Ausbaufähig: Rolle der deutschen Wirtschaft im südlichen Afrika

Der Africa Business Guide veröffentlichte ein Interview mit Matthias Boddenberg, dem ehemaligen Geschäftsführer der AHK Südliches Afrika. Boddenberg äußert sich dabei auch über gute Ansätze im Bereich Berufsbildung. iMOVE ist Partner des Africa Business Guide, dem Wirtschaftsnetzwerk Afrika.

Insgesamt 23 Jahre hat Matthias Boddenberg die Deutsche Industrie- und Handelskammer für das südliche Afrika geleitet. Die Kammer (AHK Südliches Afrika) hat ihren Hauptsitz in Johannesburg und ist für zwölf Länder in der Region zuständig. Im Interview berichtet Matthias Boddenberg, wie sich die Region entwickelt, wo deutsche Firmen punkten und welche Fragen Unternehmer ihm immer stellen. 

Entwicklungszusammenarbeit und Wirtschaftsförderung kombinieren

Herr Boddenberg, Afrika nimmt noch immer wenig Raum in der deutschen Außenwirtschaft ein. Was muss sich tun, um dies zu ändern?

Die Wahrnehmung Afrikas ist in Deutschland gestiegen. Trotzdem ist Afrika – insbesondere Subsahara-Afrika – für viele Unternehmen weit weg und schwer zu durchdringen. Auf dem Kontinent selbst werden wir oft nur über die Entwicklungszusammenarbeit wahrgenommen – nicht als Wirtschaftspartner.

Deshalb versuchen wir als AHK, unsere Präsenz im südlichen Afrika auszubauen, damit wir als Vertretung deutscher Unternehmen gesehen werden und zeigen können, dass wir uns für die Länder interessieren. Ideal wäre es, wenn wir Entwicklungszusammenarbeit und Wirtschaftsförderung besser kombinieren würden – das würde uns als Deutschland eine ganz andere Präsenz verschaffen.

Was machen deutsche Unternehmen in Afrika besonders gut?

Deutsche Firmen machen hier richtig gutes Training. Das bringt uns Sympathien und öffnet auch Türen. Bildung und Ausbildung ist in allen Ländern Afrikas ein Thema, der Bedarf ist riesig. Über unser Kompetenzzentrum Training haben wir mit der AHK die duale Berufsbildung nach deutschem Vorbild im südlichen Afrika etabliert. Wir bilden Industriekaufleute, Mechatroniker und Kaufleute für Speditions- und Logistikdienstleistungen aus, weitere Programme sind in Planung. Es gibt hier richtig viele gute Bewerber, die wollen lernen und arbeiten. Bringt man diese jungen Menschen in Lohn und Brot, färbt das positiv auf die Gesellschaft ab.

Deutschland sollte zudem das Potenzial ausländischer Fachkräfte viel stärker nutzen. In Südafrika gibt es 50.000 unbeschäftigte Krankenpfleger/innen. In Deutschland brauchen wir Kranken- und Altenpfleger. Warum investieren wir nicht in die notwendige Weiterbildung und beschäftigen diese Menschen in Deutschland? Das würde auch die bilateralen Beziehungen zwischen unseren Ländern weiter stärken.

Deutschland muss bessere Öffentlichkeitsarbeit machen

Mit Blick auf das wirtschaftliche Engagement in Afrika: Was kann Deutschland von anderen Ländern lernen?

Wir sollten unsere Außenwirtschaftsbeziehungen mit Afrika viel besser pflegen und strategischer angehen. Das machen andere besser als wir. Eigentlich bräuchte Deutschland einen Außenhandelsminister, der sich nur um diese Themen kümmert. Die deutschen Unternehmen brauchen – gerade in schwierigen Märkten – mehr politische Unterstützung. Das gilt zum Beispiel für die Chemieunternehmen, im Bereich der Agrochemie bei Dünger. Da müssten wir als Deutschland viel stärker unsere Interessen vertreten, auch auf EU-Ebene.

