Neuseeländische Baubranche sucht Trainingspartner in Deutschland

Eine zwölfköpfige Delegation aus Neuseeland besuchte iMOVE am 22. Februar 2024 in Bonn. Bei einem Round-Table-Meeting tauschten sich die Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk (ZWH), die Handwerkskammer Koblenz, Bau Bildung International und das Berufsförderungswerk (BFW) der Bauindustrie NRW mit den Gästen aus Neuseeland aus.

Gruppenbild

Die neuseeländischen Gäste aus Unternehmen und Behörden waren im Rahmen des Markterschließungsprogramms, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), nach Deutschland gereist, um sich über die deutsche Aus- und Weiterbildung in der Baubranche und speziell zum energetischen Bauen zu informieren.

Deutschland ist Neuseelands größter Handelspartner in der Europäischen Union und die bilaterale Beziehung wird durch das 2022 unterschriebene Freihandelsabkommen weiter gestärkt werden. Neuseeland befindet sich aktuell in einem Prozess zur Reformierung seiner dualen Ausbildung. Mithilfe internationaler Best-Practice-Beispiele soll sie nachhaltiger, energetischer und energieeffizienter gestaltet werden. Das in Deutschland erworbene Wissen soll in Neuseeland verbreitet und mit Hilfe deutscher Unternehmen auch umgesetzt werden.

Im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) organisierte iMOVE eine Informationsveranstaltung, in der sich verschiedene Arbeitsbereiche der internationalen Abteilung präsentierten. Dazu zählte die Zentralstelle der Bundesregierung für Internationale Berufsbildungskooperationen (GOVET), das Förderprogramm AusbildungWeltweit und das BILT-Projekt mit seiner Peer Learning Platform. Daneben wurden das BIBB und das duale System der Berufsbildung in Deutschland ausführlich vorgestellt.

  • Nahaufnahme Referent

    Peter Rechmann, GOVET

     
  • Nahaufnahme Referentin

    Henrike Saalfeld-Nitz, AusbildungWeltweit

     
  • Nahaufnahme Referentin

    Katharina Engel, BILT

     

Die Repräsentanz der deutschen Wirtschaft (AHK Neuseeland) informierte über die aktuelle Situation und Herausforderungen im Hinblick auf Aus- und Weiterbildung in der Baubranche.

Dort befinden sich rund 85.500 Menschen in einer formalen Ausbildung, was etwa drei Prozent der Beschäftigten entspricht. Nur 16 Prozent der Unternehmen engagieren sich im formalen Ausbildungssystem, das von den Branchen Bau, Landwirtschaft, Ingenieurwesen, Lebensmittel und Gastgewerbe dominiert wird. Zwar wachsen die Zahlen bei Ausbildungen seit Jahren, aber nur die Hälfte von ihnen werden erfolgreich beendet.

Aktuell wendet die Regierung über 3,8 Milliarden Neuseeland-Dollar für die Berufsbildung auf. Langfristig sollen mehr Frauen und mehr Angehörige der Maori, aber auch mehr Arbeitgeber in das Berufsbildungssystem eingebunden werden.

Nahaufnahme Referent

Joshua Williams, Skills Consulting Group, AHK Neuseeland

Nachmittags bot iMOVE den Gästen die Möglichkeit, sich mit Repräsentantinnen und Repräsentanten aus vier Organisationen der Berufsbildung im Rahmen eines Round-Table-Meetings auszutauschen: Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk (ZWH), Handwerkskammer Koblenz, Bau Bildung International und Berufsförderungswerk (BFW) der Bauindustrie NRW.

Besonders Interesse äußerten die Gäste aus Neuseeland an Austauschprogrammen für Auszubildende und Ausbilder und an Berufsorientierungsprogrammen für Schülerinnen und Schüler, die in den Schulen in erster Linie auf eine akademische Karriere vorbereitet werden.

  • Nahaufnahme Referentin

    Juliane Kriese, ZWH

     
  • Nahaufnahme Referentin

    Dr. Constanze Küsel, Handwerkskammer Koblenz

     
  • Nahaufname Referent

    Phillipp Stefan, Bau Bildung International

     
  • Nahaufnahme Referent

    Björn Müller, BFW der Bauindustrie NRW

     

Bereits am Vortag hatte die Delegation das Bildungszentrum des BFW in Kerpen bei Köln besucht. Dabei zeigte sich die Delegation beeindruckt von der Vielfalt der Trainingsmöglichkeiten auf dem Gelände und den Unterbringungsmöglichkeiten für auswärtige Trainingsteilnehmerinnen und -teilnehmer.

