Spaniens Regierung strebt eine Verbesserung der Berufsausbildung an. Nach der Deutsch-Spanischen Ausbildungskonferenz im Juli 2012, berichten verschiedene Medien über die Entwicklung in diesem Bereich.
Spanien will bessere Berufsausbildung
Germany Trade & Invest GTAI, 30.08.2012
Mehr Wettbewerbsfähigkeit durch Orientierung am deutschen "Dualen System"
Spaniens Regierung strebt eine Verbesserung der Berufsausbildung an. Dies ist Teil einer Strategie, um im Lande langfristig Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
Hierbei kommt dem deutschen Modell der "Dualen Berufsausbildung" ein besonderer Stellenwert zu. Ein neues spanisches Berufsausbildungsmodell mit starken "dualen Elementen" soll demnach 2013/14 eingeführt werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist in Bearbeitung.
Spanien befindet sich in vielen Bereichen in einer Neuorientierung. Aufgrund des starken Wirtschaftseinbruchs sowie den laufenden Anpassungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen gewinnt die langfristige Neupositionierung des Landes an Bedeutung. Hierzu zählen unter anderem eine geplante Reindustrialisierung sowie eine im Gang befindliche Neustrukturierung des gesamten Erziehungswesens.
In diesem Zusammenhang nimmt die Bedeutung der Berufsausbildung, der bisherigen sogenannten "Formación Profesional (FP)", zu und die "Duale Ausbildung" erhält zusätzliche Relevanz.
Ziel der Maßnahmen: Die Produktivität in den Unternehmen zu steigern und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu heben.
Letztendlich sollen über eine erhöhte Konkurrenzfähigkeit und eine Wirtschaftsbelebung ein Abbau der extrem hohen Arbeitslosigkeit (namentlich der Jugendarbeitslosigkeit) erreicht und der Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten langfristig gesichert werden.
Reform der spanischen Berufsausbildung
Schon die frühere PSOE-Regierung (PSOE: Partido Socialista Obrero Español) hat in den letzten Jahren ihrer Amtszeit zögerliche Ansätze hin zu einer verbesserten Ausbildung (unter anderem durch den sogenannten Praktikums-Vertrag) unternommen.
Die jetzige PP-Regierung (PP: Partido Popular) hat sich eine Verbesserung des Erziehungssystems und generell der Ausbildung schon früh auf die Fahnen geschrieben.
So kündigte Ministerpräsident Mariano Rajoy bereits im Wahlkampf eine Umstrukturierung der spanischen "FP-Ausbildung" an. Er sprach sich ferner in seiner Antrittsrede für ein verbessertes Ausbildungssystem aus. Ein entsprechendes Gesetz befindet sich gegenwärtig seitens des Ministeriums für das Erziehungswesen in Bearbeitung.
Aufgrund des stark dezentralen Staatsaufbaus ist in Spanien die Zentralregierung für die gesetzliche Grundlage (Berufsausbildungsgesetz) verantwortlich, dessen Umsetzung (Durchführungsbestimmungen) dann den autonomen Regionen (Comunidades Autónomas, CC.AA.) obliegt.
Es wird nicht auf eine 1:1 Umsetzung des deutschen "Dualen Systems" hinauslaufen. Allerdings wird es verstärkte "duale Elemente", enthalten und auf den spanischen Bedarf zugeschnitten sein. Es soll, so die Zielsetzung, letztendlich deutlich besser sein als das bisherige spanische Berufsausbildungssystem in der Art der "Formación Profesional (FP").
Der Gesetzentwurf zur Reform der Berufsausbildung und der Ausarbeitung von Grundelementen der "Dualen Ausbildung" wird während der kommenden Monate beraten. Die Bemühungen sollen letztendlich in einen neuen Ausbildungsvertrag ("Contrato de Formación y Aprendizaje") münden.
Das Vorhaben wurde auf einer Konferenz des Ministers für das Erziehungswesen, José Ignacio Wert, am 24.5. den Vertretern der autonomen Regionen (Comunidades Autónomas, CC.AA.) vorgestellt.
Wenngleich sich die Regierung entschlossen zeigt, die Reform schnellstmöglich einzuführen, muss realistischerweise davon ausgegangen werden, dass das neue Berufsausbildungssystem als Gesetzesrahmen 2013 für das Ausbildungsjahr 2013/14 vorliegen wird und erst danach die Umsetzung auf der Ebene der autonomen Regionen beginnen kann.
