Marokko: Bildungsminister erläutert Rechenschaftsbericht vor Parlament

Das Bildungssystem von Marokko steht in der Kritik und wird als eine der Ursachen für die hohe Arbeitslosigkeit gesehen.

Soziale Maßnahmen, Verallgemeinerung der Vorschulerziehung, Verbesserung der Dienstleistungen, Internate, Stipendien, Bekämpfung des Schulabbruchs und vieles mehr. Was ist geworden aus den in Rahmengesetz Nr. 51.17 für das Schuljahr 2019-2020 vorgesehenen Projekten im Bildungswesen?

Der Minister für Nationale Bildung legte am 7. Dezember 2020, einen Bericht mit Zahlen zu mehreren Projekten vor, die im Rahmen des Bildungsrahmengesetzes geplant sind beziehungsweise waren, das im August 2019 in Kraft getreten ist.

Das Bildungswesen steht in der Kritik

Marokkos Bildungssystem gehört zu den Schlüsselsektoren neben dem Gesundheitssystem und der Bekämpfung der Korruption, wenn es um eine Entwicklung des Landes geht, mit dem Ziel der Verbesserung der allgemeinen Lebenssituationen. Obwohl viele Milliarden marokkanische Dirham in das Bildungssystem fließen, gilt es als ineffizient, rückständig und durchzogen von Ungleichheiten. So gibt es in dem nordafrikanischen Königreich, neben den öffentlich-rechtlichen Schulen einen starken privaten Bildungssektor. 

Zugleich ist das qualitative Gefälle der Schulen sehr groß. So sind die Schulen in den Ballungszentren, in Relation zu anderen afrikanischen Ländern, relativ gut ausgestattet. Wie der Bildungsminister Anfang des Jahres im Parlament bestätigen musste, gibt es rund 7.000 Schulen ohne einen Stromanschluss oder sanitären Einrichtungen, dies insbesondere in den ländlichen Gebieten.

Das Lehrniveau ist sehr stark vom Engagement des Lehrpersonals abhängig. Die pädagogische Methodik ist auf das Vermitteln und Abfragen von Wissen sowie auf das Aussieben nach Leistungsniveaus ausgerichtet und weniger von der Förderung von eigenständigem Denken, Kreativität und Potenzialen geleitet.

Arbeitslosigkeit und Bildungsniveau stehen im Zusammenhang

Marokkos bisheriges Entwicklungsmodell hoffte auf einen Boom an kreativen Unternehmensgründungen durch junge Menschen. Daher investierte man in die Hochschulbildung. Das Königreich gehört zu den wenigen Ländern der Welt, in denen die Hochschulbildung zu großen Teilen kostenlos ist.

Doch zugleich ist die Arbeitslosigkeit unter den Absolventen der Universitäten sehr hoch und liegt in Teilen bei bis zu 40 Prozent und damit mehrfach über dem offiziellen Durchschnittswert. Personen mit weniger hohen Bildungsabschlüssen und einer eher auf das Handwerk ausgerichteten Ausbildung sind weit weniger von Arbeitslosigkeit betroffen. Zugleich gelten nach internationalen Schätzungen über 47 Prozent der Menschen im Alter von 14 Jahren und mehr als funktionale Analphabeten.

Marokko selbst spricht von circa 32 Prozent der Frauen und Männer im Alter von 14+ als Analphabeten, dabei sind Frauen deutlich stärker betroffen als Männer. Dies wären bis zu 10 Millionen Menschen. Im Vergleich dazu gelten in Deutschland rund 6,2 Millionen Menschen als funktionale Analphabeten.

König nennt Bildungssystem eine Produktionsstätte für Arbeitslose

Der Drang zum Unternehmer ist gerade bei den Hochschulabsolventen nicht sehr hoch. Eher sucht man nach finanzieller Sicherheit im Staatsdienst. Dies auch, weil viele Schulund Hochschulabsolventen die aktuellen Anforderungen des Weltmarktes nicht erfüllen. Ein Umstand den auch König Mohammed VI. erkannt hat und in seiner Rede im Parlament 2018 sehr deutlich ansprach.

Noch unter dem Eindruck der Unruhen im Nordosten des Landes stellte er ernüchtert fest, dass das bisherige wirtschaftliche und soziale Entwicklungsmodell gescheitert war, nicht zuletzt, weil nach seiner Ansicht das marokkanische Bildungssystem praktisch "Arbeitslose am Fließband" produzieren würde. Das Rahmengesetz Nr. 51.17 sollte einen ersten Schritt darstellen, hier neue Entwicklungen anzuregen

Minister Amzazi verkündet Fortschritte im Bildungssystem trotz Pandemie

"Das Ministerium hat die Umsetzung des Rahmengesetzes fortgesetzt und das strenge Management im Zusammenhang mit der Pandemie sowie das strategische Management im Zusammenhang mit der Umsetzung der Reform miteinander in Einklang gebracht", sagte Saaid Amzazi. Dabei nannte er konkrete Zahlen: 

  • allgemeine Einführung der Vorschulerziehung für 110.491 Kinder mit einer Einschulungsrate von 72,5 Prozent
  • Schaffung von 179 neuen Einrichtungen, davon 110 in ländlichen Gebieten,
  • Schaffung von 11 neuen Internatsschulen, wodurch sich die Gesamtzahl der Internate auf 985 erhöht, von denen 62 Prozent in ländlichen Gebieten liegen.

