China: Qualifizierung für die Lernkultur 4.0

mehrere Chinesen beugen sich über einen Papierbogen auf dem Tisch, den sie beschriften

Am chinesischen Shunde Polytechnic College können Lehrkräfte eine modulare Mastertrainerqualifizierung absolvieren. Dabei erwerben sie fachspezifische Kenntnisse und didaktisch-methodische Kompetenzen, die sie auf die neue Lernkultur 4.0 vorbereiten.

Das Ziel der Qualifizierung der Masterlehrkräfte ist es, die chinesische Berufsausbildung mit neuen fachspezifischen Inhalten und innovativen didaktisch-methodischen Konzepten auf eine Lernkultur 4.0 vorzubereiten. Durch die Qualifizierung sollen die künftigen Masterlehrerinnen und -lehrer in der Lage sein, andere Collegelehrkräfte auszubilden, das Masterlehrerkonzept zu verbreiten und selbstständig für Kompetenzzentren weiterzuentwickeln, die gerade aufgebaut werden.

Das Shunde Polytechnic College in der chinesischen Provinz Guangdong finanziert die Entwicklung und Durchführung der Mastertrainerqualifizierung. In Deutschland übernimmt die Gesellschaft für Bildung und Beruf e. V. (GBB) die Projektkoordination und Organisation. Bildungsberater und Moderator Professor Dr. Bernd Ott führt vor Ort die Fortbildungsmaßnahmen mit einem festen chinesischen Partner als Dolmetscher durch.

Arbeitsgruppe

Masterlehrerkonzept

Das Masterlehrerkonzept besteht aus drei einwöchigen Fortbildungsmodulen, auf die jeweils eine mehrmonatige Praxis- und Anwendungsphase folgt.

Die inhaltlichen Schwerpunkte der drei Module sind selbstorganisiertes Lernen im problem- und handlungsorientierten Unterricht, Lerncoaching in der kompetenzbasierten und prozessorientierten Ausbildung sowie Methodentraining und Moderationstechnik für Masterlehrer.

    Selbstorganisiertes Lernen im problem- und handlungsorientierten Unterricht

    Modul 1

    Im Basismodul erarbeiten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Grundlagen zur Lernplanung, Lernorganisation und Lernkontrolle. Sie analysieren die Theorie- und Praxisinhalte für eine konkrete Lernsituation bezogen auf eine ganzheitliche Vermittlung von Fach- und Personalkompetenzen. In einer „Lernlandkarte“ werden die Lerninhalte zur lernlogischen Struktur aufbereitet. Für diese Lernsituation werden die angestrebten Kompetenzarten analysiert und in unterschiedliche Kompetenzniveaus differenziert.

    Die neuen didaktisch-methodischen Kompetenzen setzen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann sofort ein. Sie planen einen problem- und handlungsorientierten Unterricht, führen diesen in Fachklassen durch und bewerten ihre Leistung selbst.

    Lerncoaching in der kompetenzbasierten und prozessorientierten Ausbildung

    Modul 2

    Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entwickeln die Aufgaben eines Lerncoachs und wenden diese direkt an. Dabei sollen sie ihre individuellen Stärken erkennen und berücksichtigen sowie Verbesserungsmöglichkeiten im Kontext der Lernkultur 4.0 einbringen. Sie lernen, wie selbstorganisiertes und kooperatives Lernen im Unterricht und in der Werkstatt strukturiert und didaktisch-methodisch organisiert wird.

    Ein ganzheitlicher Lernplanungsprozess der kompetenzbasierten und prozessorientierten Ausbildung wird für einen konkreten betrieblichen Auftrag durchgeführt und auf das Prozessmodell einer vollständigen Arbeitshandlung übertragen.

    Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer analysieren den Handlungsprozess der Auszubildenden und leiten daraus situative Lernhilfen beim Lerncoaching ab. Dann führen sie den Lernprozess praktisch durch, kontrollieren das Lernergebnis und bewerten den Handlungsprozess der Lernenden.

    Methodentraining und Moderationstechnik für Masterlehrer (Train-the-Trainer)

    Modul 3

    Im abschließenden Modul geht es um Praxiserfahrungen mit neuen Lernkonzepten. Im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung werden neue, digitale Lernmedien in konkreten Unterrichtsbeispielen diskutiert und anschließend ausprobiert. Die neue Methodenkompetenz vertiefen die angehenden Mastertrainer in Lernstationen und wenden sie ausbildungspraktisch an.

    Im Moderationstraining lernen sie geeignete Vorgehensweisen bei der eigenen Seminarplanung kennen, die sie dann bereits während der Fortbildung mit anderen Kolleginnen und Kollegen praktisch anwenden und erproben.

    Das Modul 3 dient insbesondere als Vorbereitung auf die nachgeschaltete Transferphase der Masterlehrkräfte, aber auch als Forum für das Qualitätsmanagement in Kompetenzzentren.

