Welche Soft Skills für welches Land?
Soft Skills sind der Schlüssel für gute Führung – aber sind sie universell? Lesen Sie den Artikel aus xPORT 2/2023, in dem ein Bildungsunternehmen aus dem iMOVE-Netzwerk dieser Frage nachgeht.
Dass Führungskräfte spezifische Führungskompetenzen brauchen, um erfolgreich zu sein, ist mittlerweile den meisten Unternehmen klar geworden. Dennoch finden in vielen Ländern Beförderungen in Führungspositionen nach wie vor häufig nur aufgrund von Fachwissen und Berufserfahrung statt. Oft genug spielen noch nicht einmal diese eine Rolle, sondern eher, in welchen Netzwerken man sich bewegt, also welche Beziehungen man hat. Die Folge solcher Besetzungen sind oft Führungskräfte, die wenig Erfolg haben. Mitarbeitende werden unproduktiv oder sogar demotiviert.
Aber welche Kompetenzen fehlen den Führungskräften denn genau – und sind es dieselben, egal in welchem Land sie sich befinden?
Kulturelle Unterschiede bestimmen Werte und Verhalten
Natürlich sind die kulturellen Unterschiede groß. Wir haben Entwicklungsprogramme für Führungskräfte unter anderem in Australien, Brasilien, den DACH-Ländern, Irland, Russland, Slowakei, Tschechien, UK und den USA durchgeführt. Dort haben wir erlebt, wie unterschiedlich Menschen miteinander umgehen. Sie finden jeweils andere Kompetenzen wichtig, verstehen anderes bei gleichen Worten und betonen andere Verhaltensweisen.
In Deutschland und Österreich zum Beispiel ist Fachkompetenz ein wesentlicher Faktor für die Glaubwürdigkeit einer Führungskraft. In Australien ist der freundschaftliche Umgang auf Augenhöhe Voraussetzung für ihre Akzeptanz. Und in Brasilien ist es das Interesse am Privat- und Gefühlsleben von Mitarbeitenden, welches das Vertrauen in die Führungskraft fördert. Wie gehen wir also damit um, wenn wir Programme für Führungskräfte in unterschiedlichen Ländern durchführen?
Das Wichtigste ist zu lernen, wie eine Kultur generell tickt. Nützlich können hier zum Beispiel die "fünf Kulturdimensionen" des Sozialpsychologen Geert Hofstede sein. Aber nicht nur die Kultur des Landes, sondern vor allem die Unternehmenskultur beeinflusst Werte, Empfinden und Verhalten von Menschen. Dies gilt insbesondere für Führungskräfte, denn diese sind ja − in mehr oder weniger exponierten Positionen – Repräsentanten ihrer Unternehmen.
Wir führen dazu in der Regel halbstrukturierte Interviews mit den Teilnehmenden, noch bevor ein Programm startet. "Halbstrukturiert" heißt hier, dass zwar die gleichen Fragen an alle gestellt werden, jedoch sind diese Fragen so offen, dass wir inhaltlich umfangreiche Antworten erhalten. Die Interviewpartnerinnen und -partner können ihre eigene Wahrnehmung verdeutlichen und von sich erzählen. Das gibt uns genug Hinweise, welche Werte und Erwartungen an Führungskräfte im Unternehmen postuliert und welche tatsächlich im Alltag gelebt werden.
Die Interviewergebnisse zeigen uns dann, an welchen Haltungen und Verhaltensweisen die Kompetenz von Führungskräften festgemacht wird. So können wir ganz konkret unsere Programme auf das Land, auf das Unternehmen und die Teilnehmenden zuschneiden.
Universelle Soft Skills – mit kulturell unterschiedlichen Ausprägungen
"Zuschneiden" heißt jedoch auch, dass die grundsätzlichen Führungskompetenzen immer die gleichen sind:
Führungskräfte brauchen Soft Skills, die
- zwischenmenschliches Vertrauen aufbauen
- die Vorbildfunktion als Führungskraft untermauern
- die Kommunikation mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Kolleginnen und Kollegen sowie den eigenen Führungskräften stärken.
Wie Vertrauen aufgebaut wird, ist in jedem Land – zum Teil sogar in verschiedenen Regionen – sehr unterschiedlich. In den DACH-Ländern muss eine Führungskraft oft Fachkenntnisse haben, damit ihr vertraut wird. In Australien ist die informelle, lockere und freundschaftliche Kommunikation auf Augenhöhe vertrauensbildend. Und in Brasilien entsteht Vertrauen erst durch den Aufbau einer persönlichen Beziehung, die auch das Privatleben miteinbezieht.
Vorbild sein heißt in allen Kulturen, auch das zu tun, was man von den eigenen Mitarbeitenden erwartet. Alles andere untergräbt wiederum das Vertrauen.
Vorbild sein bedeutet vor allem, kongruent zu sein. Das heißt: "Practice what you preach"! Wenn ich Pünktlichkeit erwarte, bin ich selbst pünktlich. Wenn ich – bei einem eher autoritären Führungsstil − erwarte, dass Anweisungen befolgt werden, muss ich diese auch glasklar formulieren. Wenn ich – bei einem kooperativen Führungsstil – möchte, dass Mitarbeitende sich einbringen und Verantwortung übernehmen, muss ich ihnen den Freiraum geben und das Risiko eingehen, dass es auch mal nicht so läuft, wie ich erhofft habe. Vorbild sein ist also nicht an einen bestimmten Führungsstil gebunden.
Eine gute Kommunikation mit Mitarbeitenden, im Kollegenkreis und im Verhältnis zur eigenen Führungskraft ist Grundlage für die beiden Führungskompetenzen "Vertrauen aufbauen" und "Vorbild sein". Was "gut" bedeutet, ist wiederum sehr unterschiedlich und stark beeinflusst von der Landes- und Unternehmenskultur. Diese kreiert nämlich Erwartungen an Kommunikation, die oft ganz spezifisch sind.
Eins haben alle erfolgreichen Führungskräfte gemeinsam – die Haltung!
Was wirklich alle Führungskräfte brauchen, und zwar unabhängig davon, in welcher Kultur sie sich bewegen, ist die Fähigkeit, andere Perspektiven zu verstehen. Und das ist primär eine Haltungsfrage: Man braucht wirkliches Interesse daran, was die anderen bewegt, was sie mitteilen möchten oder warum sie eine andere Meinung haben. Ist dies nicht vorhanden, nutzen auch die besten Skills zum "aktiven Zuhören" nichts.
Eine Führungskraft, die primär auf ihr eigenes Wohl – oder den persönlichen Machtausbau – bedacht ist, wird über kurz oder lang ihre "Gefolgschaft" und damit ihren Erfolg verlieren. Erst das echte Interesse, etwas für die anderen zu leisten und sie auf diese Reise mitnehmen zu wollen, macht eine Führungskraft auf lange Sicht erfolgreich!
- von Silke Körner und Jörg Janzen, DEX Training & Consulting GmbH
xPORT 2/2023
iMOVE