Vorreiter autonome Region Madrid
Vorgeprescht ist bereits die autonome Region Madrid. Sie hat bereits im Schuljahr 2011/12 eine Erweiterung des bisherigen Berufsausbildungssystems in Form der "FP Dual" in den Bereichen Flugzeugtechniker und Software-Spezialist angeboten. Dabei wurden 60 junge Leute unter anderem durch die Firmen Iberia, Cassidian, Swiftair, Microsoft, Hewlett-Packard, Avanade und ZED ausgebildet.
Für das Schuljahr 2012/13 ist nun eine Ausweitung um 17 weitere Ausbildungsgänge und Wirtschaftssektoren vorgesehen, darunter Kraftfahrzeug-Mechaniker, Elektriker, das Hotel- und Gaststättenwesen sowie das Transport- und Speditionswesen. 500 Auszubildende sollen sich einschreiben und die Zahl der beteiligten Unternehmen dürfte sich ebenfalls deutlich erhöhen.
Spanisch-deutsche Zusammenarbeit in Berufsbildung
Seitens der spanischen Regierung besteht ein ernsthaftes Interesse mit deutschen Stellen für eine Verbesserung der Berufsausbildung im Lande zusammenzuarbeiten.
An der am 12.7.12 von Bundesministerin Annette Schavan veranstalteten Berufsbildungskonferenz in Stuttgart nahm auch der spanische Minister für das Erziehungswesen, José Ignacio Wert Ortega, teil. Auf ihr wurde außerdem eine Absichtserklärung im Bereich der Berufsausbildung zwischen Frau Schavan und Herrn Wert Ortega unterzeichnet. In ihr heben sie die Bedeutung der Berufsausbildung als Schlüsselfaktor für die sozialökonomische Entwicklung und den sozialen Fortschritt hervor und vereinbaren eine verstärkte Zusammenarbeit.
Diese aktuellen Vorhaben decken sich mit den seit Jahrzehnten im Land bereits laufenden Ausbildungs- und Weiterbildungsanstrengungen in den deutschen Unternehmensniederlassungen. Ansatzpunkt ist dabei die Ausrichtung am "erfolgreichen deutschen Modell", das implementiert werden soll, wie es die autonome Region Madrid ausdrücklich festhält und wie es seitens des Ministeriums ebenfalls hervorgehoben wird.
Nicht zuletzt wurde dies durch die langjährige Ausbildungsarbeit der deutschen Unternehmen im Lande und durch die vielseitige Tätigkeit der Deutschen Handelskammer für Spanien (AHK) gefördert.
Deutsche Unternehmen in Spanien und AHK engagieren sich in Ausbildungsarbeit
Das bestehende Ausbildungsdefizit, versuchten nämlich deutsche Unternehmern im Lande zusammen mit der Deutschen Handelskammer für Spanien (AHK) durch Einführung des "dualen Ausbildungssystems" abzubauen.
Das deutsche Modell der dualen Ausbildung in Spanien geht auf die 80er Jahre zurück. Seinerzeit suchten die führenden Großunternehmen in Barcelona und Madrid nach einer Alternative zu den auf drei bis fünf Jahre aus Deutschland kommenden Entsandtkräften der mittleren Firmenebene. Es sollte sich um eine Berufsausbildung handeln, die eine Alternative für kaufmännische Berufe zum Studium bot.
So kam es zur Gründung der staatlich anerkannten deutschen Auslandsberufsschule ("Asociación Hispano-Alemana de Eseñanzas Técnicas, ASET") - 1981 in Barcelona und 1982 in Madrid.
Nach einem Jahrzehnt der Tätigkeit wurden beide Ausbildungszentren von der Kultusministerkonferenz (KMK) als die ersten unabhängigen Auslandsberufsschulen staatlich anerkannt. Sie stehen in dieser Hinsicht auch weiterhin weltweit einmalig dar.