Einrichtung von 13 Hochschuleinrichtungen

Fünf Hochschul- und Berufsschulen in Beni Mellal, El Jadida, Settat, Kenitra und Agadir; zwei nationale Wirtschafts- und Managementschulen in El Hajeb und Beni Mellal; eine nationale Hochschule für Chemie in Kenitra; eine Fakultät für Wirtschaft und Management in Beni Mellal; eine Nationale Fachhochschule in Beni Mellal; eine Hochschule für Technologie in Feqih Bensaleh, eine Nationale Hochschule für Kunst und Design in Casablanca und eine Polydisziplinäre Fakultät in Sidi Bennour.

In den Jahren 2020-2021 werden zwölf neue Institutionen und acht Internate sowie ländliche Unterstützungs- und Ausbildungsdörfer geschaffen.

Im Schuljahr 2020-2019 profitierten 177.348 Schülerinnen und Schüler vom Internatsdienst, 1.157.212 von der Schulverpflegung und etwa 342.000 vom Schultransport.

Das Tayssir-Programm

Die Gesamtzahl der Begünstigten im Rahmen dieses Programms erreichte 2.480.701, davon 82 Prozent in ländlichen Gebieten. Die Zahl der Begünstigten der königlichen Initiative "eine Million Schultaschen" betrug 4.473.354.

Diese Maßnahmen haben dazu beigetragen, die Einschulungsraten auf allen Ebenen zu verbessern, insbesondere im Collège (94,2 Prozent) und in den Sekundarstufen (69,6 Prozent).

(Anmerkung des Autors: Das "Tayssir"-Programm für an Bedingungen geknüpfte Geldleistungen ist Teil der Bemühungen der Regierung, das Bildungssystem zu reformieren und die vom Hochschulrat für allgemeine und berufliche Bildung und wissenschaftliche Forschung festgelegte Vision für die Errichtung einer auf Qualität, Gerechtigkeit und Chancengleichheit basierenden Schule zu verwirklichen. Dieses Programm bietet armen Familien finanzielle Unterstützung, um die Schulabbruchsquote zu begrenzen. Es basiert auf dem Kampf gegen bestimmte Faktoren, die den Zugang der Kinder aus diesen Familien zum Pflichtschulunterricht verhindern, indem ihnen regelmäßig ein Schulgeld gezahlt wird. Das Programm richtet sich insbesondere an ländliche Gemeinden und bestimmte städtische Gemeinden mit hohen Armuts- und Schulabbrecherquoten.)

Vergabe von Stipendien

Für den Zeitraum 2020-2021 sind 415.000 Stipendien mit einem Budget von 2 Milliarden marokkanische Dirham geplant.

Förderung von Kindern mit Behinderungen

Marokko verfügt derzeit über 3.488 integrative Bildungseinrichtungen, das sind 31 Prozent aller Einrichtungen. 24.726 Kinder mit Behinderungen setzen ihre Ausbildung in integrativen Einrichtungen fort, verglichen mit 92.000 in regulären Einrichtungen.

Schulen der zweiten Chance – der zweite Bildungsweg

Das Netzwerk wurde durch die Einrichtung von 39 Zentren der "neuen Generation" erweitert, wodurch sich die Gesamtzahl auf 142 erhöht hat, von denen 9.230 Schüler profitieren, während die Zahl der Begünstigten in den Basiszentren 21.790 erreicht hat.

Verbesserung der Qualität der Bildung

Um die verschiedenen Komponenten des pädagogischen Modells weiterzuentwickeln, wurden die folgenden Schritte unternommen:

  • die Überarbeitung der Lehrpläne für die Klassen 5 und 6 des Primarstufenzyklus,
  • eine Erhöhung der Zahl der Schüler, die in den internationalen Jahrgängen eingeschrieben sind, auf 709.783 in der qualifizierenden Sekundarstufe, darunter 345.183 "Französische" (24 Prozent) und 2.444 "Englische" (0,19 Prozent),
  • die Erhöhung der Zahl der Schüler, die in den Berufsausbildungsgängen eingeschrieben sind, auf 16.628.

Quelle: Maghreb-Post, maghreb-post.de, 08.12.2020