Wichtig ist auch Sprache. Warum sind in den französisch- oder portugiesischsprachigen Ländern Afrikas kaum deutsche Unternehmen vertreten? Ein Grund sind natürlich die historischen Beziehungen dieser Länder zu Frankreich oder Portugal, aber die Sprachbarriere ist mindestens genauso wichtig. Als Unternehmen brauche ich in diesen Ländern Vertreter, die der Landessprache mächtig sind.

Der dritte Punkt ist unsere Öffentlichkeitsarbeit. Deutschland hat eine Schwäche im Selbstmarketing. In vielen Ländern machen wir unheimlich gute Arbeit, auch über die Entwicklungszusammenarbeit. Aber andere verkaufen sich besser.

Welche Fragen werden Ihnen von Unternehmen, die in Südafrika Geschäfte machen wollen, immer wieder gestellt?

Es gibt eigentlich vier Standardfragen. Das erste Thema ist immer Broad-Based Black Economic Empowerment (B-BBEE); ein Gesetz zur wirtschaftlichen Inklusion ehemals benachteiligter Bevölkerungsgruppen in Südafrika. Das verunsichert viele Unternehmen. Da kommen Fragen wie: In welchem Ausmaß greift B-BBEE in meinem Unternehmen ein? Kann ich meinen Geschäftsführer selbst bestimmen oder muss ich jemanden fragen?

Die zweite Frage ist immer die nach dem Arbeitsrecht. Was viele nicht wissen: Das südafrikanische Arbeitsrecht ist an das deutsche angelehnt. Das macht vieles einfacher. Fragen zu Vertragsabschlüssen und rechtlichen Rahmenbedingungen kommen ebenfalls häufig. Auch dieses Thema dürfte vielen Deutschen in Südafrika relativ vertraut vorkommen, weil das Rechtssystem hier eine Kombination aus angelsächsischem, römischem und niederländischem Recht ist. Hinzu tritt der Rückgriff auf Fallrecht/Rechtsprechung.

Und der vierte Punkt ist die Frage der Finanzierung. Wie ist das mit Dividenden und Zinszahlungen? Wie kann ich Geld nach Deutschland transferieren?

Beratung vor Ort: AHK mit Kompetenzzentren und lokalen Repräsentanzen

Wo liegen die größten Hürden im südafrikanischen Wirtschaftsumfeld?

Es gibt verschiedene Hürden nichttarifärer Art. Für Geschäfte mit der öffentlichen Hand müssen grundsätzlich bestimmte Auflagen erfüllt sein. Das betrifft etwa 15 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen. Zu den Auflagen zählen beispielsweise die Registrierungspflicht und die Vorregistrierungspflicht für Ausschreibungen. Für Unternehmen ist das umständlich. Aber aus der südafrikanischen Geschichte heraus ist die Notwendigkeit solcher Regelungen durchaus nachvollziehbar, weil es viel Korruption gegeben hat und man prüfen muss, ob eine Firma überhaupt in der Lage ist, zu liefern.

Welche Unterstützung bietet die AHK Südliches Afrika deutschen Unternehmen?

Wir unterstützen Unternehmen rund um ihr Afrikageschäft. Das Angebot reicht von Beratung zum Markteinstieg, Geschäftspartnervermittlung und individuellen Marktstudien bis hin zu Netzwerkveranstaltungen und der Durchführung von Markterschließungsreisen.

Für die wichtigsten Branchen haben wir eigene Kompetenzzentren, zum Beispiel zu den Themen Energie, Beschaffung sowie Bergbau und Rohstoffe. In einigen Nachbarländern Südafrikas, wie Mosambik, Sambia oder Simbabwe, haben wir eigene Repräsentanzen und können direkt vor Ort beraten.

Zukunftsbranchen Bergbau, Energie und Wasser

Welche Branchen werden in Südafrika in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen?

