Nachfrage und Angebot bildeten den roten Faden beim 8. Arabisch-Deutschen Bildungsforum, bei dem iMOVE und Ghorfa am 27. und 28. März 2019 rund 140 Gäste, die Hälfte davon aus arabischen Ländern, in Berlin begrüßten.
8. Arabisch-Deutsches Bildungsforum: Nachfrage trifft Angebot
Was ist duale Bildung in Deutschland?
Auftakt im Bildungsministerium
Zum Auftakt der zweitägigen Konferenz begrüßte Frithjof A. Maennel, stellvertretender Leiter der Abteilung "Internationale Zusammenarbeit in Bildung und Forschung", die arabischen Gäste im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Für die Veranstalter iMOVE und Ghorfa begrüßten der Generalsekretär der Ghorfa Arab German Chamber of Commerce and Industry, Abdulaziz Al-Mikhlafi, und die Abteilungsleiterin "Berufsbildung International" im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Birgit Thomann, die Gäste aus den arabischen Ländern.
Vorn im Bild sehen Sie Birgit Thomann bei der Begrüßung der arabischen Gäste zum 8. Arabisch-Deutschen Bildungsforum. Frithjof A. Maennel vom Bundesbildungsministerium sitzt zwei Plätze weiter. Abdulaziz Al-Mikhlafi von der Ghorfa ist der zweite Herr von rechts.
Professor Dr. Hubert Ertl (vorne im Bild), Forschungsdirektor und stellvertretender Präsident des BIBB, erläuterte den Gästen die Kosten und Nutzen der beruflichen Bildung.
Sein Vortrag mit dem Titel "Beyond the numbers – The role of cost/benefit analyses in the debate on attractiveness of training in Germany" beeindruckte die Gäste so nachhaltig, dass sie das Thema auch am Abend und am Folgetag immer wieder in die Diskussion einbrachten.
Kristine Faenger (ins Mikrofon sprechend), Regionalmanagerin Arabische Länder bei iMOVE, stellte den Gästen die Initiative unter dem Motto "Your gateway to Training – Made in Germany" vor.
Im Laufe des Forums bezogen sich die arabischen Gäste in bilateralen Gesprächen immer wieder auf die Dienste, die iMOVE als Unterstützungsmöglichkeiten für die Berufsbildungskooperation auf kommerzieller Basis bietet. Ein Zeichen für die Veranstalter, dass die Ausführungen über iMOVE zu Beginn der Konferenz wichtig waren.
Einblick in die Praxis der dualen Bildung
Nach der Theorie am Vormittag erhielten die Gäste am Nachmittag einen Einblick in die praktische Ausbildung junger Menschen im Rahmen der dualen Berufsbildung. Zunächst besichtigte die Gruppe das Siemens Professional Education (SPE) Center. Ein weiterer Besuch galt dem SHK Kompetenzzentrum.
In beiden Bildungseinrichtungen gewannen die arabischen Gäste einen hervorragenden Einblick in die Umsetzung der dualen Ausbildung. Die Besichtigungen und Gespräche vor Ort verdeutlichten, wie die Unternehmen in die Ausbildung in Deutschland involviert sind und welche Motivation die Firmen haben. So unterstrich das Besuchsprogramm sehr anschaulich die theoretischen Ausführungen durch Professor Ertl am Vormittag.
Als eine der größten betrieblichen Bildungseinrichtungen in Deutschland bildet das Siemens Professional Education (SPE) Center jährlich etwa 300 Jugendliche in den Bereichen Controlling, Finanzen, Personal, Elektro, Informationstechnologie und Metall dual aus.
Bei einem Rundgang durch das Trainingszentrum ergriffen die Gäste die Gelegenheit, mit den Azubis direkt zu sprechen. Dabei freuten sie sich, dass sie auch auf Landsleute trafen, die zu ihrer Ausbildung bei Siemens Rede und Antwort standen.
Ein weiterer Besuch galt dem SHK Kompetenzzentrum.
Das SHK (Sanitär Heizung Klempner Klima) verfügt über 12 moderne Werkstatträume für die Gas- und Ölfeuerung, Rohr- und Blecharbeiten, Sanitärtechnik, Elektrotechnik, erneuerbare Energien, Steuerungs- und Automationstechnik sowie acht Schulungsräume und ein Computerkabinett.
Andreas Koch-Martin, SHK-Geschäftsführer, führte die arabischen Gäste durch die Bildungseinrichtung.
Arabisch-deutsches Netzwerken
Zum Ausklang des ersten Tages trafen sich die arabischen und deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Abend bei einem Netzwerk-Empfang.