Der Stellenwert einer guten Berufsausbildung muss im deutschen Unternehmensumfeld in Spanien denn auch nicht groß erklärt werden. "Das duale Ausbildungssystem ist einer der Eckpfeiler der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes" sagt Dr. Bernhard Iber, ASET-Präsident und Geschäftsführer von Stihl Spanien und unterstreicht: "Obwohl Spanien über drei der zehn besten Business Schools der Welt verfügt, weist das Land in der Facharbeiterausbildung und im mittleren Managementbereich unverändert Probleme auf."
In einem zweijährigen Ausbildungsplan werden gegenwärtig die Berufsausbildungsgänge Industriekaufmann/-kauffrau sowie Kaufmann/Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistung angeboten. Der Unterricht wird in Deutsch abgehalten, aufbauend auf den in Deutschland gültigen Lehrplänen. Die Berufsausbildung findet im Blocksystem statt, das heißt sechs Wochen Theorie bei ASET und acht bis zwölf Wochen Ausbildung im Betrieb. Insgesamt handelt es sich, wie Susanne Gierth, ASET-Direktorin in Madrid, hervorhebt, um ein "multilinguales Ausbildungsprogramm - Deutsch in der Schule, Spanisch und vielfach auch Englisch in den Betrieben".
Alljährlich schließen zwischen 25 und 30 junge Menschen ihre Berufsausbildung an der ASET in Madrid und in Barcelona ab. Nach dem ersten Ausbildungsjahr erfolgt eine Zwischenprüfung und nach zwei Jahren die Abschlussprüfung. Beide werden vor der Deutschen Handelskammer für Spanien (AHK) in Madrid abgelegt. Der Kaufmannsgehilfenbrief nach zwei Jahren wird vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin anerkannt.
Gegenwärtig gibt es in beiden Ausbildungszentren in Barcelona und Madrid 75 Auszubildende. Insgesamt verfügt ASET über 80 Ausbildungsunternehmen, von denen aber gegenwärtig nur rund 40 aktiv in der Berufsausbildung beteiligt sind, darunter unter anderem AirBerlin, Kühne & Nagel, Liebherr, Mercedes, Rhenus Logistics, Siemens und Stihl.
Die beiden Zentren verfügen über jeweils vier Vollzeit-Lehrkräfte für Betriebswirtschaftslehre und einige Teilzeitlehrer und werden als Schulen im Netzwerk der Deutschen Auslandsschulen durch die Bundesrepublik Deutschland (BVA/ZfA) schon seit Jahren unterstützt und gefördert.
Die Unternehmen kostet ein Ausbildungsplatz etwa 12.000 Euro im Jahr. Mit diesem Betrag sind das Schulgeld, die monatliche Ausbildungsunterstützung und die Sozialversicherung abgedeckt. Es wird als großer Erfolg angesehen, dass es angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftskrise, mit zum Teil massivem Personalabbau, ASET gelungen ist, 40 neue Ausbildungsplätze für das Schuljahr 2012/13 zu schaffen.
Als großes Plus einer "Dualen Ausbildung" unterstreichen sowohl Susanne Gierth, ASET-Direktorin in Madrid, als auch Lothar Sprenzel, ASET-Direktor in Barcelona, dass sie "eine qualifizierte Berufsausbildung mit einer ausgeprägten Mehrsprachigkeit verbindet. Dies schult unsere Auszubildenden, in verschiedenen Kulturen zu denken sowie zu handeln und prägt ihre interkulturelle Kompetenz." Und die Berufschancen sind gut.
"Ein Großteil unserer Absolventen findet sich in der mittleren und oberen Managementeben wieder", stellt der langjährige frühere ASET-Direktor in Madrid Alfred Giehl fest und hebt gleichzeitig hervor, dass sie ihre Position in den Betrieben auch in der gegenwärtigen Lage gut behaupten. In etwa 30 Jahren durchliefen über 1.400 junge Menschen eine ASET-Berufsausbildung.
Gegenüber einer deutschen Berufsausbildung, so die ASET-Direktionsebenen in Barcelona und Madrid, stechen in Spanien drei Merkmale hervor: Sie ist um ein Jahr kürzer, sie hebt stark auf die sprachliche Kompetenz ab und sie betont besonders eine fundierte Informatik-Ausbildung.