Der Bergbau steht immer noch an erster Stelle. Südafrika nimmt geopolitisch eine wichtige Rolle ein, da es über viele strategisch wichtige Rohstoffe verfügt, die unter anderem für die Energiewende benötigt werden.

Energie ist natürlich auch ein Thema. Die Stromerzeugung hat die südafrikanische Regierung durch den enormen Zubau an Erneuerbaren mittlerweile einigermaßen im Griff. Das nächste große Thema sind jetzt die Überlandleitungen, die sind marode. Die Umspannwerke sind auch veraltet und stehen (zum Teil) an den falschen Orten. Das ist geschichtlich bedingt.

Auch die Wasserwirtschaft ist wichtig. Wasser ist in Südafrika chronisch knapp und wird mittelfristig ein großes Problem sein. Allerdings ist der Sektor stark reguliert und es gibt noch wenig private Investitionen. Der Bedarf ist aber riesig und reicht von der Beschaffung und Aufbereitung des Rohwassers über die Verteilung bis zur Entsorgung oder Aufbereitung des Abwassers.

Welche Länder im südlichen Afrika sollten deutsche Unternehmen im Blick haben?

Es gibt in vielen Ländern der Region spannende Entwicklungen. Die Wasserstoffproduktion in Namibia ist eine davon.

Simbabwe ist innerhalb Subsahara-Afrikas das einzige Land mit industrieller Basiskapazität, das als Partner Südafrikas für die Entwicklung des Subkontinents von Bedeutung sein kann. Simbabwe ist ein Land, in dem Milch und Honig fließen könnten, wenn man nur die Menschen machen ließe. Aber die andauernde politische Einflussnahme schränkt die Eigeninitiative der Menschen sehr stark ein. Dazu kommen die Themen Korruption und Vetternwirtschaft.

In Sambia hingegen hat die Regierung vor 17, 18 Jahren den südafrikanischen Farmern angeboten, ins Land zu kommen, alle Maschinen zollfrei mitzubringen und 1.000 Hektar Fläche zu bekommen. Und zwei Jahre später war Sambia Selbstversorger mit Mais, Weizen, Kartoffeln und so weiter. So kann es also auch gehen!

Die Bedeutung von BRICS wird wachsen

Welche Zukunftsprognosen haben Sie für die Region?

Insgesamt blicke ich positiv in die Zukunft Subsahara-Afrikas. Ich mag die Region und ich denke, dass es einen Wandel geben wird. Vielleicht nicht in 5 Jahren, vielleicht auch nicht in 10 - aber er wird kommen. Die neue Generation politischer Meinungsmacher wird eher technokratisch und zukunftsorientiert sein und weniger in der Vergangenheit leben.

Für die künftige Entwicklung kommt es aber auch darauf an, wie sich andere Länder positionieren, zum Beispiel die USA. Der African Growth and Opportunity Act (AGOA) spielt auch für die deutschen Unternehmen der Automobil- und Textilbranche eine gewisse Rolle. Die Frage ist: Wird AGOA gekippt oder bis 2035 verlängert?

Interessant finde ich auch die politische Komponente der neuen BRICS. In der erweiterten BRICS-Staatengemeinschaft werden ungefähr dreieinhalb Milliarden Menschen leben. Im gesamten Westen, also Europa und Amerika, sind wir bei vielleicht 700 Millionen. Irgendwann wird diese, bisher lose, Gruppe von Staaten weltpolitisch deutlich an Einfluss gewinnen. Für Südafrika hat das Bündnis einen hohen Stellenwert – es wird sich zeigen, wie sich dies auf die Beziehungen mit dem Westen auswirkt.

  • Das Interview führten Jenny Tala (Director Southern Africa, Germany Trade & Invest) und Alexandra Smit-Stachowski (Research Manager, Germany Trade & Invest) im Mai 2024.

Quelle: Africa Business Guide, africa-business-guide.de, 10.06.2024