Birgit Thomann (links) und Abdulaziz Al-Mikhlafi (rechts) forderten die Gäste in einer kurzen Begrüßung auf, offen aufeinander zuzugehen und erste Gespräche zum gegenseitigen Kennenlernen zu führen. Birgit Thomann betonte dabei noch einmal das Ziel des Forums, arabisch-deutsche Kooperationen zu entwickeln, auszubauen und nachhaltig fortzuführen.
Seine Exzellenz Dr. Mustapha Adib, Botschafter der Republik Libanon und Dekan des Arabischen Diplomatischen Corps, betonte den Wert der Bildung als Rückgrat der Wirtschaft und der Gesellschaft. Adib nannte beispielhaft den Bereich der erneuerbaren Energien als eine der Branchen, in der ein großer Bedarf an Fachkräfteausbildung besteht.
Professor Dr. Ashraf Mansour, Gründer und Präsident der German University in Kairo, Ägypten, erinnerte daran, dass in der heutigen Zeit die Grenzen immer näher zusammenrücken. Dafür braucht es eine große Sicherheit und Stabilität in den Gesellschaften, wodurch das Investment in die Jugend als Säule der Gesellschaft wichtiger ist denn je.
Arabisch-deutsche Bildungszusammenarbeit
Am zweiten Forumstag ging es gezielt um die Formulierung von Bedarfen und die Vorstellung von erfolgreichen Beispielen der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit.
Zunächst begrüßten Abdulaziz Al-Mikhlafi (Ghorfa), Birgit Thomann (BIBB) und Inga Hennicke vom BMBF die Anwesenden.
Abdulaziz Al-Mikhlafi nutzte die Gelegenheit für einen kurzen Rückblick auf das gestrige Besichtigungsprogramm, das für die arabischen Gäste sehr fruchtbar war. Es vermittelte ihnen wunderbare Eindrücke von der dualen Ausbildung und der hohen Kompetenz der Auszubildenden.
Birgit Thomann betonte, dass es in der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit nie darum geht, das über Jahrzehnte gewachsene deutsche duale System auf andere Länder zu übertragen. Stattdessen müssen duale Elemente lokalisiert werden, um im Zielland erfolgreich für Gesellschaft und Wirtschaft wirken zu können.
Sie appellierte an die Anwesenden, sich in den kommenden Runden zu Wort zu melden, mit den Sprecherinnen und Sprechern zu diskutieren und damit das 8. Arabisch-Deutsche Bildungsforum mit Leben zu füllen.
Inga Hennicke betonte, dass der arabisch-deutsche Austausch von ihrem Ministerium hochgeschätzt ist. iMOVE hat sich als Initiative des Bildungsministeriums als zentraler Ansprechpartner für internationale Geschäftsbeziehungen in der Berufsbildung etabliert. Und die Zusammenarbeit der Partner iMOVE und Ghorfa schafft sinnvolle Synergien für die arabisch-deutsche Zusammenarbeit in der Berufsbildung.
Bedarfe und Lösungsoptionen
Im Rahmen eines Symposiums gaben arabische Vertreter einen Einblick in die Bedarfe und Aktivitäten in ihrem jeweiligen Land. Die deutschen Vertreter stellten erfolgreiche Beispiele aus ihrer internationalen Geschäftstätigkeit in der beruflichen Bildung vor. Kristine Faenger (vierte von links) von der BMBF-Initiative iMOVE moderierte das Symposium.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums von links nach rechts:
- Sherine Salamony, German University in Cairo, Ägypten
- Daniel Klee, Industrie- und Handelskammer (IHK) Projektgesellschaft mbH, Deutschland
- Uwe Moeller, KWS Kraftwerksschule, Deutschland
- Kristine Faenger, iMOVE
- Dr. Fadi Jawad, Eurotech Training & Consulting, Kuwait
- Professor Dr. Waheeb Ahmed Al Khaja, Bildungsausschuss, Bahrain
- Ing. Ahmed El Saadany, Siemens Professional Education, Ägypten
Dr. Fadi Jawad ist Generaldirektor der Eurotech Training & Consulting mit Sitz in Kuwait. Jawad widmete sich den Auswirkungen der digitalen Revolution auf die Berufsbildung. Dabei stehen sich menschliche Anpassungsfähigkeit und technische Entwicklung gegenüber. Dieser Sachverhalt erfordert eine lebenslange Qualifizierung, damit Arbeitskräfte mit der sich stetig verändernden Technik mithalten können.
