Matchmaking – Fachkräftegewinnung für Deutschland fördern
Am 18. November 2024 fand in Bonn das erste Treffen von Vertreterinnen und Vertretern von Wirtschaftsverbänden und der deutschen Bildungswirtschaft statt. Unter dem Motto "Matchmaking – Fachkräftegewinnung für Deutschland fördern" bot iMOVE eine Plattform, um Erfahrungen auszutauschen und Lösungsansätze zu diskutieren.
Eröffnung und Zielsetzung
Die iMOVE-Veranstaltung hatte das Ziel, die deutsche Wirtschaft mit der im Ausland aktiven deutschen Bildungswirtschaft, die sich mit Rekrutierung, Anpassungsqualifikationen und Vermittlung von Fachkräften oder potenziellen Auszubildenden befasst, zu vernetzen und über Bedarfe und Herausforderungen zu diskutieren.
Bildungsanbieter, die in diesem Bereich noch nicht tätig sind, sollten eine Vorstellung davon erhalten, ob die Fachkräftevermittlung mit vorheriger Anpassungsqualifizierung und Vorbereitung auf die Einreise nach Deutschland ein Geschäftsmodell für sie werden könnte.
Ein Ziel für iMOVE bestand darin, von beiden Seiten zu erfahren, in welcher Form iMOVE sein Angebot weiter ausbauen kann, um das Matchmaking für die Fachkräftegewinnung in Deutschland zu unterstützen.
Dr. Andreas Werner, Leiter von iMOVE, begrüßte die rund 45 Teilnehmenden und hob in seiner Eröffnungsrede hervor, dass bereits viele hilfreiche Instrumente vorhanden sind, wie etwa das bestehende Netzwerk von Bildungsexport-Akteuren und die Anwendung bewährter Verfahren im Bereich der Anpassungsqualifizierungen. Er ermunterte die Anwesenden, diese Ressourcen auch für die Fachkräftegewinnung für Deutschland zu nutzen und gemeinsam Lösungsansätze für das Matchmaking zwischen Angebot und Nachfrage zu entwickeln,
Professor Dr. Tuan Nguyen, Hochschule der Bundesagentur für Arbeit
Faktoren und Herausforderungen der Migration und Integration
Professor Dr. Tuan Nguyen von der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit beleuchtete in seinem Vortrag die vielschichtigen Hindernisse bei der Migration und Integration ausländischer Fachkräfte.
Zu den größten Herausforderungen zählte er die langwierigen Visa- und Anerkennungsverfahren, Sprachbarrieren, Integrationsprobleme, hohe Kosten und den Mangel an internationalen Netzwerken. Diese Faktoren, gepaart mit dem demografischen Wandel und einem Vertrauensverlust in bestehende Systeme, führten zu einem wachsenden Fachkräftemangel, insbesondere im ländlichen Raum.
Nguyen betonte jedoch, dass entlang der gesamten Prozesskette – von der Anwerbung bis zur Integration – zahlreiche Chancen bestehen, wenn Unternehmen besser über vorhandene Möglichkeiten informiert und bei der Umsetzung unterstützt werden. Gleichzeitig forderte er eine gesellschaftliche Reflexion über Normen und Werte, da eine breite Akzeptanz für Zuwanderung die Grundlage für erfolgreiche Fachkräftegewinnung ist.
Best Practice-Modelle aus der Wirtschaft
Vertreterinnen und Vertreter aus der Wirtschaft präsentierten im Anschluss Ansätze und Modelle, die Unternehmen bei der Rekrutierung und Integration ausländischer Fachkräfte unterstützen sollen.
Maike Rödelbronn von BAUVERBÄNDE.NRW e. V. stellte einen Poolansatz vor, der Unternehmen bei der Suche nach Auszubildenden in Äthiopien und Mosambik unterstützt. Sie betonte, dass diese Vorgehensweise erweiterbar auf andere Länder ist. Trotz der positiven Erfahrungen der beteiligten Unternehmen wies sie darauf hin, dass dem Spracherwerb besondere Aufmerksamkeit zukommen muss, auch nach der Einstellung.