Ab Herbst wird ein neuer Ausbildungsgang in Barcelona eingeführt. Es handelt sich um eine Berufsausbildung nach deutschen Lehrplänen auf Spanisch mit verstärktem Deutsch-Unterricht. Neben dem bisherigen Ausbildungsgang auf Deutsch ("ASET D") tritt nun ein spanischer Zweig ("ASET E"). In Madrid sind ebenfalls Bemühungen in dieser Richtung im Gange.
Daneben laufen eine Reihe besonderer Ausbildungsvorhaben speziell auf Firmenebene, in die die Deutsche Handelskammer für Spanien (AHK) in vielfältiger Weise eingebunden ist.
So hat Volkswagen Navarra in Pamplona drei Ausbildungsberufe (Mechatroniker, Werkzeugmacher und Elektroniker für Automatisierungstechnik), aufbauend auf dem spanischen "FP Superior", eingeführt, die den deutschen Ausbildungsgängen entsprechen, so dass die AHK die entsprechenden Zertifikate ausstellt.
Mercedes Benz in Vitoria ermöglicht es Spaniern, die bereits einen spanischen Meistertitel ("Maestro Industrial") besitzen, durch einen Weiterbildungskurs den Titel eines deutschen "geprüften Industriemeisters" zu erwerben; hier erstellt die AHK ein Gleichstellungszertifikat mit der deutschen Ausbildung zum Meister.
Zudem führt ALDI gemeinsam mit ASET in Barcelona für das Schuljahr 2012/13 für seine Mitarbeiter eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann ein. 30 junge spanische Auszubildende beginnen im September mit ihrer dualen Ausbildung, die von der katalanischen Landesregierung vollumfänglich anerkannt wird und die erstmalig in der Geschichte der ASET ausschließlich in der Landessprache durchgeführt und mit einem spanienweit anerkannte Berufsschulabschluss zertifiziert wird. Lothar Sprenzel, Direktor der ASET Barcelona, sieht darin einen Meilenstein für Spanien auf dem Weg, die duale Berufsausbildung einzuführen.
Für ASET stellt das Projekt die große Chance dar, Vorreiter und Pionier auf diesem Weg zu sein. Auch die AHK ist involviert in die Zwischen- und Abschlussprüfung.
Die AHK ist voll in die Berufsausbildung integriert und nimmt eine Vorreiterstellung in Bezug auf die engagierte Vertretung des deutschen "Dualen Ausbildungssystems" im Lande ein. Die AHK begleitet und berät auf institutioneller Ebene (so zum Beispiel bei der Zentralregierung und bei einer Reihe autonomer Regionen). Sie führte im Rahmen der seitens der Deutschen Botschaft organisierten "Deutschen Wochen" im Mai 2011 vor einer großen Zuhörerschaft ein Seminar zum "Dualen System" in Madrid durch. Ferner organisierte die AHK Informationsbesuche über die "Duale Ausbildung" in Deutschland: Im Frühsommer 2011 den Besuch einer Delegation des spanischen Arbeitgeberverbandes CEOE in Berlin sowie den der Präsidentin und der Erziehungsministerin der autonomen Region Madrid in München. Schließlich nahmen der AHK-Geschäftsführer und der ASET- Präsident an der am 12.7.12 in Stuttgart von Bundesministerin Annette Schavan veranstalteten Berufsbildungskonferenz in Stuttgart teil, wobei die AHK Spanien die bisherigen dualen Initiativen in Spanien vorstellte.
Die AHK ist zudem in den Medien in vielfältiger Weise werbend für das "Duale Ausbildungssystem" tätig. Der AHK-Geschäftsführer, Dr. Walther von Plettenberg, zeigt sich denn auch über den erreichten Stand zufrieden: "Es ist erfreulich zu sehen, wie nach den bescheidenen Anfängen der allein aus deutscher Initiative entstandenen ASET in den 80-iger Jahren, heute in Spanien, auf zentralstaatlicher Ebene und auf der Ebene der autonomen Regionen, das Interesse für eine Verstärkung dualer Elemente in der Berufsausbildung endlich erwacht ist und es seit 2011 eine Vielzahl konkreter Ansätze gibt, die uns erwarten lassen können, dass Spanien in Kürze ebenfalls eine neue viel dualer geprägte Ausbildung haben wird. Damit wird in Spanien einem konkreten Bedarf von Unternehmen entsprochen und vielen Jugendlichen eine Chance eröffnet, den Weg in den Beruf auf organische Weise zu finden".