Professor Dr. Waheeb Ahmed Al Khaja, Vorstandsmitglied und Vorsitzender des Bildungsausschusses Bahrain, stellte die Frage in den Mittelpunkt, wie die deutsche Seite mit ihrer Expertise helfen kann, die Berufsbildung im Königreich Bahrain zu verbessern. Die deutsche duale Bildung gilt im Königreich als vorbildlich und man analysiert, ob und wie sich duale Elemente in Bahrain implementieren lassen.
Als Beispiel für einen hohen Bedarf an Qualifizierung und Fachkräfteentwicklung nannte Al Khaja unter anderem Gewerke rund um die Bereiche Kraftfahrzeug, Schweißen und Wasser.
Durch vielfältige Wortbeiträge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gab es rege Diskussionen mit den Sprecherinnen und Sprechern auf dem Podium.
Ing. Ahmed El Saadany berichtete als Leiter von Siemens Professional Education - Naher Osten und Nordafrika, über seine Erfahrung hinsichtlich der Ausbildung von Fachkräften in Ägypten.
Für den Betrieb seiner Kraftwerke benötigt Siemens kontinuierlich Fachkräfte. Das bedeutet eine ständige Herausforderung für das Unternehmen. So führte Siemens beispielsweise 60.000 Gespräche, um am Ende 600 geeignete Kandidaten für ein Ausbildungsprogramm zu finden.
Inzwischen gibt es die Egyptian German Technical Academy, die auch mithilfe deutscher Fördergelder entstanden ist und ein breites Angebot für Ausbildung, Fortbildung und für Quereinsteiger bereithält. Ende 2019/Anfang 2020 sollen die ersten Schülerinnen und Schüler anfangen.
Uwe Moeller, Projektmanager der KWS Kraftwerksschule, informierte über ein Beispiel aus der Türkei, bei dem 38 Kandidaten für ein Gas-und-Dampfturbinen-Kraftwerk (Combined Cycle Power Plant – CCPP) geschult wurden. Die Qualifizierung verlief so erfolgreich, dass im Anschluss zehn erfahrende türkische Ingenieure zu Ausbildern ausgebildet werden.
Daniel Klee, internationaler Langzeitexperte der Industrie- und Handelskammer (IHK) Projektgesellschaft mbH, stellte ein Beispiel aus Ägypten aus der Personalentwicklung vor. Dabei geht es um die Ausbildung vom Spezialisten für Personalberatung und Personalbeschaffung. Die Absolventen durchlaufen einen IHK-zertifizierten Kurs mit 160 Stunden Training, das in 13 Wochen in Teilzeit absolviert wird. Die Qualifizierung endet mit einer schriftlichen Prüfung, einer Fallstudie und einer mündlichen Prüfung.
Sherine Salamony ist an der German University in Cairo (GUC) zuständig für Kommunikation und Außenbeziehungen. Sie erläuterte, dass die GUC auch in der Berufsbildung sehr aktiv ist. Wegen des Praxisbezugs und der Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen war die berufliche Bildung von Beginn an eine Säule der GUC und wichtiger Bestandteil der Visionen ihres Gründers Professor Dr. Ashraf Mansour, der am Vorabend zu den Gästen sprach. Für die berufsbildenden Kurse sucht die GUC stets die Nähe und Kooperation mit Unternehmen.
Herausforderungen in der Berufsbildung
Die Diskussionsrunde zu den Herausforderungen in der Berufsbildung, zu möglichen Lösungen und zu einer weiteren Zusammenarbeit moderierte Maria Rueter (vierte von links) von der Siemens AG.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Diskussionsrunde von links nach rechts:
- Heiderose Moossen, German University of Technology, Oman
- Carlo Humberg, TÜV Rheinland Akademie, Deutschland
- Youssef Cheikhi, Office de la Formation Professionnelle et de la Promotion du Travail, Marokko
- Maria Rueter, Siemens AG, Deutschland
- Professor Dr. Claudia Warning, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Deutschland
- Thorsten Ende, Siemens AG, Deutschland
In einer Keynote erläuterte Professor Dr. Claudia Warning, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), dass das Ministerium dauerhafte und nachhaltige Entwicklungen fördert.
Daher ist in der Berufsbildung eine Unterstützung auf einer systemischen Ebene möglich. Eine qualitativ hochwertige Ausbildung braucht Zeit und Gründlichkeit. Kurzausbildungen sind demnach keine Option für das BMZ, wenn es um Fördergelder geht.
Warning betonte hinsichtlich auf die in der Region dringend erforderliche Erhöhung der Attraktivität der Berufsbildung, dass dies eine gemeinschaftliche Aufgabe ist, die nur gelingen kann, wenn alle an einem Strang ziehen: Eltern, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat.