Elvira Kanichay von der DB Rail Academy ergänzte, dass neben der allgemeinen Sprachkompetenz auch fachsprachliche Kenntnisse oft vernachlässigt werden. Sie forderte spezifisches Coaching und praxisnahe Lösungen, insbesondere für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und die Schaffung von Anreizen, ausgebildete Fachkräfte langfristig im Unternehmen zu halten.
Die Herausforderungen in der Transportlogistik thematisierten Miriam Schwarze und Hans-Christian Daners vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e. V. Aktuell fehlen in Deutschland rund 100.000 Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer – eine Lücke, die sich angesichts der Altersstruktur weiter vergrößern wird.
Schwarze hob hervor, dass der Wettbewerb um Fachkräfte global ist und Unternehmen international um dieselben Arbeitskräfte konkurrieren. Daners betonte, wie wichtig der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen ist. Der gemeinsame Dialog und das Teilen von Erfahrungen sind essenziell, um bestehende Programme zur Fachkräftegewinnung weiterzuentwickeln und neue Ansätze erfolgreich umzusetzen.
Dr. Norbert Völker vom Didacta Verband berichtete von einem Erfolgsbeispiel aus Botsuana, das er noch in seiner Tätigkeit beim VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V.) begleitet hat. Bei diesem Projekt wurden in Botsuana Mechatroniker/-innen nach deutschem dualem System ausgebildet.
Herausforderungen der Skalierbarkeit
Als Zwischenfazit wurde die Notwendigkeit erkannt, erfolgreiche Modelle skalierbar zu machen. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass funktionierende Projekte auf breiterer Ebene umgesetzt und auf andere Branchen und Länder übertragen werden müssen. Darüber hinaus müssten bestehende Barrieren wie Sprachdefizite, hohe Kosten und bürokratische Hürden dringend abgebaut werden.
Im nächsten Teil der Veranstaltung präsentierten Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Aus- und Weiterbildungswirtschaft weitere Ansätze und Erfahrungen im Bereich der Fachkräftegewinnung.
Martina Wagner von der WBS Training AG stellte ein Programm vor, das den Mensch in den Mittelpunkt rückt und dabei auf eine gründliche Eignungsprüfung setzt. Sie betonte, dass nicht alle Kandidatinnen und Kandidaten bereit sind, ihre Familie und ihr Heimatland dauerhaft zu verlassen.
Ein bewährter Ansatz im Matchmaking-Prozess ist es, bereits während der Sprachkurse – etwa ab dem Niveau A2 – gezielt passende Unternehmen für die Bewerberinnen und Bewerber auszuwählen. Dieser frühe Abgleich von Qualifikationen und Unternehmensanforderungen ermögliche es, die Basis für eine erfolgreiche Integration zu schaffen und den Übergang in die Arbeitswelt zu erleichtern.
Von der TÜV Rheinland Akademie GmbH war Katja Kaiser zu Gast und knüpfte an die Bedeutung der sprachlichen Bildung an. Sie wies darauf hin, dass Unternehmen realistische Erwartungen an die sprachlichen und kulturellen Fähigkeiten von Fachkräften aus dem Ausland entwickeln müssen. Gleichzeitig ist ein Erwartungsmanagement auch für die Bewerberinnen und Bewerber unerlässlich. Interkulturelle Trainingsprogramme können auf beiden Seiten helfen, Missverständnisse und Kulturschocks zu vermeiden und somit die Akzeptanz und Integration zu stärken.
Ein zentrales Thema ihres Vortrags war zudem der Schutz vor der Ausbeutung ausländischer Fachkräfte. Kaiser stellte Maßnahmen vor, mit denen Partner im Ausland überprüft werden können, und betonte die Bedeutung von Feedback-Prozessen nach der Einreise. Transparenz muss immer im Vordergrund stehen, um eine faire und nachhaltige Rekrutierung zu gewährleisten, die beiden Seiten zugutekommt.