Germany Trade & Invest GTAI, 11.09.2012
Deutsch-spanisches Unternehmertreffen will Zusammenarbeit zur Wettbewerbsstärkung intensivieren
Mit einem klaren Bekenntnis zur Vertiefung der europäischen Integration und zur Stärkung des Euro endete am 6.9.12 ein spanisch-deutsches Unternehmertreffen in Madrid.
Die Firmensprecher hoben hervor, dass sie die bereits guten Beziehungen auf vielen Ebenen weiter intensivieren wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy unterstrichen die Weiterführung der laufenden Reformprozesse zur Verbesserung der internationalen Konkurrenzfähigkeit.
Auf einem hochkarätig besetzten spanisch-deutschen Unternehmertreffen ("Encuentro Empresarial Hispano-Aleman") legten die versammelten Firmenchefs ein eindeutiges Bekenntnis zur europäischen Integration sowie zur Gemeinschaftswährung ab.
Der europäische Einigungsprozess sei nicht rückgängig zu machen und das nach außen sichtbarste Symbol, der Euro, müsse gemeinsam verteidigt werden. Die Firmensprecher hoben die seit Jahrzehnten bestehenden exzellenten Beziehungen zwischen beiden Ländern hervor, die es angesichts weltweiter Herausforderungen weiter zu intensivieren und auszubauen gelte. Hier wurden auf dem Treffen eine Reihe von Feldern abgesteckt, auf denen sich die Zusammenarbeit weiter verbessern könne.
Angeführt von den Präsidenten der Spitzenorganisationen beider Länder, auf spanischer Seite Juan Rosell (CEOE) und Manuel Teruel (CSC) sowie auf deutscher Seite Hans-Peter Keitel (BDI) und Hans-Heinrich Driftmann (DIHK), trafen sich nahezu 100 Firmenvertreter. Darüber hinaus nahmen die Repräsentanten der Arbeitnehmerschaft Michael Sommer (DGB) sowie Candido Mendez (UGT) und Ignacio Fernandez Toxo (CCOO) an dem Treffen teil.
Den Auftakt bildete eine Grundsatzrede des spanischen Ministers für Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit, Luis de Guindos.
Ohne Umschweife hob er die schwierige Situation hervor, in der sich die spanische Volkswirtschaft befinde. Die Wirtschaft weise seit fünf Jahren bereits kein Wachstum mehr auf, gleichzeitig sei die Arbeitslosigkeit auf eine Höchstziffer angestiegen. Die Ungleichgewichte, die die PP-Regierung bei Amtsübernahme im Dezember 2011 vorgefunden habe, bildeten extrem hohe private Verschuldung, Immobilienblase und Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Die Konsequenzen der über Jahre hinweg sich aufgestauten Verzerrungen seien die Zerrüttung der Staatsfinanzen, die Vernichtung von Arbeitsplätzen und schließlich die Krise im Finanzsektor gewesen.
De Guindos betonte, die Regierung habe in kürzester Zeit eine ehrgeizige Reformagenda beschlossen und sei dabei, sie Schritt für Schritt umzusetzen.
Wenngleich die Strukturreformen naturgemäß einige Zeit dauerten bis sie ihre volle Wirkung zeigten, wären aber heute schon zwei klare Erfolge sichtbar: Erstens verfüge Spanien über eine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft, was sich in einer generell guten Export-Performance, im Handelsbilanzüberschuss mit dem Euro-Raum, in sinkenden Lohnstückkosten und im schnellen Rückgang des Leistungsbilanzdefizits zeige. Zweitens verfüge Spanien über eine nachhaltige Volkswirtschaft, was klar im Rückgang der privaten Verschuldungsquote, der infolge drastischer Fiskalanpassungen verbesserten Etatsituation, der im EU-Vergleich vorteilhaften Alterspyramide, dem entschlossenen Reformprozess und dem nach erfolgter Sanierung gestärkten Finanzsektor zum Ausdruck käme.
Der Minister hob hervor, dass die beiderseitigen Beziehungen exzellent seien und sich aus spanischer Sicht vor allem während der letzten Jahre eindrucksvoll verbessert haben, was die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Volkswirtschaft zusätzlich unterstreiche.