Vom Status Quo der Berufsbildung in Marokko berichtete Youssef Cheikhi, Kommunikationsdirektor im marokkanischen Office de la Formation Professionnelle et de la Promotion du Travail (OFPPT).
Weiterentwicklung und Verbesserung der beruflichen Bildung sind im Fokus der marokkanischen Regierung. Denn in Marokko gibt es ein großes quantitatives und qualitatives Ungleichgewicht zwischen arbeitssuchenden jungen Menschen und dem Angebot an Arbeitsplätzen. So stehen rund 200.000 Universitätsabsolventen nur 80.000 Arbeitsplätze gegenüber.
Cheikhi betonte, dass für Marokko die Zusammenarbeit mit Deutschland als strategischem Partner sehr wichtig ist. Dabei benötigt Marokko Unterstützung von der Entwicklung neuer Berufe über die Modernisierung von Curricula bis zur Ausbildung von Ausbildern.
Zum Thema "Verantwortung deutscher exportierender Unternehmen und lokale Arbeitsplätze schaffen" legte Thorsten Ende, Vizepräsident Regierungsangelegenheiten und Leiter Government-to-Government bei Siemens AG, offen, dass durch jede Person, die Siemens in seinen Kraftwerken einstellt, vor Ort weitere 20 Arbeitsplätze entstehen bei Zulieferern, bei Kunden und bei weiteren angrenzenden Einrichtungen.
Carlo Humberg, zuständig für die Geschäftsentwicklung der TÜV Rheinland Akademie, berichtete über Qualifizierungen für die Industrie durch den TÜV Rheinland in Saudi-Arabien. Dabei finden modulare und praktische Trainings statt. Die große Herausforderung ist, qualifizierte Ausbilder zu finden, die die Trainings durchführen können.
Heiderose Moossen, Leiterin der Berufsbildung an der German University of Technology in Oman (GUtech), gab zu bedenken, dass in vielen arabischen Ländern die Industrie außerhalb der Bereiche Öl und Gas noch sehr jung ist. Es wurde auch nie in die Ausbildung investiert, was sich heute in den großen Problemen Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel mit allen Konsequenzen für Gesellschaft und Wirtschaft zeigt.
Die GUtech arbeitet für dreijährige Ausbildungen mit Unternehmen zusammen. Dabei schilderte Moossen unter anderem folgende Herausforderung für ihre Uni, die beispielhaft für die gesamte Region ist: Rund die Hälfte der Unternehmen wollen keine Auszubildenden, denn die Auszubildenden erwarten zumeist ein volles Gehalt für ihre Tätigkeit.
Zukunft der Zusammenarbeit in der Berufsbildung
Bei einem abschließenden Blick in die Zukunft, um den Moderatorin Maria Rueter bat, stellten die Diskutanten auf dem Podium folgende Aspekte in den Mittelpunkt:
Laut Professor Dr. Claudia Warning baut das Entwicklungsministerium den Support in der Berufsbildung weiter aus. Dabei versucht das Ministerium stärker mit der Wirtschaft zusammenzuarbeiten.
Thorsten Ende erinnert an die gesellschaftliche und unternehmerische Verantwortung und betont, dass Siemens unerschütterlich an die duale Ausbildung "glaubt", auch im internationalen Kontext in lokalisierter Art und Weise.
Heiderose Moossen macht deutlich, dass Kurssysteme immer nur das abbilden, was die Industrie jetzt gerade braucht. Sie wirken also rückwärtsgerichtet. Es werden aber Konzepte benötigt, die es jungen Menschen erlauben, darauf ihre Zukunft aufzubauen.
Carlo Humberg wünscht sich bessere Synergien sowohl hinsichtlich der deutschen und lokalen Expertise als auch im Hinblick auf die jeweiligen Rahmenbedingungen vor Ort. Durch die optimale Nutzung dieser Synergien lassen sich passende lokalisierte Ausbildungen entwickeln.
Für Youssef Cheikhi liegt der Schlüssel zum Erfolg der Berufsbildung darin, dass in allen Phasen der Ausbildung und Entwicklung von Ausbildungen erfahrene Praktiker involviert sind.
Nach den inspirierenden Diskussionsrunden fand das 8. Arabisch-Deutsche Bildungsforum sein Ende mit verschiedenen B2B-Gesprächen.
iMOVE in eigener Sache
iMOVE bedankt sich ganz herzlich für die vielen positiven Rückmeldungen seitens der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die uns während der zwei Tage und danach erreicht haben.
Wir freuen uns auf ein Wiedersehen beim 9. Arabisch-Deutschen Bildungsforum.
© Fotos: BIBB/iMOVE/Ghorfa