Wie Privatschulen den Fachkräftemangel in der Pflege bekämpfen

Der Personalmangel in der Pflege wird immer gravierender. Privatschulen wie die Heimerer Schulen versuchen mit neuen Konzepten, die Lücke zu schließen. Auch mit TV-Auftritten auf den Philippinen.

  • Autorin: Kirstin von Elm

Wer bei Adrian Heimerer zur Schule geht, hat anschließend ein Jobangebot so gut wie in der Tasche. Der Geschäftsführer der Heimerer-Schulen hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Bis 2030 will er 10.000 neue Fachkräfte für eine der größten Boombranchen ausbilden – das Gesundheitswesen. Bundesweit arbeiten rund sechs Millionen Menschen in der Branche, darunter knapp 1,8 Millionen Pflegekräfte und rund 427.000 Menschen in nicht ärztlichen Therapie- und Heilberufen wie Physio-, Ergo- und Ernährungstherapeuten, Logopäden oder Podologen.

Der Fachkräftemangel ist schon heute gravierend. Obwohl die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozent gestiegen ist, haben Krankenhäuser und Pflegeheime massive Probleme, offene Stellen zu besetzen. In den kommenden zehn Jahren dürfte sich die Lage weiter verschärfen: Nach einer Prognose des Statistischen Bundesamts dürften 2034 in Deutschland mindestens 90.000 Pflegefachkräfte fehlen. Denn das Angebot an Arbeitskräften steigt langsamer als die Nachfrage.

Vor der Aufgabe, diese gewaltige Lücke zu schließen, stehen die knapp 2.000 deutschen Gesundheitsschulen, von denen rund 70 Prozent von privaten Trägern betrieben werden. Darunter befinden sich große Bildungsanbieter wie die Ludwig-Fresenius-Schulen, die ESO Education Group, das Kolping-Bildungswerk oder die SRH Holding, aber auch viele regionale und mittelständische Betreiber wie die Heimerer-Schulen mit ihren 40 Berufsfachschulen in Bayern und Sachsen.

Gesundheitsschulen sind oft mit Krankenhäusern oder Pflegeanbietern verbunden

Anders als im Handwerk absolvieren Azubis in vielen Gesundheitsberufen keine klassische Lehre. Es dominieren schulische Ausbildungsgänge, die mit einer staatlichen Prüfung abschließen. Zwar sind auch praktische Einsätze vorgesehen, im Vergleich zur dualen Berufsausbildung, die überwiegend im Betrieb stattfindet, verbringen Nachwuchskräfte jedoch deutlich mehr Zeit in der Schule. Nicht nur, um die oft umfangreiche Theorie zu pauken, sondern auch, um in einem geschützten Lernumfeld praktische Tätigkeiten üben und Fehler machen zu können, ohne das Wohl realer Patienten zu gefährden.

Traditionell sind Gesundheitsschulen oft mit Krankenhäusern oder Pflegeanbietern verbunden, deren Träger Kirchen, Sozialverbände oder private Unternehmen sind. Das erklärt den hohen Anteil privater Bildungseinrichtungen in diesem Bereich. Neben einem engen Draht in die Praxis punkten sie mit kleinen Klassen, qualifizierten Speziallehrkräften und nicht zuletzt modern ausgestatteten Schulgebäuden. Um etwa Masseure, Physiotherapeuten oder Pflegekräfte aufs Berufsleben vorzubereiten, benötigen sie Therapieliegen, Gymnastikräume, Pflegekabinette mit Pflegebetten, Geräten und lebensgroßen Puppen.

Zahl der Privatschulen in Deutschland steigt

Das alles kostet Geld und macht die Ausbildung teuer. Während bei einer dualen Lehre der Besuch der Berufsschule in der Regel kostenlos ist, müssen die heiß begehrten Nachwuchskräfte an privaten Gesundheitsschulen in vielen Bundesländern Schulgeld bezahlen und erhalten für ihre obligatorischen Praktika keinerlei Vergütung. Berufsverbände und private Schulträger halten das für keine kluge Strategie im Kampf gegen den Pflegenotstand und fordern seit Jahren ein bundesweit einheitliches Finanzierungssystem, den Verzicht auf Schulgeld und die Zahlung einer Ausbildungsvergütung.

Zumindest für Pflegefachkräfte – mit mehr als 56.000 Ausbildungsverträgen pro Jahr der mit Abstand größte Ausbildungsbereich im Gesundheitswesen – ist das seit 2020 Realität. Adrian Heimerer begrüßt darüber hinaus auch die inhaltlichen Reformen, die damals mit dem Pflegeberufsgesetz eingeführt wurden. Die neue Pflegeausbildung unterscheidet nicht länger zwischen Alten- und Krankenpflege, wer will, kann sich jedoch im dritten Lehrjahr auf einen der Bereiche spezialisieren. Das eröffne den Absolventen vielfältigere Karrieremöglichkeiten als früher, so Heimerer: "Im Berufsleben geht es um Kompetenzen und nicht um Schulfächer."

Zunehmende Akademisierung

Um langfristig ausreichend Fachpersonal zur Versorgung der alternden Gesellschaft zu gewinnen, seien jedoch weitere Maßnahmen erforderlich. Zum Beispiel bessere Arbeitsbedingungen: Konfrontiert mit dem anstrengenden Berufsalltag brechen aktuell rund 20 Prozent der angehenden Pflegekräfte ihre Ausbildung wieder ab.

Zudem engagiert sich die Heimerer-Gruppe in der Vermittlung ausländischer Fachkräfte nach Deutschland. Im Kosovo betreibt sie eine eigene Fachhochschule und kooperiert mit Bildungseinrichtungen in Albanien und China. Selbst im philippinischen Fernsehen warb der Juniorchef schon um Nachwuchs für das deutsche Gesundheitswesen. Für die internationalen Absolventen organisiert Heimerer Praktika und unterstützt sie bei der Anerkennung ihrer Abschlüsse durch passgenaue Weiterbildungskurse.

Auch der steigenden Nachfrage nach akademischen Abschlüssen im Gesundheitsbereich und den damit verbundenen besseren Karrierechancen kommen private Bildungsanbieter nach. Die SRH Fachschulen bieten etwa an mehreren Standorten ein ausbildungsintegriertes Studium an.

Parallel zum Abschluss als Physiotherapeut oder Logopäde können Auszubildende einen Bachelor erwerben und sich so zusätzliche Optionen etwa auf eine wissenschaftliche Laufbahn, eine Lehrtätigkeit oder den Aufstieg ins Management schaffen. Die SRH Fachschulen sind Teil des gemeinnützigen Stiftungsunternehmens SRH, das an 80 Standorten in Deutschland private Hochschulen, Bildungszentren, Schulen und Krankenhäuser betreibt.

Die Therapieberufe vollständig zu akademisieren, hält Adrian Heimerer zwar für einen Fehler: "70 Prozent unserer Auszubildenden haben kein Abitur, für sie wäre das fatal", sagt er. Als zusätzliche Option will jedoch auch er künftig einen berufsbegleitenden Bachelor anbieten. Zum kommenden Wintersemester soll die nach dem Firmengründer benannte Friedrich-Heimerer-Fachhochschule den Betrieb aufnehmen.


Quelle: Handelsblatt, handelsblatt.com, 24.01.2025