Auf dem Programm standen während des Deutschlandaufenthalts der Neuseeländerinnen und Neuseeländer auch ein Besuch der Handwerkskammer München und der Bildungsmesse didacta in Köln.

Informationen zur Bau- und Ausbildungsbranche

Der Bausektor ist Neuseelands fünftgrößte Industrie, erwirtschaftet 6,7 Prozent des realen Bruttoinlandsprodukts, umfasst landesweit rund 70.600 Unternehmen (12,6 Prozent aller neuseeländischen Unternehmen) und beschäftigt fast 300.000 Menschen (rund 10,5 Prozent aller Arbeitskräfte). Charakteristisch für die Branche ist der hohe Anteil an männlichen und abschlussqualifizierten Arbeitskräften verglichen mit den meisten anderen Branchen Neuseelands.

Der Großteil der Wohnungsbestände in Neuseeland datiert aus den 1960er und 1970er Jahren und benötigt dringende energetische Sanierung. Das Land hat sich als Teil des Emissionsreduktionsplans zum Ziel gesetzt, dass bis 2050 gebäudebedingte Emissionen bei nahe Null liegen und dass Gebäude widerstandsfähig gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels sind. Es gibt daher eine Reihe teils staatlich finanzierter Projekte für die Förderung emissionsfreier energieeffizienter Gebäude und die Nachfrage steigt. Dafür werden jedoch auch qualifizierte Fachkräfte, die mit State-of-the-Art-Technologien und -Wissen ausgebildet werden, benötigt.

Auszubildener vermisst eine Mauer

Auszubildender im Bildungszentrum des Berufsförderungswerks der Bauindustrie NRW

Reform des neuseeländischen Ausbildungssystems

2022 befanden sich in Neuseeland insgesamt 280.820 einheimische Lernende in beruflicher Ausbildung, wovon 51.200 im Architektur- und Bausektor tätig waren. Ausbildungsplätze in Neuseeland stehen allen Personen ab 16 Jahren offen. Es wird zwischen anbieterbasierter- und betriebsbasierter Ausbildung unterschieden.

2020 startete die neuseeländische Regierung eine Reform des Ausbildungssystems. Ziel ist es, Ausbilderinnen und Ausbilder besser dabei zu unterstützen, die benötigten Kompetenzen zu vermitteln und eine einheitliche Berufsausbildung im ganzen Land zu gewährleisten, die besser auf die Bedürfnisse der Industrie abgestimmt ist.

Faktoren, die das Arbeiten im Bausektor verändern und an das Ausbildungssystem angepasst werden müssen, sind beispielsweise der Technologiewandel, das Erreichen der Klimaziele, ein Rückstand an Infrastrukturinvestitionen und der Bedarf einer höheren Produktivität.

Auszubildender arbeitet an Holzbalken

Auszubildender im Bildungszentrum des Berufsförderungswerks der Bauindustrie NRW

Marktchancen für deutsche Unternehmen

Neuseeland verzeichnet, wie auch Europa, eine alternde Bevölkerung, sowie eine geringere Anzahl von Berufsanfängern, wodurch das Problem des Fachkräftemangels im Land zunimmt. Die Reform des Ausbildungssystems soll diesem Problem entgegenwirken, jedoch steckt deren Umsetzung noch immer in der Anfangsphase.

Laut Te Pūkenga, dem neuseeländischen Bildungsinstitut für Kompetenzen und Technologie, ist das Engagement und der Input von erfahrenen Interessenträgern gefragt, um die Reformziele zu erreichen. Große Potenziale werden vor allem für alle herkömmlichen handwerklichen Ausbildungsberufe der Bau- und Infrastrukturbranche gesehen.

Die Anforderungen an das neue Ausbildungssystem liegen darin, die Effizienz bei der Vermittlung beruflicher Fähigkeiten sowie die Produktivität und Effizienz der Auszubildenden zu steigern. Außerdem werden im Rahmen der ehrgeizigen Klimaziele Neuseelands die geltenden Energieeffizienz- und Emissionsauflagen weiter verstärkt mit der Folge, dass auch die zu übermittelnden Fähigkeiten und Standards im Ausbildungsprogramm entsprechend angepasst werden müssen. Ein Wissenstransfer bezüglich deutscher Baustandards wäre für Neuseeland von großem Nutzen.

In ultimativer Zielsetzung soll die Delegation den Auftakt für ein wegweisendes Austauschprogramm zwischen Handwerkern aus Neuseeland und Deutschland bilden. Dieses Programm dient nicht nur der intensiven fachlichen Zusammenarbeit, sondern zielt auch darauf ab, die Attraktivität der Berufsausbildung nachhaltig zu steigern.