Deutschland sei zwar traditionell das wichtigste Lieferland (2011: 30,7 Mrd. Euro), aber es stelle mittlerweile auch den zweitwichtigsten Markt für spanische Ausfuhren (2011: 21,8 Milliarden Euro) dar. Das vormals extrem hohe Außenhandelsungleichgewicht zuungunsten Spaniens (2007: 20,0 Milliarden Euro) habe sich schrittweise verringert (2011: 8,9 Milliarden Euro). Die deutschen Direktinvestitionen (Stock) in Spanien beliefen sich gegenwärtig auf über 26 Milliarden Euro, die spanischen in Deutschland auf über 15 Milliarden Euro.
In den sich an die Grundsatzrede des spanischen Ministers anschließenden vier großen Sitzungen ging es um die folgenden Themen:
- Erstens um die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und den Euro als entscheidender Faktor;
- zweitens um erfolgreiche Erfahrungen deutscher und spanischer Investoren;
- drittens um Berufsausbildung und Innovation, Forschung und Entwicklung als Motoren der Wettbewerbsfähigkeit;
- viertens um Europa als Wirtschaftsstandort und Internationalisierung, Zugang zu Finanzierung sowie Reduzierung administrativer Hürden.
Viele deutsche Unternehmenssprecher würdigten die entschlossenen spanischen Reformanstrengungen und betonten, dass sie vielfach im Ausland nicht ausreichend eingeschätzt würden. Hier käme es darauf an, entschlossen die bereits erzielten Erfolge den Finanzmärkten zu vermitteln, um die Risikoaufschläge zu verringern und so eine Erleichterung für die Staatsfinanzierung zu erreichen.
Gleichzeitig hoben sie eine Reihe von Bereichen hervor, in denen man verstärkt zusammenarbeiten könne. Sie reichten von Technologieaustausch über Firmenkooperation bis hin zu gemeinsamen strategischen Vorhaben.
Einen großen Raum nahmen die Stärkung der Unternehmensstrukturen und die Anhebung der Wettbewerbsfähigkeit ein. Zentraler Punkt war hier eine verbesserte Ausbildung in den Betrieben sowie eine engere Zusammenarbeit und ein intensiverer Austausch zwischen Betrieben und Universitäten.
Hier zeigten sich die Sprecher spanischer Dachverbände und Unternehmen offen, Elemente des deutschen "Dualen Ausbildungssystems" in ihren Betrieben einzuführen, um so zu einer verbesserten Berufsausbildung, geringerer Jugendarbeitslosigkeit und letztendlich zu einer höheren Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu gelangen.
Bundeskanzlerin Merkel hob die Bedeutung der spanischen Reformanstrengungen hervor. Wenngleich sie für viele Bevölkerungsteile mit erheblichen Härten verbunden seien, zeigte sie sich doch davon überzeugt, dass nur über die Umsetzung der notwendigen Reformen eine langfristige Wettbewerbsstärkung und Wohlstandssicherung möglich sei.
Deutschland habe eine anspruchsvolle Reformagenda vor über zehn Jahren mit schmerzhaften Anpassungen in Angriff genommen. Auf europäischer Ebene sei man bereit zusammenzustehen und sich gegenseitig zu helfen. Nur müsse jedes Land auch konsequent seine eigenen Hausaufgaben erledigen. Um so entschlossener diese angegangen würden, um so schneller dürften sich auch die Erfolge einstellen.
Ministerpräsident Rajoy betonte, dass seine Regierung einen Reformprozess in Gang gesetzt habe, der beispiellos in der spanischen Geschichte sei und der in dieser Rigorosität auch in keinem anderen Land umgesetzt werde. Die Fiskalkonsolidierung, so zum Beispiel die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse und die Strukturreformen, aber auch die Arbeitsmarktreform, seien mit gewaltigen Einschnitten verbunden.
Die Reformagenda sei aber noch lange nicht abgeschlossen. Wichtige künftige Vorhaben seien unter anderem der Abbau von administrativen Hindernissen in Spanien selbst, um den heimischen Markt für die Unternehmen einheitlicher zu gestalten. Darüber hinaus müsse der Energiesektor dringend umgestaltet werden. Schließlich wolle seine Regierung eine grundlegende Erziehungs- und Ausbildungsreform auf den Weg bringen.
