Arbeitgebers, ist gang und gäbe. Den Arbeitnehmern kommt dabei eine Kündigungsfrist von nur 14 Tagen entgegen, um sich neue Brötchengeber zu suchen, die ein paar Rubel mehr bieten.

Besonders russische Großkonzerne, die von den hohen Rohstoffpreisen oder dem starken Binnenkonsum profitieren, zahlen ihren Führungskräften inzwischen meist deutlich höhere Gehälter als die Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen. Außerdem können gerade junge Mitarbeiter bei russischen Firmen auf der Karriereleiter schneller nach oben klettern.

Gehaltsumfrage unter deutschen Unternehmen

Ein Billiglohnland sei Russland nicht mehr, und niedrige Gehälter seien längst nicht mehr die Hauptmotivation, hier zu investieren, betonte Maria Smid von Kienbaum während der Personalkonferenz der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) Mitte April 2008 in Moskau. Vielmehr gehe es darum, auf diesem wichtigen Markt vertreten zu sein.

Die Lohnsteigerungen bei deutschen Unternehmen in Russland liegen deutlich unter dem Landesdurchschnitt und betrugen im Zeitraum 1.8.06 bis 1.8.07 zum Beispiel 11,6 Prozent (auf Eurobasis). Das hat die jüngste Gehaltsumfrage der AHK Moskau in Zusammenarbeit mit Kienbaum Consultants International ergeben.

Demnach verdienen Geschäftsführer (inklusive Generaldirektor) bei deutschen Tochtergesellschaften in Russland durchschnittlich 97.000 Euro im Jahr. Führungskräfte bekommen 47.000 Euro, Experten 33.000 Euro, Fachkräfte 20.000 Euro und Arbeiter 13.000 Euro. Allerdings ist die Spannbreite der von den Befragten genannten Jahresgesamtbezüge enorm.

Bei Geschäftsführern reicht sie zum Beispiel von 21.000 Euro bis 386.000 Euro. Als Faustregel gilt: Je größer das Unternehmen, desto höher das Gehalt der Führungskräfte.

Bei den Werten ist zu berücksichtigen, dass sie zu 70 Prozent aus dem Grundgehalt bestehen und zu rund einem Drittel aus variablen Bestandteilen. Damit sollen vor allem die Führungskräfte am Unternehmenserfolg beteiligt und stärker motiviert werden. Nach Meinung der Kienbaum-Experten stärkt die erfolgsabhängige Bezahlung zudem die Identifikation mit dem Arbeitgeber.

Da westliche Firmen in Russland ihre Top-Positionen oft mit Expats besetzen und somit den russischen Mitarbeitern weniger steile Aufstiegschancen bieten, müssen sie auf anderem Wege gute Leute rekrutieren und binden. International bekannte Firmen haben es leichter, weil es für Russen immer noch prestigeträchtig ist, bei Porsche, BMW oder Volkswagen zu arbeiten.

"Wichtig ist aber auch, wie ein Unternehmen mit dem Personal umgeht", sagt Jochen Scholz, der für den TÜV Süd in Russland arbeitet und Vorsitzender des Personalkomitees bei der AHK Moskau ist. "In russischen Unternehmen wird vieles von oben diktiert, während die Mitarbeiter bei westlichen Firmen in der Regel auch selbst Entscheidungen treffen und eigenständiger arbeiten können."

Private Krankenversicherung und Möglichkeiten zur Weiterbildung als zusätzliche Anreize

Wie die Gehaltsumfrage ergeben hat, zahlen viele deutsche Unternehmen ihren russischen Mitarbeitern eine private Krankenversicherung, sorgen für kostenlose Verpflegung im Betrieb oder organisieren den Transport von der nächstgelegenen Metrostation zur Arbeit und zurück.

Außerdem sollten die Arbeitgeber den russischen Mitarbeitern Möglichkeiten zur Weiterbildung bieten oder Auslandsaufenthalte in Deutschland ermöglichen, empfiehlt Kienbaum-Expertin Smid.

Nahezu ein Muss für Geschäftsführer ist ein Dienstwagen, den 67 Prozent der an der Gehaltsumfrage beteiligten Unternehmen angeschafft haben. Unter den Führungskräften hat etwa jeder Dritte einen Dienstwagen. Für die unteren Gehaltsgruppen haben sich auch Lebens- und Unfallversicherungen bewährt, um Personal zu binden.

Einige deutsche Unternehmen (rund 10 Prozent der Befragten) stellen ihren Mitarbeitern auch Darlehen für den Wohnungskauf und seltener für ein Auto zur Verfügung. Jeder dritte Angestellte einer deutschen Firma in Russland bekommt laut der Umfrage Essensbons, 7 Prozent der Fach- und Führungskräfte erhalten Personalrabatt.

Als Orientierungsgröße für die Lohnunterschiede in einzelnen Branchen und Regionen Russlands können die offiziellen Angaben des Statistikamtes herangezogen werden. Demnach ist das Gehaltsniveau in Südrussland am geringsten, in Moskau und Sankt Petersburg naturgemäß am höchsten.

Im Branchenvergleich wird in der Landwirtschaft und Textilindustrie am wenigsten bezahlt. Besonders gut entlohnt werden Mitarbeiter im Finanzsektor und bei der Rohstoffförderung.

Die Gehaltsstudie kann beim Informationszentrum der Deutschen Wirtschaft in Moskau oder bei Kienbaum bezogen werden (Preis für AHK-Mitglieder: 150 Euro, für Nichtmitglieder 600 Euro).


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Autor: Gerit Schulze


Quelle: Auszug aus Artikel der bfai vom 19.05.2008