    Kompetenzzentren entstehen

    Das Shunde Polytechnic College ist eine Einrichtung mit zehn Fakultäten, an denen 850 Dozentinnen und Dozenten rund 15.000 Studierende ausbilden. Aktuell bauen die chinesischen Kolleginnen und Kollegen des Colleges Kompetenzzentren in den Sektoren Mechatronik, Kraftfahrzeug-Technik, Werkzeug-Technik und Klimatechnik auf.

    Die Kompetenzzentren sollen technische Anpassungsfortbildungen zur Industrie 4.0 und didaktisch-methodische Anpassungen zur Lernkultur 4.0 durchführen. Im Bereich Lernkultur 4.0 wird das Masterlehrerkonzept eingesetzt. Für beide Fortbildungsbereiche wurden Fachteams gebildet, die von einem Mastertrainer geleitet werden und die ein mehrstufiges Kompetenzmodell praktisch umsetzen sollen.

    Die Aufgaben der Kompetenzzentren werden sein:
     

    • neues Fachwissen vermitteln: Zukunftstechnologien zur Industrie 4.0
    • neue Didaktik und Methodik anwenden: Anpassung an die Lernkultur 4.0
    • neue Lehrerrolle leben: Schülercoaching - auch in der Werkstatt
    • neue Moderatorenrolle einnehmen: Lernkultur 4.0 an Kollegen vermitteln
    • neue Forschungskompetenz entwickeln: Weiterbildungsprojekte schaffen

    Die Gesamtkoordination am Shunde Polytechnic College übernimmt das "Zentrum für Lehrerbildung". Das diesbezügliche Strategiekonzept sieht drei Entwicklungs- und Transferstufen vor:

    • Stufe 1: Aufbau und Entwicklung von mehreren fachspezifischen Kompetenzzentren
    • Stufe 2: Verbreitung und Weiterentwicklung in ausgewählten Kooperationsschulen
    • Stufe 3: Verbreitung und Weiterentwicklung in anderen Colleges der Provinz Guangdong
    junge Chinesen sitzen in mehreren Arbeitsgruppen an Tischen

    Wie die deutsch-chinesische Zusammenarbeit entstand

    Anfang 2015 organisierte die GBB eine dreimonatige Weiterbildung für zwanzig chinesische Berufsschullehrer in Dortmund. Im Rahmen dieses Projektes führte Professor Dr. Bernd Ott ein fünftägiges Seminar "Technikdidaktik" durch.

    Unter den Teilnehmern war ein Lehrer aus der Provinz Guangdong. Er war von dem Seminar so begeistert, dass er bereits im Jahr 2016 am Shunde Polytechnic College eine Masterlehrerfortbildung organisierte.

    2017 wurde das Konzept der Masterlehrerqualifizierung gemäß den Anforderungen des Shunde Polytechnic Colleges weiter angepasst und lokalisiert. Im Jahr 2018 wird das Masterlehrerkonzept nun beim Aufbau von Kompetenzzentren angewendet.

    Langer Atem notwendig

    Auf die Frage von iMOVE nach möglichen Herausforderungen für die Geschäftstätigkeit in China, nannte Professor Ott spontan: "Es sind ein langer Atem, sehr gute Fachdolmetscher und gute Kontakte nötig, um in China erfolgreich zu sein." Dafür sind gute Kooperationspartner vor Ort, hier zum Beispiel auch iMOVE, ausgesprochen hilfreich.

    Ferner sind die Berücksichtigung der Wünsche der chinesischen Partner und eine Flexibilität hinsichtlich der örtlichen Gegebenheiten ein Muss für eine gute Zusammenarbeit. Im Projektverlauf wurden häufiger Änderungen an den didaktisch-methodischen Fortbildungskonzepten notwendig und auch die Organisationsstrukturen mussten zwischenzeitlich angepasst werden. Beides muss möglich sein, ohne die Zusammenarbeit an sich in Frage zu stellen.

    Trotz dieser Herausforderungen - das Interesse am Thema "Lernkultur 4.0" ist im ganzen Land riesig. Und für Ott ist das Interesse an dem Land und seinen Menschen ein entscheidender Erfolgsfaktor.

    © Fotos: Gesellschaft für Bildung und Beruf e. V. , Professor Dr. Bernd Ott

    junger Chinese in einer Arbeitsgruppe
    Nahaufnahme Chinese in einer Arbeitsgruppen
    Chinesen sitzen in Stuhlreihen
    Arbeitsgruppe sitzt um einen Tisch
    Chinese zeigt etwas an einer Tafel
    Chinese und Deutscher zeigen ein Zertifikat in die Kamera und lächeln

    Kontakt

    Logo Führungs- und Trainingsakademie Ganzheitliche Berufsbildung

    Professor Dr. Bernd Ott
    Bildungsconsulting
    Finkenweg 3
    67167 Erpolzheim
    Telefon: 06353 1618

    iMOVE-Büro China

    Trainingsszene mit Ausbilder und chinesischem Auszubildenden

    GBB

    GBB (Gesellschaft für Bildung und Beruf e. V.) ist Mitglied in der iMOVE-Anbieter-Datenbank.