Auf europäischer Ebene, hier stimmten beide Regierungschefs überein, gelte es die Integration auf der Fiskal-, Finanz-, Wirtschafts- und der politischen Ebene voranzutreiben. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten sowohl in Bezug auf die Finanz- und Wirtschaftskrise als auch auf die Attacken der Finanzmärkte gegenüber dem Euro, gelte es gemeinsam anzugehen.
Hierzu seien einerseits individuelle nationale Anstrengungen und andererseits gemeinsame europäische Maßnahmen notwendig. In dieser Hinsicht kamen beide Regierungschefs darin überein, gemeinsam auf eine "Road Map" hinzuwirken, die als Ziel eine Fiskal- und Bankenunion habe sowie eine weitere Vertiefung auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet mit sich bringe.
Beide Regierungschefs vereinbarten zudem ein weiteres bilaterales Treffen für Februar 2013 in Deutschland.
Deutscher Industrie- und Handelskammertag, DIHK Courier, Ausgabe 36/2012, 07.09.2012
Berufsbildung bei deutsch-spanischem Spitzentreffen der Wirtschaft
Deutsche und spanische Unternehmer tauschten sich Anfang September in Madrid in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Mariano Rajoy unter anderem über Wettbewerbsfaktoren für den Standort Europa wie Berufsbildung, Innovation oder Finanzierung aus.
Das Potenzial der deutsch-spanischen Wirtschaftsbeziehungen stand im Mittelpunkt eines hochrangigen Unternehmertreffens Anfang September 2012 in Madrid.
Veranstalter der Zusammenkunft waren der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gemeinsam mit den spanischen Wirtschaftsverbänden CEOE und CSC sowie der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) Spanien.
In Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Mariano Rajoy tauschten sich deutsche und spanische Unternehmer unter anderem über Wettbewerbsfaktoren für den Standtort Europa wie Berufsbildung, Innovation oder Finanzierung aus.
"Die deutsche Industrie begrüßt die angestoßenen Reformprozesse der Regierung Rajoy. Es liegt im Interesse Spaniens und damit Europas, jetzt nicht nachzulassen, sondern die investitionsorientierte Wachstumspolitik konsequent fortzusetzen. Dazu gehört auch, bislang verschlossene nationale Märkte für private Investitionen zu öffnen", sagte BDI-Präsident Hans-Peter Keitel.
DIHK-Präsident Hans-Heinrich Driftmann betonte: "Mit dem Besuch in Madrid wollen wir als deutsche Wirtschaft auch unterstreichen, dass Spanien für seinen Reformweg Respekt und Vertrauen verdient. Ich setze darauf, dass unsere spanischen Partner den eingeschlagenen Weg konsequent fortschreiben."
Keitel lobte die Reformfortschritte in Spanien: "Die Stimmung in der spanischen Industrie sowie die Primärsalden in den Staatshaushalten haben sich zuletzt gebessert. Eine steigende Wettbewerbsfähigkeit und wachsende Exporte zeigen, dass sich die Reformen auszahlen. Die spanische Regierung sollte diesen Weg zu mehr Wettbewerbsfähigkeit weiter verfolgen und ihre Strategien und Erfolge offensiver vermarkten."
Driftmann äußerte sich besorgt über die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Spanien: "Die Arbeitslosigkeit gerade unter jungen Menschen ist erschreckend hoch. Ganz besonders wichtig ist daher das Thema Ausbildung. Nachhaltiges Wachstum erscheint nur möglich, wenn die Zukunft junger Menschen mehr in den Fokus genommen wird. Wir haben hier in Deutschland mit dem dualen System gute Erfahrungen und können Spanien Unterstützung anbieten."
Beide Präsidenten zeigten sich überzeugt davon, dass durch das Unternehmertreffen die tatkräftige Unterstützung der deutschen Wirtschaft für Spanien als viertgrößte Volkswirtschaft in der Eurozone deutlich wird. Die guten Kontakte zwischen der deutschen und der spanischen Wirtschaft hätten die Grundlage für einen Dialog geschaffen, von dem beide Länder profitieren werden. Mehr als 1.100 deutsche Unternehmen sind derzeit in Spanien vertreten.
Quellen: Germany Trade & Invest GTAI, Deutscher Industrie- und Handelskammertag DIHK, August/September 2012