Max Reumschüssel, Geschäftsführer der Simson Private Akademie GmbH, präsentierte ein Modell, das ohne Vermittlungsagenturen auskommt. Sein Unternehmen setzt auf den Aufbau von direkten Kooperationen und Netzwerken, insbesondere in Usbekistan. Dabei spielt die Vorstellung der dualen Berufsausbildung und potenzieller Berufsfelder in Deutschland eine zentrale Rolle. Unternehmerreisen, begleitet von politischen Delegationen, seien laut Reumschüssel ein wirksames Instrument, um Vertrauen aufzubauen und Partnerschaften zu stärken.
Mit Blick auf die Diskussion um Sprachanforderungen teilte er die Erfahrung seines Unternehmens, dass Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 für den Start in Deutschland meist ausreichen. Es sei sinnvoller, zunächst mit der Arbeit zu beginnen und anschließend gezielt weiterzubilden. Betriebe könnten am besten selbst einschätzen, welches Sprachniveau für ihre Bedürfnisse angemessen ist. Usbekistan bezeichnete er zudem als besonders geeignet für die Fachkräftegewinnung, da bereits rund 600.000 Menschen über Deutschkenntnisse verfügten.
Reger Austausch und neue Perspektiven
Anschließend diskutierten die Teilnehmenden lebhaft die vorgestellten Ansätze. Unter anderem erörterten sie, wie Künstliche Intelligenz (KI) die sprachliche Bildung unterstützen kann und welche Einsparpotenziale die Digitalisierung bei der Fachkräftegewinnung bietet. Einig waren sich die Anwesenden, dass Sprache und Integration die zentralen Erfolgsfaktoren bleiben. Gleichzeitig wurden interkulturelle Kompetenztrainings für beide Seiten als vielversprechendes Geschäftsfeld identifiziert.
Abschließend bot die Veranstaltung den Teilnehmenden reichlich Gelegenheit, in persönlichen Gesprächen miteinander in Kontakt zu treten. Viele nutzten die Gelegenheit, um konkrete Ideen zur Fachkräftegewinnung zu vertiefen, bewährte Ansätze aus ihren jeweiligen Branchen zu teilen und potenzielle Kooperationen auszuloten.
Den informellen Austausch empfanden die Teilnehmerinnen und Teilenehmer als inspirierend und als wertvolle Grundlage für die Entwicklung neuer Partnerschaften und innovativer Lösungsansätze. So entstanden zahlreiche Anknüpfungspunkte, die über den Rahmen der Veranstaltung hinaus weiterverfolgt werden sollen.
Fazit und Ausblick
Das erste iMOVE-Special zur Fachkräftegewinnung zeigte klar auf, dass funktionierende Lösungen bereits existieren. Diese müssen jedoch strategisch ausgebaut und an die Bedürfnisse verschiedener Branchen und Regionen angepasst werden. Die Teilnehmenden appellierten an Unternehmen und Politik, entschlossen zu handeln, um den Fachkräftemangel langfristig zu bewältigen.
iMOVE wird diese und weitere Fragestellungen stärker in den Fokus seiner Aktivitäten nehmen und das eigene Angebot in Bezug auf die Fachkräftegewinnung für Deutschland weiter ausbauen. Vor allem das Netzwerk zur deutschen Wirtschaft wird sukzessive erweitert, um dort für die Expertise der deutschen Bildungswirtschaft zu werben und Bedarfe frühzeitig zu erfassen.
Sollten Sie als Bildungsanbieter Best Practice-Beispiele mit uns teilen wollen oder als Unternehmen Fachkräftebedarfe über die im Ausland aktive deutsche Bildungswirtschaft decken, melden Sie sich gern bei iMOVE.
Feedback
Die iMOVE-Veranstaltung am 18.11. war eine echte Bereicherung! Inspirierende Einblicke in die Fachkräftegewinnung aus der EU und Drittstaaten wie Indien oder Usbekistan, kombiniert mit Best-Practice-Beispielen und offenem Austausch zu Herausforderungen wie bürokratischen Hürden. Ein großes Dankeschön an iMOVE für die hervorragende Organisation – ich nehme viele wertvolle Impulse mit!
Wieder einmal eine inhaltlich sehr gut vorbereitete Veranstaltung mit fachkundigen Moderatoren und spannenden Vorträgen aus denen ich sehr viel mitnehmen konnte. Freue mich auf die kommende Veranstaltung.